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Rechter von linker Straftat getroffen. Der Wagen von Tilo P. (rechts) ging im Januar 2019 in Flammen auf.

© Frank Jansen

Anschlag in Neukölln war möglicherweise Racheakt: Prozess gegen mutmaßlichen linken Brandstifter beginnt

Der Nazigegner Ulrich O. soll in Gropiusstadt den Wagen des Rechtsextremisten Tilo P. angezündet haben. Sicherheitskreise sprechen von einer „Retourkutsche“.

Von Frank Jansen

Der Fall kündet offenbar von extremistischer Verbissenheit in der Stadt. Diesen Donnerstag beginnt in Berlin am Amtsgericht Tiergarten der Prozess gegen einen mutmaßlichen Brandstifter aus der linken Szene, der den Wagen eines mutmaßlichen Brandstifters aus der rechten Szene angezündet haben soll. Schauplatz des Geschehens war Neukölln. Der Bezirk leidet seit Jahren unter extremistischer Gewalt, meist sind Neonazis die Täter. Einer der mutmaßlichen Hauptakteure, der Rechtsextremist und ehemalige AfD-Politiker Tilo P., wurde jedoch im vergangenen Jahr selbst getroffen.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem mutmaßlichen Linken Ulrich O. vor, am 30. Januar 2019 in Gropiusstadt das Fahrzeug von Tilo P. in Brand gesteckt zu haben. Der Anschlag, bei dem der Wagen schwer beschädigt wurde, war möglicherweise ein Racheakt der linken Szene. Die Staatsanwaltschaft vermutet „ein linksextremistisches Motiv“.

Tilo P. wird von den Sicherheitsbehörden wie auch von Linken verdächtigt, gemeinsam mit den Neonazis Sebastian T. und Julian B. seit 2016 in Neukölln mehr als 70 Angriffe auf linke Ziele verübt zu haben, darunter 23 Brandstiftungen. Mehrmals gingen Fahrzeuge linker Nazigegner in Flammen auf. Sicherheitskreise sagen, die Attacke auf den Wagen von Tilo P. „war eine Retourkutsche“.

In der Anklage wird dem 41-jährigen Ulrich O. neben Brandstiftung auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und versuchte Körperverletzung vorgeworfen.

Ulrich O. soll sich bei Festnahme heftig gewehrt haben

Was sich am späten Abend des 30. Januar 2019 in der Gropiusstadt abspielte, war offenbar heftig. Zivilfahnder der Polizei beobachteten, wie drei Männer auf Fahrrädern an einem Wagen hielten. Einer bückte sich, dann fuhren die drei eilig weg. Die Polizisten verfolgten die Männer und stellten einen – Ulrich O. Unterdessen brannte der Wagen von Tilo P.

Die Beamten nahmen Ulrich O. vorläufig fest. Der Tatverdächtige soll sich heftig gewehrt haben. Folglich ist in der Anklage auch von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte die Rede. Die mutmaßlichen Mittäter sind bis heute unbekannt.

AfD attackiert Amadeu Antonio Stiftung

Die AfD schlachtete die Geschichte aus, obwohl Tilo P. selbst kein harmloser Mensch zu sein scheint. Der Tagesspiegel hatte im Februar 2019 geschrieben, dass Ulrich O. früher für die Amadeu Antonio Stiftung tätig war. Sie setzt sich intensiv mit Rechtsextremismus auseinander und ist dem Nazi-Spektrum verhasst.

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Die AfD forderte nach dem Brandanschlag, der Stiftung die öffentlichen Gelder zu entziehen. Die Stiftung hingegen verurteilte den Anschlag und betonte, Ulrich O. sei nur bis 2016 für sie tätig gewesen und lediglich auf Honorarbasis.

Noch kein neuer Termin für Prozess wegen mutmaßlicher Nazischmierereien

Unterdessen bleibt offen, wann der Prozess gegen Tilo P. und Sebastian T. wegen mutmaßlicher Nazischmierereien fortgesetzt wird. Das Amtsgericht Tiergarten setzte Ende August die Hauptverhandlung am ersten Tag aus, weil Polizisten nur beschränkt aussagen durften.

Einen neuen Termin gebe es noch nicht, hieß es am Mittwoch in der Justiz. Tilo P. und Sebastian T. sollen im August 2017 in Neukölln Parolen gesprüht haben, mit denen der NS-Politiker Rudolf Heß als Märtyrer glorifiziert wurde.

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