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Schlechte Laune im Plastikblumenparadies: Immer weniger Kunden besuchen das asiatische Großhandeltszentrum Dong Xuan Center.

© Robert Klages

Angst im Asiahandel: Kunden meiden Berliner Dong Xuan Center

„Ich habe einen Chinesen geküsst, ja und?“, sagt ein pakistanischer Händler im Asiamarkt Dong Xuan Center. Nicht nur chinesische Geschäfte haben Probleme.

Junge Männer schleppen Kisten in die Liefereingänge der Asiamärkte und Restaurants auf dem Dong Xuan Center in Berlin-Lichtenberg. Über 250 Händler aus unter anderem Vietnam, Indien, China und Pakistan verkaufen hier Lebensmittel, Kleidung, Elektrogeräte, Spielzeug, Fahrräder, Plastikblumen und vieles mehr in sechs riesigen Hallen auf etwa 200 Hektar.

Es gibt Nagel- und Massagestudios, Friseure, Bars, Reisebüros, Steuerberater, Werbeagenturen und Fahrschulen. Der Ort ist benannt nach dem gleichnamigen Markt in Hanoi, Vietnams Hauptstadt. Besonders im Sommer drängen sich die Gäste, darunter auch viele Touristen, durch die schmalen Gänge, lassen sich durch das wuselige, bunt-blinkende Leben treiben.

Auch an diesem Mittwochmittag sind die Restaurants und Geschäfte gefüllt. Doch seit dem Bekanntwerden des Coronavirus kommen weniger Gäste – da sind sich viele Händler vor Ort sicher. „Wenn nicht bald wieder mehr Kunden kommen, geht das Geschäft kaputt“, sagt eine Verkäuferin, die gerade die Körbe mit Schuhen, Fellen und Mützen in den Gang stellt. Dabei seien sie doch hier überwiegend Vietnamesen, keine Chinesen. Es gebe kaum Händler aus China in den Hallen. Deutsche könnten da oftmals nicht unterscheiden, sagt die Frau.

Die benachbarten Geschäfte sind geschlossen, viele Familien sind noch im Heimaturlaub zum chinesischen Neujahrsfest, das auch in anderen Teilen Asiens, wie zum Beispiel in Vietnam, gefeiert wird. Eine der wenigen chinesischen Familien im Center betreibt ein Geschäft in Halle 18, hinterer Gang. Sie verkaufen Schuhe und Taschen aus Italien, der Türkei und Griechenland. Der Sohn, 17 Jahre alt, sortiert gerade Kinderschuhe ins Regal. Seine Großeltern leben in China, erzählt er. Aber er mache sich nicht zu viele Sorgen, ihnen gehe es gut. Er merke schon, dass weniger Kunden kommen seit dem Virus. Und er persönlich erfahre auch, dass Menschen Abstand von ihm halten und sich in der Bahn von ihm wegsetzen würden.

„Obwohl da so ein Gefühl mitschwingt, dass ja etwas sein könnte“

Die Inhaberin des Asiahandels Vinh Dung ist sicher, dass seit dem Virus weniger Kunden kommen, „obwohl hier bei uns niemand aus China kommt“. Oft würden Besucher fragen, woher sie oder die Verkäufer stammen. Einmal habe ein Kollege von ihr zum Spaß geantwortet: aus Wuhan, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Hubei, dem Handelszentrum am Jangtse, wo das Coronavirus ausbrach. Der Besucher sei weggerannt und habe gesagt, er komme nie wieder.

Die rund 300 Besucher, die an diesem Mittwoch ins Dong Xuan Center gekommen sind und hier shoppen, essen, einkaufen oder sich massieren lassen, haben wohl keine Angst gehabt. „Obwohl da so ein Gefühl mitschwingt, dass ja etwas sein könnte“, sagt eine junge Frau. Ein Mann sagt, er habe natürlich keine Angst. „Warum auch?“ Seine Frau ergänzt, dass sie letztens in einem chinesischen Restaurant gegessen hätten.

Das asiatische Großhandelszentrum Dong Xuan Center in Berlin-Lichtenberg. Eigentlich Anziehungspunkt zahlreicher Gäste.
Das asiatische Großhandelszentrum Dong Xuan Center in Berlin-Lichtenberg. Eigentlich Anziehungspunkt zahlreicher Gäste.

© Robert Klages

Eine Familie aus Eberswalde macht einen Ausflug nach Berlin und schaut sich das Center an. Allerdings ohne den 15-jährigen Sohn. Der wollte nicht mitkommen, weil er Angst vor dem Virus hat. Er ist lieber zu Hause geblieben und ließ sich auch nicht überreden. Ansonsten hat die Familie keine Angst: „Wenn man danach geht, kann man ja gar nicht mehr rausgehen“, sagt die Frau. „Also ein bisschen mulmig ist mir schon“, ergänzt der Mann. „Im Hinterkopf hat man das Virus immer.“

[Wie es in den Berliner Bezirken nicht nur hinsichtlich Coronavirus weitergeht, berichtet der Tagesspiegel auch fortlaufend in den Bezirksnewslettern. Einmal pro Woche, ganz unkompliziert und kostenlos bestellen unter leute.tagesspiegel.de]

Der Chef des Dong Xuan Centers, Nguyen Van Hien, ist gerade nicht in Deutschland und daher nicht für den Tagesspiegel zu sprechen. In der Centerverwaltung versteht man die Aufregung nicht: Es habe bisher keinerlei Beschwerden von Händlern oder Kunden gegeben, sagt ein Sprecher.

Spielzeug, Bekleidung, Lebensmittel und vieles mehr im Dong Xuan Center. Doch seit dem Coronavirus fehlen die Kunden.
Spielzeug, Bekleidung, Lebensmittel und vieles mehr im Dong Xuan Center. Doch seit dem Coronavirus fehlen die Kunden.

© Robert Klages

Textilien kämen aus Italien, der Türkei, Indien. „Lebensmittel aus China? Das wüsste ich nicht, aber es ist nicht auszuschließen.“ Eigentlich würde man bei den chinesischen Händlern nur Textilien bekommen. Ob derzeit weniger Leute in den Center kommen, könne er nicht sagen. Lieferengpässe befürchtet er nicht, sollte Deutschland den Import aus China verbieten – denn die Waren im Center würden ja hauptsächlich aus Vietnam importiert.

Importverbote für Produkte aus China? Das sagt der Zoll

Der Deutsche Zoll teilt auf Nachfrage mit, derzeit wisse man nichts von möglichen Importverboten, könne dies aber nicht ausschließen. Man hielte sich derzeit an das Robert Koch-Institut. Dieses schätzt aktuell „eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus über importierte Waren als sehr unwahrscheinlich ein, da im Vorfeld eine Kontamination stattgefunden haben und das Virus nach dem weiten Transportweg noch aktiv sein müsste.“

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft teilt mit, für etwaige Verbote oder Beschränkungen der Einfuhr von Lebensmitteln aus China bestehe derzeit keine Veranlassung. Ohnehin müssten Schutzmaßnahmen von der Europäischen Kommission für den gesamten europäischen Markt getroffen werden.

Bunte Hüte, keine Kunden.
Bunte Hüte, keine Kunden.

© Robert Klages

Ein pakistanischer Händler in Halle zwei lacht. Er findet die Diskussion übertrieben. „Ich habe letztens einen Chinesen geküsst, ja und?“, ruft er und breitet dabei die Arme aus in den vollgestellten und engen Gängen seines Geschäfts, ein Kochtopf fällt runter und scheppert. Seine Ware sei zwar aus China, aber aus Metall und bereits seit drei Jahren in Deutschland, ruft er weiter und klopft auf den Topf.

Weniger Kunden im größten Chinarestaurant

Die Kunden werden nicht nur im Dong Xuan Center weniger. Auch eines der größtes Chinarestaurants in Berlin, das Shi Shan mit 600 Sitzplätzen auf 2200 Quadratmeter, teilt mit, man merke schon etwas seit dem Ausbruch des Virus, es würden weniger Gäste kommen, aber man könne natürlich nicht genau sagen, warum.

Bei der am Mittwoch gestarteten Messe Fruit Logistica sind die Auswirkungen des Coronavirus ebenfalls zu spüren. Eigentlich waren 94 Aussteller aus China erwartet worden, doch 50 Prozent hätten abgesagt, sagt Sprecherin Susanne Tschenisch. Häufigste Gründe: Reisebeschränkungen, eingestellter Flugverkehr.

Dass die anderen 50 Prozent teilnehmen, liege in der Regel daran, dass sie es kurzfristig geschafft haben, nicht-chinesisches Personal zu organisieren. Zudem müssen Messebesucher in diesem Jahr eine Erklärung unterzeichnen eine Anordnung der zuständigen Amtsärztin aus Charlottenburg-Wilmersdorf. Besucher müssen ankreuzen, ob sie zur Risikogruppe des Coronavirus gehören – wenn sie zum Beispiel in die Provinz Hubei gereist sind oder Kontakt mit Personen hatten, die bereits infiziert wurden.

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