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© Thilo Rückeis

Architektur: Berlins neue Häuser: Kaum gebaut, schon geschmäht

Die Debatte um neue Berliner Gebäude geht weiter: Ein Zusammenschluss kritischer Architekten sieht derzeit mehr Masse als Klasse. Die Pläne für die Hochhäuser am Alexanderplatz lehnen sie ab – als unzeitgemäß.

„Alles, was man in Berlin anfasst, wird zur Bulette“, soll Werner Düttmann, Stadtplaner und in den sechziger Jahren Senatsbaudirektor, einmal resignierend gesagt haben. Die kritische „Plattform Nachwuchsarchitekten“ hält den Spruch für hochaktuell. Der Zusammenschluss von Architekten sieht allerorts Neubauten „ohne viel Rücksicht auf die Umgebung hingeklotzt“, wie das wegen Form und Farbe vielgescholtene Alexa-Einkaufszentrum am Alex, das (nach einer Umfrage bei Architektur-Ausstellungsbesuchern in Köln) den Plattformpreis für die fragwürdigste Berliner Architektur erhielt. Kandidaten für diese „Auszeichnung“ sind laut Architektenplattform die O2-Arena, das Möbelhaus Kraft am Sachsendamm und das Motel One am Bahnhof Zoo.

Die Architektenkammer wollte sich gestern zum Thema Stadtbild nicht äußern. Theresa Keilhacker von der Plattform, die nach eigenen Angaben mit rund 3000 der 7000 Berliner Architekten in Verbindung steht, möchte aber erreichen, dass bei Bauherren und Planern „der Blick für Qualität geschult wird“ und starre Gestaltungssatzungen – wie etwa am Pariser Platz, oder demnächst für die historische Mitte – nicht die Rettung sind. Nach der Ära von Senatsbaudirektor Hans Stimmann hoffe man auf neue Impulse seiner Nachfolgerin Regula Lüscher, das neue Baukollegium, das bei größeren Projekten in Gestaltungsfragen mitreden soll, könne ein richtiger Schritt sein.

Der Alexanderplatz hat die kritischen Architekten schon mehrmals beschäftigt, der Umbau des Kaufhofs und seine neue Fassade wurden bereits 2006 mit einem Plattformpreis „geehrt“. Die Hochhausplanungen am Alex gehören nach Ansicht der Kritiker zu einem „Masterplan, der völlig an der wirtschaftlichen Entwicklungen vorbei entwickelt“ worden ist. Da werde, so die Plattform, ein städtebauliches Bild implantiert, dass nicht in die Gegend passe. Es gebe aber auch gute Architektur, die sich strengen Vorgaben widersetze, Paradebeispiel sei der Museumsanbau von Ieoh Ming Pei am Deutschen Historischen Museum oder der David-Chipperfield-Galeriebau gegenüber dem Neuen Museum an der Museumsinsel. Aber viele „Buletten“ liegen den kritischen Architekten im Magen. Am Möbelhaus in Schöneberg stören sie sich an der „undifferenzierten Fassade“, die neue, bald eröffnete O2-Arena erscheint ebenfalls „unstrukturiert und hingeklotzt“, das Motel One am Bahnhof Zoo „extrem wuchtig“. Ein Hochhaus, wie vor der Wende geplant, hätte besser gepasst. Mit einem Hochhaus an der Gertraudenstraße in Mitte wäre auch das markante Bauwerk „Ahornblatt“ gerettet worden, stattdessen aber hätte es einem „Blockrand à la Stimmann“ weichen müsssen.

Ob neue Eckbebauung Unter den Linden/Friedrichstraße, der Pavillon des „Bundespressestrandes“ an der Spree oder auch das Beisheim-Center am Potsdamer Platz – die kritischen Architekten vermissen allerorts den „geschulten Blick für Qualität“. Am Potsdamer Platz sei zumindest die Nutzungsmischung gelungen. Am Pariser Platz habe die Gestaltungssatzung Qualität beim Bau nicht garantieren können, sagte Theresa Keilhacker. Die US-Botschaft zeige beispielsweise eine banale, undifferenzierte Fassade und auf der Rückseite eine verunglückte, städtebauliche Kante. Der einzige Clou am Platz sei hier der Bau der DZ-Bank des Architekten Frank O. Gehry. Das Haus öffne zeige sein aufregendes Innenleben, gewähre Einsichten.

Auf Einsichten im Senat und bei Investoren hoffen die Plattform-Architekten. Es sei nun wirklich an der Zeit, sich von baulichen Buletten zu verabschieden.

Mehr hier samt großer Leser-Debatte.

Christian van Lessen

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