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Futuristisch. Die originale Konstruktion hielt nur 23 Jahre.

©  Konrad Gieh/dpa-Report

An Himmelfahrt 40 Jahre her: Als ein Teil der Berliner Kongresshalle einstürzte

Die „Schwangere Auster“ war West-Berlins Symbol der Freiheit. Am 21. Mai 1980 stürzte ein Teil des Dachs ein. Der Wiederaufbau dauerte sieben Jahre.

Anfangs ein „leichtes Grummeln“, dann ein „leichtes Vibrieren, das sich verstärkte, als ob eine schwere Lawine niederstürzt“, das Gebäude „begann zu zittern“, schließlich ein „berstender Krach“: Am 21. Mai 1980, um 10.55 Uhr, stürzte buchstäblich aus heiterem Himmel der südliche Teil der Dachkrempe der Kongresshalle ein.

Gerade noch hatte das futuristisch wirkende Gebäude am nördlichen Tiergartenrand als unverbrüchliches Symbol der deutschamerikanischen Freundschaft in der Frühlingssonne gestrahlt, da war sie plötzlich eine Ruine. Der Rias-Reporter Peter Klunkert war damals einer der vielen Augenzeugen, eingeladen zu einer Pressekonferenz des Rings Deutscher Makler, die dort kurz nach dem Zeitpunkt des Unglücks stattfinden sollte.

Er selbst saß schon im Konferenzraum, verließ ihn mit den versammelten Kollegen fluchtartig, wurde Zeuge, wie ein junger Mann, obwohl gleich daneben eine Tür offenstand, in Panik eine Glaswand zum Garten eintrat und sich lebensgefährlich verletzte.

Zeitweise galt das gesamte Gebäude als einsturzgefährdet, erst am späten Nachmittag des 22. Mai hatte die Feuerwehr die durch aufwändige Holz- und Stahlstempel und Stütztürme abgesicherte Ruine „unter Kontrolle“.

Einige Hundert Tonnen Beton waren zu Boden geschmettert, hatten den oberen Teil der Freitreppe zerstört, vier Autos unter sich begraben und fünf Menschen verletzt, darunter zwei Journalisten schwer. Einer der beiden Männer, der 27 Jahre alte Hartmut Küster, erlag wenige Tage später seinen Verletzungen, eine links neben dem Eingang eingemeißelte Inschrift erinnert an ihn.

„Leuchtfeuer der Freiheit, das seine Strahlen nach Osten sendet“

Nur knapp 23 Jahre hatte die Konstruktion der „Schwangeren Auster“ gehalten. So hatte der berühmte Berliner Volksmund die Kongresshalle angeblich getauft. Eher dürften es Berliner Lokaljournalisten gewesen sein. Die Halle war der Beitrag der USA zur Internationalen Bauausstellung Interbau 1957 in West-Berlin, der die Stadt neben dem Hansaviertel in Tiergarten auch das Corbusierhaus in Westend verdankt.

Die mit dem Bau verknüpften Hoffnungen gingen aber weit über rein städtebauliche Erwägungen hinaus. Als „Leuchtfeuer der Freiheit, das seine Strahlen nach Osten sendet“, rühmten Initiatorin Eleanor Dulles, im U.S. State Department verantwortlich für Berlin, und Hugh A. Stubbins, der Architekt, anlässlich der Grundsteinlegung am 3. Oktober 1956 die Kongresshalle auch als Gegenentwurf zu dem mit propagandistischem Anspruch gebauten und von Soldaten der Roten Armee bewachten Ehrenmal an der Straße des 17. Juni.

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Das von Stubbins entworfene Gebäude mit seinem geschwungenen Dach galt bei seiner Eröffnung ein Jahr später als ultramodern. Es überzeugte noch die Macher des 2005 in Berlin entstandenen Films „Aeon Flux“, die es als einen ihrer Drehorte wählten: Der Science-fiction-Thriller spielt im Jahr 2415.

Lange stritt man über den Wiederaufbau

Die anspruchsvolle, manchen Bauexperten als zu gewagt erscheinende Dachkonstruktion wurde nach Einwänden des zuständigen Prüfingenieurs gegenüber dem ursprünglichen Entwurf geändert. Aus Sicht seines Vaters habe gerade „die Änderung der Dachpläne zum Einsturz geführt“, sagte 2007 einer der Söhne des im Jahr zuvor verstorbenen Architekten dem Tagesspiegel. Als Ursache des Unglücks wurden im Gutachten der Sachverständigen „konstruktive Mängel bei der Planung und Bauausführung der Außendächer und als Folge davon korrosionsbedingte Brüche ihrer den Randbogen tragenden Spannglieder“ festgestellt.

Von einem „großen Unglück für die Stadt“, die nun mit „einem geborstenen Symbol“ leben müsse, hatte der Regierende Bürgermeister Dietrich Stobbe kurz nach dem Unglück gesprochen, dennoch stritt man in West-Berlin lange über den Wiederaufbau. Für Kongresse gab es nun schließlich das 1979 eröffnete ICC.

Seit 1989 das Haus der Kulturen der Welt

Nach einigem Hin und Her wurde die Kongresshalle von 1984 bis 1987 für 40 Millionen D-Mark doch wieder aufgebaut, äußerlich etwas verändert, doch rechtzeitig zur 750-Jahr-Feier der Stadt. Ihre Bewertung als „geschichtliches und politisches Dokument“ hatte sich durchgesetzt, und sogar eine passende neue Funktion als Haus der Kulturen der Welt wurde 1989 gefunden.

Es wäre ja wohl auch schlecht gegangen, ein Gebäude platt zu machen, in dem John F. Kennedy bei seinem legendären Berlin-Besuch am 26. Juni 1963 den denkwürdigen, das im Foyer eingemeißelte Benjamin-Franklin-Zitat variierenden Satz geprägt hatte: „West-Berlin ist mein Land“ – eine Vorwegnahme seines berühmten „Ich bin ein Berliner“.

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