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Die Polizei führt in Neukölln immer wieder Razzien durch.

© Paul Zinken/dpa

„Amt ist kein Betätigungsfeld für Populismus“: Neuköllns Bürgermeister kritisiert Linken-Politikerin für Stigmatisierungsvorwürfe

Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) geht die zukünftige Ordnungsstadträtin Sarah Nagel hart an. Sie hatte Razzien in Shisha-Bars als stigmatisierend bezeichnet.

Sarah Nagel soll in Neukölln neue Stadträtin für das Ordnungsamt werden. Ihre Partei, die Linke, hat sie für diesen Posten nominiert. Die Regionalwissenschaftlerin ist zwar noch nicht im Amt, aber für heftige Debatten sorgt sie schon. Grund ist diese Ankündigung: „Wir fordern schon lange, die stigmatisierenden Razzien in Shisha-Bars und Spätis zu beenden. Hier ist eine Aufarbeitung nötig.“

Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) sieht das völlig anders. Er kritisiert Nagel hart. „Unsere Verbundeinsätze richten sich gegen organisierte Kriminalität, und die gibt es nun einmal in Neukölln und in der ganzen Stadt, ob das einzelne Parteien wollen oder nicht“, sagte er. „Wer pauschal gegenüber unseren Ordnungsbehörden wie Polizei, Zoll oder Ordnungsamt Stigmatisierung herbeikonstruiert, sollte vor der Wahl nochmal mit sich selbst in Klausur gehen. Ein solches Amt ist kein Betätigungsfeld für Populismus.“

Polizei und Ordnungsamt, sagte Hikel weiter, gingen ihren gesetzlichen Aufgaben nach, „und das mit Erfolg“. Jedes Mitglied eines Bezirksamts habe sich an den gesetzlichen Auftrag zu halten. „Niemand in Neukölln oder Berlin muss sich deshalb sorgen: Wir werden weiterhin organisierte Kriminalität verfolgen, und die erfolgreichen Einsätze gegen Straftäter werden weitergehen.“

Auch der Programm-Entwurf für die Zählgemeinschaft, die SPD und Grüne in Neukölln bilden, ist deutlich: „Mit Verbundeinsätzen hat der Bezirk einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität geleistet“, steht in dem Papier. „Das Bezirksamt arbeitet weiterhin aktiv mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen, um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, u.a. in Form sog. krimineller clanbasierter Gruppen und ihres dominanten Auftretens im öffentlichen Raum, zu unterstützen.“

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Das Einhalten von Regeln, heißt es weiter, sichere „unser demokratisches System“. Organisierte Kriminalität stelle sich diametral gegen den demokratischen Verfassungsstaat. Geldwäsche wie beispielsweise durch illegalen Immobilienhandel oder auch Wirtschaftskriminalität, Erpressung, ausbeuterische Prostitution, Drogenkriminalität und gewalttätige Überfälle führten dazu, dass demokratische Prinzipien delegitimiert würden. „Wir stellen uns gegen jede Form organisierter Kriminalität. Die zentrale Koordinierung von Fragen der Sicherheit und Ordnung hat sich bewährt und wird im Bezirksamt fortgeführt.“

Innenverwaltung: Ermittlungen unabhängig von kultureller Zugehörigkeit

Das liegt durchaus auf der bisherigen Linie von Innen-Senator Andreas Geisel (SPD). Martin Pallgen, Sprecher der Senats-Innenverwaltung, erklärte aber auch: „Polizeiliche Maßnahmen richten sich grundsätzlich gegen einzelne Straftäter oder Gruppierungen unabhängig von einer ethnischen, kulturellen oder auch familiären Zugehörigkeit. Wir führen keinen Einsätze gegen Shisha-Bars. Eine Sippenhaft und einen Generalverdacht für Gäste und andere Personen gibt es nicht.“

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Aber „die Einsätze der Sicherheitsbehörden und anderer Verwaltungen, mit allen erforderlichen Maßnahmen, sind Einsätze zur Bekämpfung der Kriminalität. Tonnen von nicht versteuertem Shisha-Tabak, die Beschlagnahme von Schwarzgeld oder Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz bzw. gegen Brandschutzverordnungen sprechen für sich.“

„Ziel der Kontrollen ist Verhinderung von Geldwäsche“

Ziel der Kontrolleinsätze sei neben der Aufdeckung beziehungsweise Unterbindung illegaler Geschäftsfelder und Geldwäscheaktivitäten, strukturelle Erkenntnisse zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität zu gewinnen. Die Erfahrung zeige, „dass einzelne Gewerbebetriebe oder Lokalitäten auch als Treffpunkte von Personen dienten, die dem kriminellen Milieu zugerechnet werden“.

Shisha-Bars und so genannte Spätis stellten dabei nur einen Teilbereich dar, die Kontrollen beträfen die unterschiedlichsten Gewerbebetriebe. „Die hohe Anzahl der dabei festgestellten Rechtsverstöße zeigt, dass nur durch die Aufrechterhaltung des Kontrolldrucks und der konsequenten Ahndung selbst geringer Verstöße Organisierte Kriminalität wirksam bekämpft werden kann“, teilte Pallgen mit.

Harte Kritik von Polizei-Gewerkschaft

Auch Stephan Kelm, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, kritisierte Sarah Nagel hart. „Wenn Bezirkspolitiker irgendwo Steine auf die Straße legen oder Durchsuchungsmaßnahmen aus rein ideologischer und eben nicht rechtsstaatlicher Sicht ablehnen, handeln sie undemokratisch und missbrauchen ihr Wahlamt“, sagte er.

„Wir haben immer gesagt, dass es Jahre der gemeinsamen Anstrengung braucht, um das Thema Clankriminalität nachhaltig zu bekämpfen. Gemeinsame Verbundeinsätze, die stetige Präsenz der beteiligten Behörden und politische Rückendeckung zur Bekämpfung organisierter Kriminalität sind da wesentliche Bestandteile.“

Falko Liecke erklärte als Kreisvorsitzender der CDU Neukölln, er halte die „Übertragung des Ordnungsamtes an eine Stadträtin der Linken für völlig kontraproduktiv im Kampf gegen sämtliche Formen der Clankriminalität in Neukölln“. Er erwarte eine „durch und durch ideologiegetriebene Amtsführung, die nicht im Sinne der Bevölkerung ist“.

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