zum Hauptinhalt
Kompass im Häusermeer. Der Gesetzgeber sieht vor, dass Mietspiegel im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung angepasst werden sollen.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Angreifbar oder nicht?: Senator weist Kritik am neuen Berliner Mietspiegel zurück

Forscher und Vermieter halten die Neuauflage des Mietspiegels für rechtlich angreifbar. Der Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel weist die Kritik nun zurück.

Vor zwei Tagen hat Berlins Senator für Wohnen, Sebastian Scheel (Linke), den neuen „Mietspiegel 2021“ veröffentlicht. Nun gerät seine Verwaltung deshalb unter Druck. Der Vorwurf: Die Neuauflage des Mietspiegels hätte so nicht erfolgen dürfen oder genüge jedenfalls – anders als der Senator öffentlich erklärt – nicht wissenschaftlichen Kriterien und sei deshalb kein „Qualifizierter Mietspiegel“.

Hintergrund des Vorwurfs: Ein qualifizierter Mietspiegel wird nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) alle zwei Jahre erstellt und ist eine Sammlung der „ortsüblichen Vergleichsmieten“ einer Stadt. Und nach BGB darf ein Mietspiegel ein einziges Mal „fortgeschrieben“ werden – und dazu müssen die Daten neu erhoben werden. 

Tatsächlich war aber bereits der Mietspiegel 2019 eine Fortschreibung. So steht es jedenfalls im „Methodenbericht“ des Forschungsinstituts F+B, das den Mietspiegel 2019 erstellt hatte.

Folgt der Senator für Stadtentwicklung und Wohnen einer freien Auslegung des Mietrechts, ähnlich wie im Fall seines vor wenigen Wochen vom Bundesverfassungsgericht für „nichtig“ erklärten Mietendeckels aus seinem Hause?

Entfacht wurde der Streit von den Vermieterverbänden. Geschlossen weigerten sie sich, den neuen Mietspiegel zu unterzeichnen

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der Chef des Eigentümervereins Haus & Grund, Carsten Brückner, erklärte seine Weigerung auf Anfrage wie folgt: „Die juristischen Gründe sind die, dass der Berliner Mietspiegel 2019 keine komplette Neuerhebung war, sondern lediglich eine Fortschreibung (des Mietspiegels 2017; Anm. d. Red); zwei Mal hintereinander und dann noch als Index-Mietspiegel, das lässt das Bürgerliche Gesetzbuch nicht zu“.

Die Kritik der Verbände stützt sich auf Äußerungen, die die Verfasser des Mietspiegels 2019 selbst getroffen hatten. So heißt es im „Methodenbericht“ des Forschungsinstituts F+B, das von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit der Erstellung des Mietspiegels beauftragt worden war: „Beim Berliner Mietspiegel 2019 handelt es sich um eine Fortschreibung des Mietspiegels 2017.“

Senat: Nur die Grundgesamtheit wird fortgeschrieben

Auch der von der Bundesregierung zum Sachverständigen für die Reformkomission zum Mietspiegel ernannte Gutachter Steffen Sebastian sagt: Bereits der Mietspiegel 2019 sei eine „Fortschreibung“ und durch die zweite Fortschreibung in diesem Jahr sei der Berliner Mietspiegel 2021 ein „einfacher“ und kein „qualifizierter“ Mietspiegel. Der Mietspiegel 2021 genüge auch „aus statistischer Sicht nicht den eigentlich geforderten wissenschaftlichen Ansprüchen“.

Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wies dies Kritik zurück und sagte: „Nicht der Mietspiegel als solcher wird fortgeschrieben, sondern die Grundgesamtheit.“ Damit sind alle mietspiegelrelevanten Wohnungen gemeint, aus denen die Stichprobe für die zu befragenden Mieter und Vermieter gezogen werde.

[Lesen Sie mehr: Wohnungsmarkt in der Krise: Wieso immer mehr Berliner kein festes Zuhause haben (T+)]

Auch die Chefin des größten Wohnungsverbandes BBU, in dem auch die landeseigenen Unternehmen organisiert sind, zeichnete den Mietspiegel 2021 nicht mit. Maren Kern begründete den ungewöhnlichen Schritt so: „Eine pauschale Fortschreibung der Mieten auf Grundlage der bundesdurchschnittlichen Inflationsrate kann die Vielfalt des Berliner Wohnungsmarktes nicht adäquat abbilden und könnte einen Mietspiegel auch inhaltlich und technisch angreifbar machen“. 

Dennoch sei der Mietspiegel „unverzichtbar“, weil er „Rechtsfrieden für Mieter und Vermieter“ bringe. Der Mietspiegel ist für den Berliner Wohnungsmarkt deshalb so wichtig, weil anhand der darin veröffentlichten „ortsüblichen Vergleichsmiete“ geklärt werden kann ob eine Mieterhöhung zulässig oder nicht. 

Ohne Mietspiegel käme es in vielen Fällen zu Streitfällen, die vor Gerichten ausgetragen würden. Allerdings wurden auch Vergleichsmieten und Berliner Mietspiegel wiederum gerichtlich angezweifelt. Weil der Mietspiegel bisher zweifellos qualifiziert war, stärkten viele Urteile den Mietspiegel. Unklar ist, ob dies nun so bleibt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false