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Tatort Friedrichshain: Polizisten sammeln Pflastersteine als Beweismittel ein.

© imago/Christian Mang

Attacken auf Polizisten in Rigaer Straße: Opposition kritisiert das Verhalten von Rot-Rot-Grün

Nach den Attacken gegen Polizisten kritisieren Regierung und Opposition sich gegenseitig. Rot-Rot-Grün setzt auf Deeskalation in der Rigaer Straße.

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Brutale Attacken gegen Polizisten in der Rigaer Straße haben eine neue Diskussion über den Problemkiez in Friedrichshain ausgelöst. Die Beamten nahmen dort am Sonntag drei Gewalttäter fest, nachdem Kollegen mit Pflastersteinen beworfen worden waren. 65 Polizeibeamte wurden eingesetzt, flankiert von einem Polizeihubschrauber. Die Opposition warf Rot-Rot-Grün vor, linke Gewalt in Berlin zu verharmlosen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) müsse sich „schützend vor seine Polizisten stellen und den Linksextremisten eine deutliche Abfuhr erteilen“, forderte der CDU-Fraktionschef Florian Graf am Montag. Die Rigaer Straße dürfe nicht zu einer „No-go-Area“ werden. Geisel solle für den gesamten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ein Konzept vorlegen. Dazu gehörten auch Strategien für die seit 2012 von Geflüchteten besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule und angrenzende Wohngebiete.

Der Senat lege einen „Schutzmantel über diese Chaosextremisten, wenn er gegen wilde Blumenbeete härter vorgeht als gegen besetzte Häuser“, sagte FDP–Fraktionschef Sebastian Czaja. Rot-Rot-Grün dürfe in der Rigaer Straße, bei brennenden Autos oder der Gerhart-Hauptmann-Schule nicht länger wegsehen. Der AfD-Innenpolitiker Karsten Woldeit geht davon aus, dass der Senat die Gewalttäter „aus Furcht vor Ausschreitungen, aus Angst um den Koalitionsfrieden und den Verlust von Wählerstimmen aus dem linken Spektrum“ weitgehend gewähren lasse.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lässt an der Sicherheitspolitik der Regierungsparteien kein gutes Haar. „Im Koalitionsvertrag wird das Problem Linksextremismus mit keiner Silbe erwähnt – das ist nicht akzeptabel“, sagte Sprecher Benjamin Jendro. Viele Polizeibeamte überlegten es sich inzwischen „zwei- bis dreimal, ob sie in der Rigaer Straße aus dem Auto aussteigen“. Es könne nicht sein, dass der Senat erst handele, „wenn unsere Kollegen schwer verletzt werden oder ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen“. Die GdP fordert härtere Strafen, will auch das Gespräch mit den friedlichen Bürgern suchen, nicht aber mit der autonomen Szene. „Wir verhandeln unseren Rechtsstaat nicht.“

Seit Februar erregen die Pläne der CG Gruppe für ein Neubauprojekt in der Rigaer Straße 71–73 die Gemüter auch der friedliebenden Anwohner. Bereits im vergangenen Jahr gab es in der Straße immer wieder schlimme Auseinandersetzungen zwischen Linksautonomen und der Berliner Polizei.

Nach den Übergriffen am Wochenende äußerte sich Innensenator Geisel erst am Montag. „Wir werden nicht dulden, dass eine Minderheit einen ganzen Kiez in Angst und Schrecken versetzt“, teilte er mit. Die Gewalt der Linksextremisten sei sinnlos, menschenverachtend und unpolitisch. Der Senat werde nicht hinnehmen, dass rechtsfreie Räume entstehen. Dazu gehöre aber auch, verbal nicht weiter aufzurüsten. Damit reagierte er auf die Aufforderung des CDU-Generalsekretärs Stefan Evers, der auf Facebook dazu aufforderte, „Linksfaschisten auszuräuchern“. Er bezeichnete die Autonomen in der Rigaer Straße als „widerwärtiges Gesindel“. Später änderte Evers seinen Facebook-Eintrag und schrieb: „Ich hoffe, der Innensenator erwacht endlich aus seinem politischen Koma und räuchert dieses Nest von Linksfaschisten mit allen Mitteln des Rechtsstaats aus.“

Mit dieser ungewöhnlichen Wortwahl waren SPD, Linke und Grüne gar nicht einverstanden. Evers solle sich schämen, „mit so einer Sprache an dunkelste Zeiten deutscher Geschichte anzuknüpfen“, sagte der Landeschef der Grünen, Werner Graf. Die Formulierungen des CDU-Politikers seien menschenverachtend und absolut inakzeptabel. Auch der SPD-Innenexperte Frank Zimmermann empfand die Kritik von Evers in dieser Zuspitzung als schädlich. Den Konflikt um die Rigaer Straße jetzt noch rhetorisch anzufeuern, sei wenig hilfreich.

Abseits dieses politischen Nebenkriegsschauplatzes bemühte sich die rot-rot-grüne Koalition am Montag darum, jeden Eindruck zu vermeiden, dass man die linksextremen Gewalttäter gewähren lasse. „Wir empfinden mit diesen Leuten weder Sympathie noch tun wir so, als könne man mit Kriminellen verhandeln“, sagte der Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux. Wenn es die Lage erfordere, seien auch Polizeigroßeinsätze nicht ausgeschlossen. Doch zuerst setze Rot-Rot-Grün auf Deeskalation.

Der Linken-Sicherheitsexperte Hakan Tas betonte ebenfalls, wie wichtig Prävention und Gespräche seien. Er schlug vor, für die Befriedung der Rigaer Straße und deren Umgebung einen neuen „Runden Tisch“ zu etablieren. Der Innensenator, Vertreter des Bezirks und Fachpolitiker sollten sich mit Bewohnern, Geschäftsleuten und Hauseigentümern zusammensetzen. „Alle, die das Gespräch suchen und Gewalt ablehnen, sind herzlich eingeladen.“ Die Regierungspolitiker räumen ein, nicht zu wissen, warum die Gewalt in der Rigaer Straße wieder eskaliert. Es sehe nach gezielter Provokation aus, sagte der SPD-Abgeordnete Zimmermann. „Das ist unerträglich, es geht um schweren Landfriedensbruch, die Polizei hat unsere volle Rückendeckung.“

Voraussichtlich wird sich der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses in seiner nächsten Sitzung am 19. Juni mit dem Problem befassen.

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