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Fahndungsbilder von Anis Amri hängen auf einer Polizeiwache.

© dpa

Andere Verdächtige am Tatort?: Anis Amri hatte laut Bundesanwalt keine Komplizen

Im Amri-Untersuchungsausschuss hat am Freitag Bundesanwalt Horst Salzmann ausgesagt. Dass das Verfahren zu seinen Lebzeiten eingestellt wird, glaubt er nicht.

Von Sabine Beikler

Bundesanwalt Horst Salzmann ließ an seiner Aussage keine Zweifel: „Es gibt keine Anhaltspunkte, dass Amri mit jemandem zusammengearbeitet hat", sagte er am Freitag im Amri-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Man habe „andere Namen“ nicht mit dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz am 19.Dezember 2016, bei dem der Attentäter zwölf Menschen ermordete, „in Verbindung bringen“ können.

Die Bundesanwaltschaft führt zwar weiter Ermittlungen und hat einen „Großteil der Spuren“, so Salzmann, abgearbeitet. Aber: „Das Verfahren wird, so lange ich lebe, nicht eingestellt“, glaubt der 63-jährige Beamte.

In diesen Kontext verwies Salzmann auf die Verfahren nach dem Attentat bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München. Diese seien auch nicht abgeschlossen. 48 Jahre danach. Nach wie vor fordern Hinterbliebene der damals ermordeten Sportler eine Freigabe der Akten.

Im Fall von Amri könnten Geschädigte allerdings sehr wohl Akteneinsicht erhalten. „Es gibt Anwälte, die Einsicht nehmen“, sagte Salzmann.

Die Frage, ob Amri den Anschlag als Einzeltäter verübte, beschäftigt die Amri-Untersuchungsaussschüsse im Bundestag und Abgeordnetenhaus seit Jahren. Im Juni sagte ein leitender BKA-Beamter aus, dass Amri der hauptverantwortliche Täter gewesen sei und man keine weiteren Mittäter habe identifizieren können.

Bundesanwalt Salzmann sagte am Freitag, natürlich gebe es anderslautende, „singuläre Zeugenaussagen. Aber das war alles nichts, was auch nur halbwegs belastbar gewesen wäre“. sagte Salzmann. So wollen Zeugen andere verdächtige Personen am Tatort gesehen haben.

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Einwände des Innenpolitikers Niklas Schrader (Linke), es habe noch nicht identifizierte Fingerabdrücke im Lkw gegeben, den Amri auf den Breitscheidplatz gelenkt hatte, und am Portemonnaie von Amri beantwortete Salzmann mit den Worten: „Wir haben keine anderen Spuren gefunden.“ Einen zusammenfassenden Spurenvermerk gebe es noch nicht.

Kein Einzeltäter im juristischen Sinn

Der Bundesanwalt ist dennoch überzeugt, dass außer Amri und dem von ihm erschossenen polnischen Lkw-Fahrer Lukasz Urban am Tatzeitpunkt keine weiteren Personen im Lkw waren. „Amri. Ende“, lautete die knappe Antwort.

Im juristischen Sinn war Amri dagegen kein Einzeltäter. Er chattete bis kurz vor der Tat per Telegram mit einem „IS-Mentor“ namens Mouadh Tounsi alias „Momo1“.Die Bundesanwaltschaft konnte aufgrund eines Handys, das Amri zugeordnet werden konnte, den Nachrichtenverlauf bis November 2016 zurückverfolgen.

Damals erhielt der Tunesier eine Nachricht per Telegram vermutlich aus Libyen von Tounsi, übersetzt als „frohe Botschaft“ für jene, die „Märtyrer-Operationen“ durchführen. Die Bundesanwaltschaft führt weiter ein Verfahren wegen des Verdachts der Mittäterschaft gegen Tounsi.

Es ist nicht geklärt, woher Amri die Tatwaffe der Marke Erma hatte, mit der er den polnischen Lkw-Fahrer erschoss. Salzmann betonte, dass er dazu nichts sagen könne, da seine Aussagegenehmigung dieses nicht umfasse. Nach einem ballistischen Vergleich ist immerhin belegt, dass es dieselbe Waffe war, mit der Amri auf seiner Flucht einen Schusswechsel mit zwei italienischen Polizisten hatte. Bei dieser Kontrolle in der Nähe von Mailand wurde Amri erschossen.

Mario Czaja beklagt Mängel beim Informationsaustausch

Als zweiter Zeuge wurde am Freitag im Untersuchungsausschuss der frühere Gesundheits- und Sozialsenator Mario Czaja gehört. Der CDU-Politiker war bis 8. Dezember 2016 im Amt.

Er sprach über „datenschutzrechtliche Schnittstellenverluste“ zwischen Registrierung der Flüchtlinge und Datenweitergabe an den Bund während der Flüchtlingskrise. Bis zu 10.000 Flüchtlinge pro Monat seien damals nach Berlin gekommen. Man habe oft erst viel später von mehreren Registrierungen eines Flüchtlings erfahren.

Der Tunesier Amri kam 2011 über Lampedusa nach Italien, wo er straffällig wurde und in Palermo im Gefängnis saß. Er reiste nach vorzeitiger Haftentlassung aus und wurde im Juli 2015 zuerst in Freiburg registriert. Ab Februar 2016 hielt er sich in Berlin auf. In Deutschland lebte er zeitweilig mit 14 Identitäten.

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