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Rüdiger Lentz, Historiker und langjährige Studioleiter der Deutschen Welle in Washington, leitet das Aspen-Institut.

© promo/Aspen-Institut

Aspen-Institut: Von Berlin aus eine Brücke nach Amerika schlagen

Seit Jahrzehnten organisiert das Aspen-Institut transatlantische Gespräche. Die sind heute vielleicht wichtiger denn je.

An Herausforderungen ist gerade kein Mangel im deutsch-amerikanischen Verhältnis. Umso wichtiger werden die vielen Netzwerke, die den Zusammenhalt unterhalb der obersten politischen Ebene festigen. Dafür gibt es vermutlich keinen besseren Ort, als Berlin, die Stadt, die wie keine andere in Deutschland für die besonderen, historischen Beziehungen steht. Seit über 40 Jahren befasst sich das Aspen Institut damit, Gespräche auf hohem Niveau zu inszenieren.

Rüdiger Lentz sitzt in seinem teilverglasten Büro über der Friedrichstraße zwischen Skulpturen seiner Frau, der Künstlerin Petra Seebauer und einer Buddha-Göttin, die in aufgewühlten Zeiten Ruhe und Inspiration vermittelt. Ein vergleichsweise modernes Ambiente für den Mann, der seit vier Jahren als erster Deutscher an der Spitze des Aspen-Instituts steht.

Lange befand sich das Institut weitab im Westen, in einer vom Senat gemieteten Villa auf Schwanenwerder. Erst vor einigen Jahren erfolgte der Umzug nach Mitte. Hier fühlt sich der Historiker und langjährige Studioleiter der Deutschen Welle in Washington genau richtig am Platz. Die Zeiten sind schneller geworden. Für eine Diskussion raus nach Schwanenwerder fahren? Dafür hat heute niemand mehr Zeit.

Gründung während Kalten Krieges

Als das Aspen-Institut 1974 gegründet wurde, waren die Fronten klar. Der Kalte Krieg war noch lange nicht beendet. Unter dem legendären Gründungsdirektor Shepard Stone sollte die transatlantische Organisation überparteilich und unabhängig an der Verbesserung der Beziehungen mitwirken. In der Villa auf Schwanenwerder diskutierten auch Richard von Weizsäcker, Helmut Schmidt, Marion Gräfin Dönhoff und Willy Brandt mit. Da die Direktoren immer vom US State Department gestellt wurden, geriet das Institut zeitweise in den Verdacht, eine ziemlich konservative Linie zu fahren, wurde eher den Republikanern zugerechnet, was auch an den Leitern lag. Im Schatten der 1994 gegründeten American Academy führte es jahrelang ein ruhiges Dasein.

Das hat sich geändert. Seinen Auftrag sieht der Direktor ganz klar: „Auch in schwierigen Zeiten müssen wir im Gespräch bleiben.“ Gerade bei dem derzeitigen US-Präsidenten sei es wichtig, Netzwerke zu pflegen, Foren zum Austausch zu schaffen. Auf den Veranstaltungen des Instituts sprechen hochkarätige Repräsentanten aus Wirtschaft, Nichtregierungsorganisationen und Kultur auch über philosophische Fragen miteinander, besinnen sich auf gemeinsame Werte. Man spricht über die Rolle des Individuums in der Gesellschaft, über Recht und Grenzen des Rechts, über Verantwortung. Die Bandbreite reicht von Aristoteles bis Martin Luther King. Es geht darum, gemeinsame Interessen nicht aus den Augen zu verlieren. Auch Handels- und Bündnisfragen werden thematisiert.

Auswandermuseum in Washington gegründet

Rüdiger Lentz hat in Washington D.C. ein Auswanderermuseum aufgebaut, bevor er dem Ruf zum Aspen Institut folgte. Er freut sich, dass die Zahlen der Austauschschüler, die in die USA gehen, wieder steigen. Aber ihm ist auch klar, dass das Land der unbegrenzten Möglichkeiten seit den Irak-Kriegen nicht mehr der Sehnsuchtsort Nummer 1 der Welt ist.

Obwohl er selbst in Bayern zur Welt kam, hat Rüdiger Lentz Wurzeln in Berlin. Sein Ururgroßvater Ernst Lenz, ein Schlossermeister, betrieb einst in Moabit eine Fabrik für Krankenhausbedarf. Unter anderem die Kopf- und Fußteile an den Betten kamen aus seiner Produktion. Rüdiger Lentz lebt heute im Kreuzberger Loft seiner Frau, der Künstlerin, die er in den USA kennengelernt hat.

Nachdem der Senat 2004 die Förderung des Instituts aufgegeben hat und auch das State Department nicht mehr zahlt, finanziert man sich heute aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Lotto-Mittel helfen zusätzlich, Veranstaltungen und Projekte zu finanzieren. Die Bundesregierung hat die gestiegene Bedeutung des transatlantischen Dialogs in schwierigen Zeiten ebenfalls erkannt und zusätzliche Fördermittel bereitgestellt.

Auch Brückenkopf Richtung Osteuropa

Das Institut versteht sich auch als Brückenkopf Richtung Osteuropa, dort vor allem mit zivilgesellschaftlichen Gruppierungen. „Wir wollen Kontakt halten, unabhängig von allen aktuellen Verwerfungen“, beschreibt er das Konzept. In Zeiten, wo einfache Antworten im Trend zu liegen scheinen, sei es nicht leichter geworden, mit Argumenten zu arbeiten. Dabei arbeitet Aspen auch zusammen mit anderen Organisationen wie dem German Marshall Fund oder dem American Jewish Committee. Optimistisch stimmt ein „wachsender Hunger nach validen Informationen“. Das Aspen-Team rund um den 70-jährigen Chef besteht aus 15 überwiegend jungen Leuten. Dass die Jugend der Welt heute in ähnlicher Weise Berlin als Sehnsuchtsort betrachtet wie einst die USA ist zusätzliche Ermutigung. Rüdiger Lentz glaubt fest daran, dass sich von dieser Stadt aus mit ihren historischen Brüchen und ihrer Aufbruchsstimmung ein Spirit entfalten kann, der im richtigen Moment die Beziehungen zwischen Europa und den USA wieder aufblühen lässt.

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