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Michael Müller (SPD), Berlins Regierender Bürgermeister, und Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD).

© Jörg Carstensen/dpa

Angriff auf den Berliner Senat: Die Wut der Amtsärzte reicht über die Coronakrise hinaus

Die Amtsärzte ärgern sich über Berlins Pandemie-Politik. Noch mehr erzürnt sie, dass die Gesundheitsämter im gesellschaftlichen Schatten stehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Heine

Berlins Obermediziner machen Ernst – in einem Brief greifen sie den Senat an: Die Landesregierung verwirre die Öffentlichkeit mit unklaren Prioritäten und uneingelösten Ankündigungen. Das vom Senat eingeführte Ampel-Warnsystem für die zweite Pandemiephase sei „medizinisch nicht nachvollziehbar“, zudem hätten die Amtsärzte viele Senatsideen „aus der Presse“ erfahren.

Dass die Ärzte nicht früher eingebunden wurden, ist zweifelsohne ärgerlich. Trotzdem steckt hinter der Wut wohl kaum die Warnampel (die viele Mediziner in Kliniken, Fachverbänden und Hochschulen für angemessen halten). Der Ärger der Amtsärzte ist sozialpolitischer Natur.

Seit Jahren sind 25 Prozent der Stellen der Gesundheitsämter unbesetzt, es fehlen hunderte Mediziner, IT-Fachleute, Übersetzer. Zwei der zwölf Amtsärzte wären eigentlich in Rente, sie blieben aus Solidarität in der Krise.

Der öffentliche Gesundheitsdienst kümmert sich um Kita- und Schuluntersuchungen, Hygiene im öffentlichen Raum, hilft psychisch Erkrankten und Unversicherten. Das klappte seit der Sparpolitik aller Senatskoalitionen der vergangenen 20 Jahre nur gerade so.

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Die Ämter, für die gesundheitspolitisch gesehen Schwächsten zuständig, standen immer im Schatten der Kliniken und Arztpraxen. Generationen von Medizin-Absolventen wollten ungern im Amt arbeiten.

Mit dem knappen Personal nun die Kontaktpersonen aller Corona-Infizierten im Blick zu haben und zugleich die aus den Lockerungen resultierenden Gefahren einzudämmen, ist tatsächlich eine Zumutung.

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