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Gabrielle McGovern und Joseph Porporra haben beide Väter, die den Terroranschlag auf das World Trade Center 2001 als Retter miterlebten und noch heute unter den Folgen leiden.

© Kai-Uwe Heinrich

Anschläge auf das World Trade Center 2001: Berliner Stiftung unterstützt Kinder von 9/11-Feuerwehrleuten

Eine Stiftung lädt Kinder von Feuerwehrleuten, die am 11. September 2001 in New York im Einsatz waren, nach Berlin ein – als Symbol deutsch-amerikanischer Verbundenheit.

Jedes Jahr am 11. September wird es sehr still in den Familien von Joseph Porpora und Gabrielle McGovern. „Das ist ein Trauertag bei uns zu Hause“, erzählen die Studenten, die für vier Wochen auf Einladung der Checkpoint-Charlie-Stiftung nach Berlin gekommen sind. Die Eltern besuchen an den Jahrestagen Gedenkgottesdienste, in denen an die Anschläge auf das World Trade Center im Jahr 2001 erinnert wird.

Was Gabrielle von dem Tag weiß, an dem Terroristen in Manhattan zwei entführte Flugzeuge in die Twin Towers steuerten und sie zum Einsturz brachten, hat sie von ihrer Mutter erfahren. Ihr Vater möchte darüber nicht sprechen. Das trifft auch auf Josephs Vater zu. Für die Feuerwehrleute, von denen damals 343 starben, war es, „wie Krieg in der eigenen Stadt“.

Am Montagnachmittag wurden die beiden Studenten vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, empfangen und vom Vorstandsvorsitzenden der Stiftung, Walter Momper, und seiner Stellvertreterin, Anja Schillhaneck. Die Stiftung war nach dem Abzug der Alliierten 1994 als Teil der „New Traditions“ gegründet worden, die Berlins besondere Beziehungen zu den USA aufrecht erhalten sollten.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte sie eine Spendenaktion „Berlin hilft den USA“ organisiert. Innerhalb kurzer Zeit kam dabei mehr als eine Million DM zusammen, unter anderem gesammelt von Feuerwehren aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Spenden waren der Grundstein der „City of Berlin Scholarship“.

Gravierende Spätfolgen bei Überlebenden

Mit dem Stipendium werden Kinder von Feuerwehrleuten unterstützt, die am 11. September im Einsatz waren. Anfangs kamen Kinder, deren Väter an dem Tag getötet wurden. Erst nach und nach stellte sich heraus, dass es auch gravierende Spätfolgen gab, die es den Einsatzkräften von damals bis heute schwer bis unmöglich machen, die akademische Ausbildung ihrer Kinder zu finanzieren. Rund 900 mussten ihren Beruf wegen der Krankheiten, die aus dem damaligen Einsatz resultierten, aufgeben. 200 sind an den Spätfolgen inzwischen gestorben. Manche sind bis heute traumatisiert, viele leiden unter schweren Atemwegserkrankungen.

Gabriellas Vater arbeitete damals in der Feuerwache, die am zweitnächsten zum World Trade Center lag. Er hatte seine Schicht getauscht, was, wie Gabriella erzählt, dauernd passierte. Nur deswegen kam er erst dazu, als der zweite Turm schon zusammengebrochen war. Fast alle seine Kollegen starben bei dem Einsatz. „Gerade in solchen Fällen ist es für die Überlebenden besonders schwer“, weiß die Geschäftsführerin der Stiftung, Ina Frost, die viele ihrer Stipendiaten über deren Eltern gefunden hat.

„Ich konnte gar nicht verstehen, wieso ein fremdes Land uns ein Stipendium geben sollte. Es ist doch gar nicht hier passiert“, sagt Gabrielle. Inzwischen hat die 19-Jährige einiges dazugelernt. Ihre Gastfamilie hat ihr viel über die Luftbrücke erzählt, über den Kalten Krieg und die Rolle der Amerikaner. Das wurde zwar alles auch im Schulunterricht gestreift, aber eben nur kurz.

„Und es ist etwas ganz anderes, wenn man das wirklich selber sieht“, sagt Joseph, der heute 18 Jahre alt ist und keine eigene Erinnerung an die Anschläge hat. Das Stipendium umfasst einen Zuschuss zu den Studiengebühren und die Möglichkeit, sich für den Berlin-Aufenthalt zu bewerben, in dem auch ein Deutschkurs und oft ein Praktikum enthalten ist. Bei Gabrielle hat sich auch die Stiftung Luftbrückendank beteiligt.

Ein Symbol deutsch-amerikanischer Freundschaft

Immer besser verstehen die beiden Studenten die Zusammenhänge, die besonderen Beziehungen zwischen Berlin und den USA, die auf die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zurückgeht, als aus Siegern und Besatzern erst Beschützer und dann Freunde wurden. Viele US- Soldaten wurden nach der Rückkehr in ihre Heimat zu Botschaftern Deutschlands. Als Teil der neuen Traditionen könnte es mit den Stipendiaten ähnlich laufen. Die Mauergedenkstätte hat sie beeindruckt, der Potsdamer Platz, das Holocaust-Mahnmal und die Museumsinsel.

Joseph muss nicht lange überlegen, was für ihn bislang am schönsten war. Seit seiner Kindheit ist er ein Bundesliga-Fan. Er glaubt, dass Fußball nirgendwo besser gespielt wird als hier, und obwohl das Thema daheim keine so große Rolle spielt, findet er Wege, sich auf dem Laufenden zu halten. Dass er beim Spiel Deutschland gegen Schweden auf der Fanmeile vor dem Brandenburger Tor dabei sein konnte, war für ihn die Erfüllung eines Traums. Seine Augen leuchten immer noch, wenn er davon erzählt.

Joseph studiert Computer Science am Boston College, Gabrielle hat Stadtplanung, Kunstgeschichte und Architektur am Trinity College in Hartford, Connecticut belegt. Mit dem World Trade Center hat sie sich auch wissenschaftlich befasst.

Beide Stipendiaten waren schon am National September 11 Memorial in Manhattan, wo die fast 3000 Namen derer eingraviert sind, die bei den Anschlägen ums Leben kamen. Joseph war mit seinem Vater da, der nach Namen von Freunden und Bekannten gesucht hat. „Er hat mir den Namen von Father Michael Judge gezeigt“, erzählt er.

Beide Stipendiaten hoffen, dass irgendwann ein offizieller Gedenktag an die Anschläge erinnern wird, ähnlich wie für Pearl Harbour oder den D-Day. Es stört sie, dass die Erinnerung für die Jüngeren gar nicht mehr so wichtig ist. Gabrielle hat die Gedenkstätte mit ihrer Mutter besucht. „Für meinen Vater ist es noch zu früh, dorthin zu gehen.“

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