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Die Gründerin von Fox & Sheep und Mitglied im VBKI-Präsidium Verena Pausder.

© Kim Keibel

Apps für Kinder: „Mama, ich möchte einen Stop-Motion-Film mit Lego-Männchen drehen“

Unternehmerin Verena Pausder wollte erst mit Sushi und dann mit gesundem Fast Food Geld verdienen – und scheiterte. Der dritte Anlauf gelang.

Wer große berufliche Erfolge feiern will, hat keine Zeit mehr für etwas anderes? Verena Pausder beweist das Gegenteil. Weltweit hat sie mit ihrem Unternehmen 25 Millionen Smartphone-Apps für Kinder verkauft. Daneben ermutigt Pausder Jugendliche mit ihrer Non-Profit-Organisation „StartupTeens“ zur Unternehmensgründung, während sie sich als Präsidiumsmitglied im Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) für die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes engagiert. Mutter von vier Kindern ist sie auch noch.

Sie sei nicht der Typ Mensch, der sich auf Erfolgen ausruhe, erzählt sie; viel lieber sei es ihr, „neue Wege“ zu gehen. Neue Pfade hat Verena Pausder auch mit der Gründung ihrer Firma „Fox & Sheep“ beschritten, die Apps entwickelt, mit denen Kinder spielerisch an die digitale Welt herangeführt werden. 2012, im Gründungsjahr, sei sie Pionierin auf diesem Gebiet gewesen, erinnert sie sich.

Verena Pausder wollte ihr Feld abstecken, bevor große Player aus den USA die Sache mit den Kinder-Apps entdeckten. Ihre Idee: „Lasst uns doch mal richtig guten Content machen, bevor Disney das tut.“ Bei der Sondierung des Marktes traf sie auf die Illustratorin und Regisseurin Heidi Wittlinger, die schon mal für einen Oscar nominiert war und Kinderformate wie „Kleiner Fuchs“ und „Schlaf gut“ als Apps auf den Markt gebracht hatte. Pausder kaufte sie ihr ab und tat sich mit Programmierern, Game-Designern und Illustratoren zusammen, um die Apps weiterzuentwickeln. Diese Investition hat sich ausgezahlt.

Über Umsatz und Gewinn schweigt Verena Pausder zwar, ihr Unternehmen sei aber profitabel, sagt sie. Man kann es sich ja ungefähr ausrechnen. Eine App kostet 3,99 Euro. 150.000 Euro kostet die Entwicklung einer App. 30 Prozent der Umsätze gehen an Apple. Über 40 Kinder-Apps hat sie derzeit auf dem Markt. Als Pausder 2012 anfing, waren es noch Goldgräberzeiten. Inzwischen ist die Konkurrenz aufgewacht, dauert es also auch viel länger, bis die Investitionskosten wieder hereingespielt sind.

Trotzdem muss sich die Firma weiterentwickeln, weshalb sie jetzt verstärkt auf Streaming-Anbieter wie Netflix oder Amazon Prime setzt. Dabei geht es um ganz neue Projekte, für die sie weitere Charaktere und Geschichten erschaffen hat. Die Verhandlungen über Videoformate liefen gerade, die Verhandlungen über ein Audioformat seien schon abgeschlossen. Den Partner kann sie allerdings noch nicht nennen.

Früh übt sich. In der „Digitalwerkstatt“ lernen Kinder den Umgang mit neuen Medien.
Früh übt sich. In der „Digitalwerkstatt“ lernen Kinder den Umgang mit neuen Medien.

© promo

Mit ihren Eltern hatte Verena Pausder exzellente Vorbilder. Ihr Geburtsname Delius steht im heimatlichen Bielefeld für eine Unternehmerfamilie, deren Wurzeln bis ins Jahr 1722 zurückreichen. Heute leitet ihr Vater das traditionsreiche Textilhandelsunternehmen. Auch ihre Mutter ist Unternehmerin, als Raumausstatterin für Hotels.

Pausder sieht sich zwar nicht als Digital Native. Aber nach dem Abitur 1998 studierte sie in St. Gallen und fand beste Voraussetzungen vor. Früh besaß sie Computer und Handy, entwickelte eine große Affinität. Von Anfang an brannte sie darauf, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Zunächst versuchte sie sich auf einem ganz anderen Feld: In New York entdeckte sie die Sushi Bars, begeisterte sich dafür und eröffnete eine in ihrer Heimatstadt Bielefeld. Doch die Westfalen taten sich schwer mit der ungewohnten Kost. „Man kann als Unternehmer auch zu früh sein“, erinnert sich die 40-Jährige heute rückblickend an den Misserfolg. Auch die Idee, den Deutschen unter der Marke „Yummy Salads“ gesundes Fast-Food zu verkaufen, hatte sie aus den USA mitgebracht – und war hierzulande dann damit ebenfalls gescheitert. Ihre gesamten Ersparnisse setzte sie damals für die Gründungen in den Sand.

Wer führt, sollte selber mal geführt worden sein

Verena Pausder

Als wenig später die Dotcom-Blase platzte, entschied sie sich zunächst doch gegen die Selbstständigkeit und für ein Traineeprogramm im Beteiligungsmanagement bei einem Versicherungsunternehmen, der Münchener Rück. Eine richtige Entscheidung, urteilt sie im Nachhinein, denn anders als andere Gründer konnte sie dadurch Erfahrungen sammeln mit Chefs und Feedback. „Davon zehre ich heute noch. Wer führt, sollte selber mal geführt worden sein“, sagt sie. „Die Theorie reicht da nicht.“ Später baute sie für Bertelsmann eine digitale Nachhilfe-Plattform auf, wurde anschließend Geschäftsführerin von Panfu, einer digitalen Panda-Erlebniswelt für Kinder. Dabei sammelte sie nicht nur wichtige Erfahrungen, sondern knüpfte Kontakte zu Programmierern. Diese Mischung aus Erfahrungswerten und einem belastbaren Netzwerk führten Pausder Jahre später letztlich zum Erfolg.

Einen Erfolg, den sie bisweilen auch fern der Heimat auskosten kann. So saß sie einmal im Vietnam-Urlaub am Strand, als sie neben sich eine Familie entdeckte, die mit einer ihrer Apps spielte – auf Chinesisch.

Doch bei allen Erfolgserlebnissen, die Gründerin legt auch Wert auf freie Zeit. Was nicht immer ganz einfach ist, angesichts einer 50-Stunden-Woche. Wenn sie mit den Kindern und ihrem Mann, der ebenfalls ein Startup-Unternehmer ist, am Wochenende nach Rügen fährt, bricht die Familie gern schon am frühen Nachmittag auf. „Wir wechseln uns ab mit dem Fahren, dann kann jeder noch anderthalb Stunden Mails machen“, sagt sie.

Ihre 80 Mitarbeiter haben eine flexible Chefin. Homeoffice oder den jeweiligen Familienbedürfnissen angepasste Arbeitszeiten sind da kein Problem. Verena Pausder, man merkt es ihr an, liebt es effizient. Zu manchen Tageszeiten fallen die Reglementierungen strenger aus. Von abends 22 Uhr bis morgens 8.30 Uhr etwa, ist sie nur noch telefonisch erreichbar. Außerdem versucht sie, die Wochenenden offline zu verbringen: „Wir lieben unsere Arbeit, aber wollen uns auch nicht verheizen, wollen nicht alles, was Spaß macht, auf später verschieben.“

Strenge Regeln beim digitalen Konsum

Nachdem die erste Ehe gescheitert ist, hat sie mit ihrem jetzigen Mann eine Patchwork-Familie gegründet. Er hat den 6-Jährigen mitgebracht, sie die beiden Jungs aus erster Ehe, hinzukam noch das gemeinsame Kind, das ein Jahr alt ist. Was dürfen eigentlich ihre Kinder im Alter von einem, sechs, neun und elf Jahren?

Digital gelten da sehr strenge Regeln: Ein eigenes Smartphone gibt es erst mit zwölf Jahren. Digitaler Konsum ist wiederum nur dienstags und donnerstags jeweils eine halbe Stunde lang erlaubt, samstags und sonntags jeweils eine Stunde. Es gibt aber auch ein Zauberwort, das diese Computerzeiten verlängern kann. Und das geht ungefähr so: „Mama, ich möchte einen Stop-Motion-Film mit den Lego-Männchen drehen.“ Kreative Projekte sind nämlich eine andere Sache, für die bisweilen auch Extrazeit am Computer eingeräumt wird.

Digitalwerkstatt für Kinder und Erwachsene

Glücklich, wer in digitalen Fragen so eine kompetente Mutter hat. Was aber, wenn den Eltern die entsprechenden Kenntnisse fehlen? Dafür hat Verena Pausder 2016 die Digitalwerkstatt ins Leben gerufen. Vormittags lernen dort Schulklassen zu programmieren, Roboter zu bauen oder Animationsfilme zu drehen. Nachmittags gibt es Kurse für Eltern, Großeltern und Pädagogen. Auch Feriencamps für Kinder werden angeboten. Und am Wochenende kann dann der Kindergeburtstag dort gefeiert werden. Die Haba Digitalwerkstatt ist dabei kein rein hauptstädtisches Angebot – es gibt sie an sechs Standorten in Deutschland, unter anderem in Hamburg, München und Lippstadt.

Mit dem Spielzeughersteller Haba weiß Pausder mittlerweile auch einen finanzkräftigen Partner für das Projekt an ihrer Seite. 2016 sicherte sich das Unternehmen für einen Millionenbetrag einen Anteil an dem Werkstatt-Projekt. Wichtiger aber noch als gute Geschäftsideen und finanzkräftige Investoren ist für eine erfolgreiche Unternehmerin etwas anderes. Das hat sie aus ihren anfänglichen Misserfolgen gelernt: „Aufs Durchhalten kommt es an.“

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