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Schlimmer Finger. Mehrere Tausend Fälle von Aggression im Straßenverkehr beschäftigen jährlich allein die Berliner Justiz

© DPA

Angriff auf Radfahrerin in Berlin-Tempelhof: Tausende Verfahren wegen Aggression im Straßenverkehr

Die Fahndung der Polizei nach einem brutalen Autofahrer ist bisher erfolglos. Der Fall ist nur ein besonders krasser unter sehr vielen.

Die Öffentlichkeitsfahndung war bisher vergeblich: Bis Freitag Nachmittag haben sich nach Auskunft der Polizei noch keine Zeugen des Vorfalls gemeldet, den das Präsidium tags zuvor publik gemacht hatte. Wie berichtet soll ein 43-jähriger Autofahrer am Nachmittag des 7. April in Tempelhof eine 23-jährige Radfahrerin verfolgt, mit seinem BMW von der Fahrbahn gedrängt und auf dem Gehweg brutal attackiert haben, nachdem sie ihn auf ein vorheriges Fehlverhalten aufmerksam gemacht hatte. Die Polizei hofft vor allem, dass sich die Passanten melden, die der Frau bei dem Angriff zu Hilfe gekommen waren.

Die Polizei ermittelt gegen den Autofahrer wegen Nötigung und Körperverletzung; eine Anklage auch wegen weiterer Delikte sei denkbar.

Die meisten derartigen Taten werden von der Amtsanwaltschaft in Moabit bearbeitet und angeklagt. Andreas Winkelmann, als Erster Oberamtsanwalt auf Verkehrsstraftaten spezialisiert, bezeichnet das Geschehen aus Tempelhof als „absoluten Standardfall“, bei dem lediglich die Brutalität „schon etwas größer“ sei als sonst üblich.

Nach Auskunft von Winkelmann führen Amts- und Staatsanwaltschaft in Berlin jedes Jahr mehrere Tausend Ermittlungsverfahren wegen Aggression und tätlicher Angriffe im Straßenverkehr. Im Coronajahr 2020 sei die Fallzahl allerdings leicht gesunken. Im längerfristigen Schnitt habe die Berliner Justiz pro Jahr gegen etwa 2500 Männer und etwa 500 Frauen als Beschuldigte von Aggressionsdelikten im Straßenverkehr ermittelt. Die große Mehrheit der Täter sei 21 bis 40 Jahre alt; darüber nähmen die Fallzahlen deutlich ab.

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Besonders häufig sind nach Auskunft von Winkelmann Aggressionen zwischen Rad- und Autofahrern. Der „klassische“ Fall beginne mit einem Fehlverhalten des Autofahrers, der einen Radfahrer – meist nicht böswillig, sondern aus Unachtsamkeit – schneide oder bedränge. Daraufhin reagiere der Radfahrer mit Beschimpfungen, dann ergebe ein Wort das andere, bis mindestens ein Beteiligter ausraste.

Bei einigen Tätern wird die Fahrerlaubnis eingezogen

Die üblichen Strafen reichen nach Angaben von Winkelmann von Geldbußen bis zu Bewährung. In besonders schweren Fällen seien aber auch schon Täter ohne Bewährung ins Gefängnis geschickt worden. Als weitere und für die Betroffenen oft ebenfalls harte Sanktion versuche die Amtsanwaltschaft, die Fahrerlaubnis des Täters einziehen zu lassen.

Während eine Führerscheinsperre von vornherein auf einen bis sechs Monate Fahrverbot befristet ist, kann bei eingezogener Fahrerlaubnis erst nach Ablauf einer Sperrfrist von beispielsweise einem Jahr beantragt werden, den Führerschein neu machen zu dürfen – also inklusive Fahrprüfung und in einigen Fällen auch erst nach einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU, „Idiotentest“). Bis die Formalitäten erledigt sind, vergehe meist ein weiteres halbes Jahr.

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Hauptsächlich hat Winkelmann allerdings mit Rasern zu tun, da er die Abteilung leitet, die sich mit der Verfolgung der erst seit Herbst 2017 strafbaren illegalen Autorennen befasst. Deren registrierte Zahl war im vergangenen Jahr drastisch hochgegangen auf 871 Ermittlungsverfahren.

Im aktuellen Jahr bewegen sich die Zahlen nach Auskunft von Winkelmann „etwa auf dem hohen Niveau von 2020“ mit bisher rund 300 eingeleiteten Verfahren.

Die meisten Täter seien 21 bis 25 Jahre alte Männer. Die Frauenquote liege bei drei Prozent.

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