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Apfellager. In diesem Saal können Kunden die Geräte testen. Wer blaue T-Shirts trägt, muss die Fragen beantworten.

© Mike Wolff

Apple-Store Berlin: MacBooks rein, Bücher raus

Ein Kulturwandel in der City West: Der Apple-Store am Ku'damm öffnet – und Lehmanns Buchhandlung in der Hardenbergstraße schließt. Beides zeigt beispielhaft den Vormarsch der digitalen Medien.

Eine Eröffnung, eine angekündigte Schließung – ein Zufall im Berliner Geschäftsgetriebe. Doch beide Ereignisse haben mehr als nur beiläufig miteinander zu tun, weil sie für den kulturellen Wandel stehen: Denn eröffnet wird der schon lange viel beraunte Apple-Store im Haus Wien am Kurfürstendamm. Und es stirbt eine große Buchhandelsfiliale nicht weit entfernt: Die Firma Lehmanns schließt im Juli ihr Geschäft in der Hardenbergstraße, das sie von Kiepert übernommen hatte.

Der Computer-Multi Apple ist dagegen obenauf. Nach jahrelangem Schweigen, vielen Gerüchten und Blicken auf fest verschlossene Bauplanen taucht nun das von den Berlinern fast schon vergessene „Haus Wien“ wieder auf – und wie. Die in jahrzehntelanger Nutzung als Kino verschlissenen Räume funkeln nach der Restauration geradezu. Im Erdgeschoss befindet sich nur einziger großer Schauraum, groß wie eine Sporthalle, mit zahllosen Präsentationstischen aus – wie betont wurde – deutscher Eiche. Im ersten Stock gibt es zur Straße hin einen Konferenzraum, und gleich dahinter liegt der alte Kinosaal, der zu einem Veranstaltungsraum für 200 Besucher umgestaltet wurde, komplette Bühnentechnik eingeschlossen. Geld, das ist offensichtlich, spielte keine Rolle.

Apple wäre nicht Apple, würde das ganze Projekt nicht mit einer Welle von kalifornischem Frohsinn in die Stadt geschoben. Entsprechende Shops, die meist den Namen „Flagship-Store“ tragen, sind nicht neu für die Welt, nicht einmal für Deutschland: Es gibt jetzt insgesamt 408 und elf in Deutschland. Doch, das versteht sich: Der Berliner ist zumindest der größte deutsche, beschäftigt 200 Mitarbeiter, die dazu da sind, keine Kundenfrage offen zu lassen. Der oberste Ladenmanager, Steve Cano, „Senior Vice President of retail“, war eigens zum Pressetermin angereist. Bei anderen Firmen, so versprach er, ende die Fürsorge für den Kunden mit dem Verkauf, „bei uns fängt sie dann erst an“. Diese Haltung wird durch einen langen Tisch in der Raummitte symbolisiert, die „Genius Bar“. Dort kann sich jeder Apple-Benutzer bei technischen Problemen gratis beraten lassen.

Das Veranstaltungsprogramm beginnt am Sonnabend um 20 Uhr mit einem Auftritt des britischen Singer-Songwriters Passenger; am Montag sprechen um 16 Uhr Regisseur Jan-Ole Gerster und Hauptdarsteller Tom Schilling über ihren Lola-Abräumerfilm „Oh Boy“.

Eröffnet wird am Freitag um 17 Uhr. Das hat auch den größten deutschen Apple-Händler, die Berliner Firma Gravis, zu einer ironischen Wir-sind-auch-noch-da-Aktion ermuntert: Man werde die vor der Tür Wartenden mit Kaffee und Lunchpaketen versorgen, hieß es. Bei Gravis gibt es, was es bei Apple nicht gibt: einen Eröffnungsrabatt.

Im Juli ist Schluss. Lehmanns Buchhandlung räumt das Haus Hardenberg.
Im Juli ist Schluss. Lehmanns Buchhandlung räumt das Haus Hardenberg.

© Cay Dobberke

Sonderangebote kündigt auch Lehmanns Buchhandlung im denkmalgeschützten Haus Hardenberg am Ernst-Reuter-Platz an. Doch dabei geht es um den Räumungsverkauf, der am 10. Juni beginnt. Die Schließung ist laut Mitarbeitern für Ende Juli geplant. Es wird auch Abschiedsveranstaltungen geben, darunter einen „Danke und Goodbye“-Abend mit Entertainerin Gayle Tufts. Lehmanns-Regionalleiter Jürgen Seidel bedauert in einem Brief an die Kunden die „rückläufige Standortentwicklung“. Er war am Donnerstag nicht erreichbar, dafür sprach ein Mitarbeiter über die „strukturellen Probleme“: Trotz der Nachbarschaft zur TU und der Universität der Künste (UdK) spüre man, dass immer mehr Bücher im Internet bestellt werden – übrigens auch bei Lehmanns, die Firma betreibt seit 1993 den ältesten Webshop im deutschen Buchhandel.

Aber auch die Mediennutzung sei im Wandel, sagte der Mitarbeiter: „Wir haben seit fünf Jahren kein Lexikon mehr verkauft“, gefragt seien nur noch digitale Nachschlagewerke. Lehmanns behält Filialen an der Friedrichstraße, am Charitéplatz und in Adlershof. Diese sind jedoch Fachbuchhandlungen. Das Unternehmen war lange auf wissenschaftliche Bücher spezialisiert, bis es Ende 2003 im Haus an der Hardenbergstraße in drei ehemalige Verkaufsetagen der Traditionsbuchhandlung Kiepert zog.

Kiepert hatte zuvor Insolvenz anmelden müssen. Insgesamt endet in Haus Hardenberg nun eine fast sechs Jahrzehnte alte Buchhandelstradition. Das Baudenkmal war vor zehn Jahren für 26 Millionen Euro saniert worden, es gibt dort auch ein „Café Balzac“ und einen Laden des Einrichtungshauses Manufactum. Für die 1600 Quadratmeter Fläche der Buchhandlung gibt es nach Auskunft des Vermieters noch keinen neuen Nutzer.

Für Kulturliebhaber ist die Schließung die zweite schlechte Nachricht aus der City West innerhalb weniger Tage. Denn wie berichtet, will Frankreich das Maison de France am Ku’damm 2015 verkaufen und den Kulturbetrieb in seine Botschaft am Pariser Platz verlagern.

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