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Fehlende Transparenz: Viele Bundesländer halten ihre Qualitätsberichte über Pflegeheime unter Verschluss.

© Arno Burgi/dpa

Anmeldecodes verzweifelt gesucht: Viele Berliner Pflegekräfte warten auf Termine für Corona-Impfungen

Das Impfprozedere für Pflegeprofis in Berlin ist kompliziert. Leasingkräfte und Mitarbeitende in der ambulanten Altenpflege fallen dadurch oft durchs Raster.

Die Bereitschaft, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, ist unter den Pflegekräften in Berliner Pflegeheimen geringer als bei den Bewohnerinnen und Bewohnern. Wie berichtet ist in manchen Heimen weniger als die Hälfte der Mitarbeitenden bereit für die Spritze.

Ein Hauptgrund dafür, da sind sich die meisten Betreiber einig, ist das komplizierte Verfahren. Denn während die Bewohner ihre Spritze von mobilen Impfteams in den Einrichtungen erhalten, müssen die Pflegekräfte dafür mit einem Code einen Termin im Impfzentrum in der Arena Treptow vereinbaren und eine zum Teil lange Anfahrt dafür auf sich nehmen.

Nur dann, wenn die mobilen Teams noch Impfdosen übrig haben, etwa weil ein Bewohner an dem Tag nicht impffähig ist, werden auch einzelne Mitarbeiter geimpft.

Diese Form der Impforganisation hat noch einen weiteren Nachteil: Die Leasingkräfte, die zur Überbrückung von Personalengpässen an die Pflegeanbieter „ausgeliehen“ werden, fallen dabei offenbar unter den Tisch. Dabei sind gerade sie ein Risiko für die Weiterverbreitung des Virus, weil sie ihre Einsatzorte häufiger wechseln.

Verantwortlich dafür, die Codes für die Impfanmeldung bei der Senatsverwaltung für Gesundheit zu besorgen, sind die Arbeitgeber, in diesem Falle also die Zeitarbeitsfirmen.

Eine davon ist das Berliner Unternehmen flexxicare. Dessen Geschäftsführer Harald Danneberg sagt, er versuche seit Wochen vergeblich, in der Senatsverwaltung jemanden zu erreichen, der ihm Informationen zu den Impfcodes und zur Organisation der Impfung für seine Mitarbeiter geben könne.

„Die überwiegende Zahl unserer Pflegekräfte würde sich sehr gern impfen lassen“, sagt Danneberg. Seine Firma hat etwa 50 Mitarbeitende. Doch ohne Code können sie keinen Impftermin vereinbaren. Eine entsprechende Anfrage des Tagesspiegels zur Codeausstattung von Zeitarbeitsfirmen ließ die Senatsgesundheitsverwaltung am Mittwoch unbeantwortet.

"Wir sind doch keine Impfgegner, aber manche haben Angst"

Andere auf die Überlassung von Pflegekräften spezialisierte Unternehmen waren sehr früh dran und deshalb möglicherweise erfolgreicher. „In Berlin haben wir die Impfcodes für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits Ende Dezember erhalten – auf hartnäckige Nachfragen“, sagt Andreas Worch, Geschäftsführer der Anbosa Personaldienstleistungen. Seit dem 4. Januar ließen sich seine Mitarbeitenden impfen. „Bislang sind etwa 15 bis 20 Prozent unserer rund 100 Mitarbeiter immunisiert.“

Die Impfbereitschaft betrage etwa 50 bis 75 Prozent, sagt Worch. Damit liegt die Impfbereitschaft im Rahmen dessen, was Berliner Pflegeheimbetreiber in einer Tagesspiegel-Umfrage für ihre fest angestellten Pflegekräfte angegeben haben.

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Eine von rund 1200 Leasingkräften, die in Berlin in der Altenpflege tätig sind, ist Bettina Toepffer. Sie sei erschüttert darüber, dass Pflegekräfte jetzt als fahrlässig dargestellt würden, wenn sie sich nicht impfen lassen. „Wir sind doch nicht alle Impfgegner, die vorsätzlich die uns anvertrauten Pflegebedürftigen gefährden wollen“, sagt sie. „Dahinter stehen doch oft konkrete Ängste vor Nebenwirkungen.“ Wie berichtet verunsichern vor allem Gerüchte über heftige Nebenwirkungen manche Pflegekraft. So geht laut der Sprecherin des Pflegeheimbetreibers Korian, Tanja Kurz, das Gerücht um, die Impfung verursache angeblich Unfruchtbarkeit und Erbgutveränderungen.

Sie werde sich impfen lassen - aber "mit Bauchschmerzen"

Und schließlich gebe es auch viele Ärzte, deren Impfbereitschaft zurückhaltend sei, meint Bettina Toepffer. „Leider sind noch zu viele Fragen offen, weshalb Pflegekräfte ebenso wie viele in der Bevölkerung einfach nur verunsichert sind“, sagt Toepffer. „Ich bin aber entsetzt, dass keiner unsere Ängste wahrnimmt.“ Trotz der Ängste werde sie sich wahrscheinlich „mit Bauchschmerzen“ impfen lassen. Noch habe sie aber von ihrem Arbeitgeber keinen Code für die Terminvereinbarung erhalten. „Aber das liegt sicher nicht an meiner Leasingfirma, sondern daran, dass zu wenig Impfstoffdosen bestellt wurden.“

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Von einer Impfpflicht, die Bayerns Ministerpräsident Markus Söder jetzt ins Spiel gebracht hat, um die Impfbereitschaft der Pflegekräfte zu erhöhen, hält Toepffer gar nichts. „Überall, wo das Wort ,Pflicht‘ auftaucht, werden Menschen noch mehr verunsichert.“

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Ähnlich sehen das Betreiber von Berliner Pflegeheimen. „Eine Impfverpflichtung unserer Mitarbeiter ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Option“, sagt Peter Müller, Sprecher von Pro Seniore, die bundesweit mehr als 70 Pflegeheime betreibt, davon sechs in Berlin. „Wir setzen lieber auf die Vernunft und die Einsicht unserer Pflegekräfte, dass eine Impfung gegen das Coronavirus ihren persönlichen Arbeitsschutz erhöht.“ Überall dort, wo sich die Einrichtungsleitungen in der Wahrnehmung ihrer Vorbildfunktion hätten impfen lassen, sei die Impfbereitschaft bei den Mitarbeitern überdurchschnittlich hoch.

Pflegeheimbetreiber lehnen eine Impfpflicht strikt ab

„Eine Impfpflicht zum jetzigen Zeitpunkt ist genau das falsche Signal“, sagt auch Claudia Appelt, Sprecherin der Caritas-Altenhilfe, die in der Stadt acht stationäre Pflegeeinrichtungen hat. „Wir sind strikt dagegen.“ Man müsse die Pflegekräfte mitnehmen, sie mit Argumenten überzeugen. Dabei setze die Caritas-Altenhilfe vor allem darauf, den Nutzen einer Corona-Impfung in den Fokus zu stellen, „nämlich den persönlichen Schutz vor einer schweren Erkrankung und die Perspektive, dadurch bald zur Alltagsnormalität zurückzukehren“. Zum Zweiten hofft das Sozialunternehmen, dass für seine Beschäftigten bald ein möglichst einfacher Weg eingeführt wird, sich impfen zu lassen.

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Außerdem wäre eine Impfpflicht auch nicht ungefährlich, sagt Appelt. Das stelle auch einen massiven Eingriff in die Selbstbestimmung dar. Ihre Befürchtung: „Da wird sich der eine oder andere sehr Ängstliche sehr autonom überlegen, den Beruf zu wechseln.“

Doch selbst wenn sie wollen, können sich noch nicht alle Pflegekräfte impfen lassen. Denn offenbar gibt es neben den Leasingfirmen einen weiteren großen Bereich in der Pflege, für den es bisher keine Anmeldecodes gibt. „In der ambulanten Pflege warten viele Pflegekräfte sehnsüchtig auf die Impfberechtigung durch den persönlichen Impfcode“, sagt Appelt. Die Senatsverwaltung habe diese noch nicht versandt und auch noch keinen konkreten Termin genannt. „Wir hoffen, dies erfolgt noch im Januar.“

Denn ebenso wie Leasingkräfte wechseln ambulant tätige Pflegerinnen und Pfleger ihren Einsatzort – nämlich von Wohnort zu Wohnort der von ihnen betreuten Pflegebedürftigen. Ein guter Grund also, möglichst schnell auch diesen Mitarbeitenden ein Impfangebot zu machen.

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