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Ralf Deutsch, Brandenburger Förster, wirft einen Blick in den ausgebaggerten Bunker rein.

© Kitty Kleist-Heinrich

Artenschutz gilt auch für Elon Musk: Tesla gräbt einen russischen Bunker aus – für Fledermäuse

Der US-Autokonzern muss für den Bau der Gigafactory in Grünheide gewisse Artenschutzauflagen erfüllen. Eine davon: Winterquartiere schaffen.

Wer sich von der Natur nimmt, muss der Natur auch geben. Im Falle des Autobauers Tesla gehört dazu der Plan, dass aus einem alten Bunker in der Nähe der geplanten Gigafactory eine Fledermaushöhle werden soll.

Dazu luden Presseleute des US-amerikanischen Elektroauto-Herstellers am Donnerstag zum Ortstermin: Der Bunker sollte aus dem Waldboden freigebaggert werden und so als Winterquartier für die schutzbedürftigen Tiere dienen. Die Aktion ist Teil von verpflichtenden Artenschutzmaßnahmen, die Tesla vom Landesumweltamt Brandenburg auferlegt wurden.

Doch der Termin beginnt rätselhaft: Wer ist zuständig, wo muss die Journalistengruppe, die an der Zufahrt wartet, hin? Plötzlich steht ein Wagen vor dem Tesla-Gelände, in dem Förster Ralf Deutsch und der Gutachter Kristian Tost sitzen – ohne ein Wort der Begrüßung geht es los. Die Presse beschließt hinterherzufahren, das Ganze gleicht einer Verfolgungsjagd über Stock und Stein.

Zehn Autominuten später hält die Kolonne an einem Waldstück bei Mönchwinkel, ein Ortsteil von Grünheide. Am Wegesrand steht ein Schild, darauf ein durchgestrichenes Auto und die Ansage: „Es ist untersagt, Waldwege mit Kfz zu befahren sowie Kfz dort abzustellen. Zuwiderhandlungen werden als Ordnungswidrigkeit verfolgt.“

Gilt das auch, wenn ein Förster, nämlich der zuständige Revierleiter, dabei ist? Neun Journalistenautos biegen auf den Waldweg. Betreibt Tesla hier eine Form von aggressivem Action-Marketing? Der Tagesspiegel-Twingo poltert über die Fahrbahn, die keine ist.

Tesla lässt Kästen für Fledermäuse aufstellen

Tief im Wald wartet ein Arbeiter mit Bagger und schließt sich den Wagen an. Mitten im Gehölz ist das Ziel erreicht, knapp sechs Kilometer von der Baustelle der Gigafactory entfernt. Die Journalisten steigen aus, noch immer steht ihnen niemand für Fragen zur Verfügung. Das Presseteam, das die Einladung verschickt hat, sitzt in der Schweiz.

Einer dieser Gutachter ist Kristian Tost, der an diesem Tag ebenfalls die Ausgrabung beobachtet. „Wir wollen die Fledermäuse in der Region unterstützen und ein Winterquartier errichten“, sagt Tost. „Wenn der Bunker geeignet ist, könnten wir Hängplätze mithilfe von Fledermauskästen, Spaltenquartieren oder Lochsteinen schaffen.“

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Bisher habe Tesla in der Umgebung bereits 160 Vogel- und Fledermauskästen aufgestellt, insgesamt seien 400 Kästen in Planung. Somit könnten Arten wie der Abendsegler und Zwergfledermäuse ein neues Winterquartier finden – auch im Bunker, wenn der geeignet und erstmal entsprechend hergerichtet ist.

Hier zeichnet sich bereits der Betonmantel des Bunkers ab.
Hier zeichnet sich bereits der Betonmantel des Bunkers ab.

© Kitty Kleist-Heinrich

Ob die Fledermäuse ihr neues Zuhause auch schnell annehmen, ist jedoch keineswegs sicher. Wichtig ist laut Tost, dass der Ort einerseits frostgeschützt ist und andererseits für Menschen unzugänglich bleibt. Nur so könnten die Fledermäuse ungestört überwintern.

Bagger legt Bunker frei

Der Bagger fährt zwischen den Kiefern hervor und kommt vor einem bewachsenen Hügel zum Stehen. Das muss er sein, der Bunker. Zumindest wenn man Förster Deutsch glauben darf, der das von einem Kollegen in Rente gehört hat, der hier im Gebiet seit den Sechzigern Förster war.

„Der wusste, dass es einen Bunker gibt aus der Zeit, als noch die Russen hier stationiert warten.“ Derweil trägt der Bagger die Erde über dem vermuteten Bauwerk ab. Die Information zum Baurelikt gab Deutsch gleich an die von Tesla beauftragten Gutachter von „Natur + Text“ aus Rangsdorf weiter.

Die Baggerschaufel gibt beim Graben ein scharrendes Geräusch von sich – ein weißer Betonmantel kommt unter dem Erdhaufen zum Vorschein. Da sind der Bunker und sein zugeschütteter Eingang. Ein Arbeiter schaufelt die Erde heraus und legt eine rostrote Stahltür und den Blick ins Innere frei.

Viel gibt es jedoch nicht zu sehen, denn der Bunker ist voll von Erde. „Auf den ersten Blick sieht es so aus, als könnte der Bunker den Fledermäusen als Winterquartier dienen“, sagt Gutachter Tost. Beim Bau der Gigafactory in Grünheide sorgen sich Naturschützer jedoch nicht nur um den Erhalt von Fledermäusen – auch Ameisen und Eidechsen sind ein Anliegen.

Bürger sorgen sich um Wasserverbrauch

Von den mehr als 370 „Stellungnahmen“ und „Einwendungen“, die Bürger bezüglich des Fabrikbaus beim Brandenburger Landesamt für Umwelt eingereicht haben, geht es um Themen wie Wald, Verkehr und Naturschutz. Sehr häufig sorgen sich Bürger jedoch um den Wasserverbrauch der geplanten Fabrik.

In der vergangenen Woche ist außerdem bekanntgeworden, dass der ansässige Wasserverband Strausberg-Erkner die Planung für die Versorgung der geplanten Gigafactory in Grünheide auf Eis gelegt hat – sie wäre damit nur noch bis 2022 gesichert. Außerdem habe Tesla den entsprechenden Vertrag noch nicht unterschrieben.

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Eine Sprecherin des Wasserverbands sagte dem RBB, durch die fehlende Rechtssicherheit sei das ganze Projekt „grundsätzlich gefährdet“. Tesla hat seinem 4000 Seiten dicken Bauantrag ein Gutachten beigelegt, wonach es keine Negativwirkungen für das Grundwasser hätte, wenn die Fabrik mehr als 10.000 Betonpfeiler in den Boden rammen würde.

Außerdem werde die Fabrik nur noch 233 Kubikmeter Wasser pro Stunde verbrauchen statt der ursprünglich angedachten 372 Kubikmeter Wasser. In Grünheide sollen bereits ab Juli 2021 jährlich 500 000 Elektroautos vom Band laufen und insgesamt 12 000 Menschen beschäftigt werden.

Grünheide könnte schneller als Shanghai sein

Die Fabrik könnte sogar schneller an den Start gehen als ihre Vorgängerin im chinesischen Shanghai. Sie wäre nach den Standorten in Nevada, New York und Shanghai die vierte ihrer Art. Zunächst will Tesla das Model Y in Grünheide bauen lassen.

Zwar hat Brandenburgs Landesumweltamt Tesla erlaubt, mit den Roharbeiten für die Gigafactory zu beginnen, bevor das Hauptgenehmigungsverfahren abgeschlossen ist. Doch wenn am Ende des Verfahrens keine Genehmigung steht, müsste der Autobauer das Fundament und die Pfähle entfernen und den „Ursprungszustand“ des Geländes wiederherstellen.

190 Hektar Kiefernwald müssen der Fabrik auf dem Areal vor den Toren Berlins weichen. Im Gegenzug nimmt Tesla „Ausgleichsleistungen“ vor – wie die Errichtung der Winterquartiere für Fledermäuse.

Albrecht Köhler ist Grünheider und beobachtet und dokumentiert den Bau der Gigafactory bereits seit November vergangenen Jahres: „Für unsere Region ist diese Fabrik eine Chance, die wir so gut wie möglich nutzen sollten“, sagt der 33-jährige Gesundheitspfleger.

Bauantrag hat Tausende Seiten

Über sein Twitter-Profil @gigafactory_4 informiert er in englischer Sprache regelmäßig über den Bau der Fabrik und hat mit seinen Beiträgen mittlerweile mehr als 8800 Follower auf der Plattform gewonnen. Dass Menschen sich um den Umwelt- und Artenschutz sorgen, kann Köhler zwar verstehen, „ich finde aber, dass Tesla in den tausenden Seiten seines Bauantrags recht viele Informationen preisgegeben hat. Da ist das Unternehmen sehr offen“.

Wie Tesla die Presse über Naturschutzmaßnahmen informiert, ist eine andere Sache – so viel ist nach dem Termin klar. Ob sich die Mühe von Förster Deutsch und Planer Tost am Ende lohnt, entscheiden die Fledermäuse.

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