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Pio Junghans filmt sich selbst beim Einführen des Teststäbchens in die Nase. Eine medizinische Fachkraft am anderen Ende bestätigt die sachgemäße Handhabung.

© freetogo

App ins Restaurant: Studenten aus Berlin und Potsdam bringen digitalen Coronatest auf den Markt

Ein Start-up aus Potsdam hat ein Corona-Test-Zertifikat entwickelt. Fachpersonal begleitet den Abstrich per Videochat. Was taugt die "freetogo"-App?

"Hallo, ich bin Pia und leite dich heute durch deinen Corona-Test“, sagt Pia Junghans vom Handy Bildschirm aus. Die 18-Jährige studiert im ersten Semester Medizin an der Berliner Charité und demonstriert gerade, wie ein Online-Corona-Test aussieht. Gemeinsam mit Matthias Weingärtner und Leo Radloff, beide studieren Rechtswissenschaft an der Universität Potsdam, entwickelte sie die App freetogo, die als digitales Testzentrum fungiert. Die drei und ein immer weiter wachsendes Team aus mittlerweile zwölf jungen Menschen, die in ganz Deutschland verteilt wohnen, wollen so einen Beitrag zu der Pandemiebekämpfung leisten.

Die Geschäftsidee: Mit freetogo soll man zuhause oder unterwegs einen Corona-Selbsttest machen und trotzdem ein zertifiziertes Testergebnis erhalten. Bisher muss man dafür in ein Testzentrum gehen. Das kostet mitunter Zeit und birgt ein Ansteckungsrisiko. Mit der App läuft alles digital: Medizinisch geschultes Personal überprüft per Videocall, ob der Selbsttest korrekt durchgeführt wurde.

Die Fachkräfte dafür rekrutiert die junge Firma über Adecco, einem der größten Personaldienstleister Europas, die bereits in vielen Impf- und Testzentren tätig sind. Genau wie in anderen Testzentren (hier eine Liste), muss auch das Personal von freetogo eine Schulung machen, bevor es offiziell dazu befähigt ist, Selbsttests zu überprüfen. Durch diese Schulung sind sie dazu befähigt ein zertifiziertes Testergebnis zu erstellen, mit dem man dann wie gewohnt Zutritt zu Bars, Restaurants, Museen oder Kinos hätte.

„Ein Online-Test-Zentrum ist viel schneller und effizienter“, sagt Matthias Weingärtner, Mitgründer der nextSolution! zweipunktnull UG, die die App entwickelt. Er argumentiert, medizinisches Personal sei schneller, weil es nicht ständig Formulare ausfüllen oder sich die Hände desinfizieren müsse. Auch Testpersonen würden Zeit sparen. Und dass positiv Getestete im Testzentrum ein Risiko seien, sei in der bisherigen Teststrategie nicht mitgedacht worden, glaubt er.

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Ein weiterer Vorteil sei, dass das digitale Testzentrum bereits um 6 Uhr öffnet und erst um 22 Uhr schließt. Die meisten anderen Testzentren öffnen ein bis zwei Stunden später und schließen bereits um 20 Uhr. Auch das sei ist ein Problem herkömmlicher Testcenter, sagt Mitgründer Leo Radloff: „Kommilitonen von mir müssen morgens eine Klausur schreiben und einen Test vorlegen, dabei haben die meisten Testzentren um 7 Uhr noch gar nicht geöffnet.“

Verifizierung kostet knapp zehn Euro - und einen Test 

Derzeit kostet die Online-Verifizierung eines Selbsttests mit der freetogo-App 9,99 Euro. Zusätzlich muss der Selbsttest vorher in der Drogerie oder der Apotheke erworben werden. Der sogenannte „Bürgertest“ ist dagegen für Besucher kostenfrei und kann in Berlin mittlerweile täglich in einem der Zentren gemacht werden. Diese findet man mittlerweile an fast jeder Einkaufsstraße, allerdings steht deren Betreiber aktuell unter verschärfter Beobachtung, nachdem einige beim Betrug mit Abrechnungen ertappt worden sind. Im Gegensatz zu dem kostenlosen Bürgertest ist das Angebot des Online-Testzentrums der jungen Unternehmer:innen teuer: Zehn Euro pro Verifizierung und etwa fünf Euro für einen Schnelltest kann sich nicht jeder leisten.

Zudem bieten wenige andere Unternehmen bereits erste Schnelltest-Zertifikate an, darunter der Schnelltest-Vertrieb Hotgen aus Salzhausen südlich von Hamburg. Dort kostet dieser Service der Selbsttest-Verifizierung 14,90 Euro. Und das Unternehmen DLMC aus Sprockhövel im Ruhrgebiet ermöglicht laut Medienberichten seit vergangenen Donnerstag ebenfalls „digitale Bürgertests“. Wie bei den Bürgertests in stationären Testzentren übernimmt hier der Bund die Kosten für den Vorgang der Testung. Allerdings muss die Testperson im Vorhinein ein Sicherheitssiegel bestellen – und wie bei freetogo den Corona-Test vorher selber im Einzelhandel besorgen.

Gründer:innen wollen die Testungen kostenlos anbieten

„Auch wir wollen unseren Service kostenlos anbieten. Wir warten aber noch auf das ‚Go' vom Bundesgesundheitsministerium“, erklärt Mitgründer Radloff. Dieses müsse die von freetogo durchgeführten Testungen zuerst als offizielle „Bürgertests“ genehmigen. Diesbezüglich sind die Gründer:innen jedoch zuversichtlich: „Der Bund will doch unbedingt digitaler werden. Die müssen ‚ja' sagen.“ Bis dahin sehen sie ihren Service als „gute Ergänzung“ zu den kostenlosen Bürger Tests.

Das Berlin-Potsdamer Start-up-Unternehmen wird von den Veranstaltern des Hackathons „Update Deutschland“ unterstützt. Diese Initiative wird wiederum von der Bundesregierung unterstützt und fördert Ideen, die das Land digitaler machen sollen. Außerdem gehört das Unternehmen mittlerweile zu dem „Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit“, in dem auch die umstrittene Luca-App mit entwickelte. Ebenfalls gefördert werden die Entwickler:innen von freetogo von der Universität Potsdam, an der Weingärtner und Radloff studieren. Die Uni stellte ihnen unter anderem Räume zur Verfügung.

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„Vor zehn Wochen konnten wir uns gar nicht vorstellen, was aus so einer Idee, die wir beim Lernen hatten, entstehen würde“, sagt Weingärtner. Die Idee für die App kam ihnen Mitte Februar, als sie sich gerade einen gemeinsamen Co-Working-Space einrichteten, um von dort aus zu studieren. Ungefähr zur selben Zeit wurden die Corona-Selbsttests zugelassen, die im Supermarkt oder der Apotheke erworben und zuhause durchgeführt werden können.

Radloff erzählt, dass die Drei die Selbsttests sofort gekauft und genutzt hätten: „Dabei fiel uns auf, dass die Tests nach der Nutzung einfach im Müll landeten.“ Das liegt daran, dass das Testergebnis nicht als zertifizierter Nachweis einer Testung gilt. Zum einen, weil Selbsttests nicht von medizinisch geschultem Personal durchgeführt werden, zum anderem weil nicht überprüft werden kann, wann und von wem der Test gemacht wurde.

QR-Code soll Zutritt zu Restaurants und Bars erlauben

Diese Probleme sollen durch die App behoben werden. Vor dem Online-Test muss man sich bei freetogo registrieren und seinen Personalausweis verifizieren lassen. Dann erhalten Nutzer:innen eine personalisierte Identifikationsnummer, die vor der Durchführung des Tests per Hand auf die Testkassette geschrieben werden. Von der Testkassette muss dann vor und nach dem Test ein Foto machen und in die App laden. Anhand der Fotos können Mitarbeiter:innen das Testergebnis überprüfen und anhand der Nummer sicherstellen, dass es sich immer noch um denselben Test handelt.

Ist der Test negativ, erscheint ein QR-Code auf der Startseite der App, mit dem man Zutritt zu Bars, Restaurants, Museen oder Kinos erlangt. Per Mail wird einem zusätzlich ein PDF-Nachweis zugesendet. Außerdem erscheint auf der Startseite der App ein Countdown, der anzeigt, wie lange das Ergebnis noch gültig ist. Wie vom Ministerium vorgegeben beträgt dieser Zeitraum 24 Stunden.

Pia Tietjen

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