zum Hauptinhalt
Das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche nach §219a hat bereits zu zahlreichen Demonstrationen geführt.

© imago/Christian Ditsch

Amt für Statistik: Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Berlin steigt

2017 wurden in der Hauptstadt 9289 Abtreibungen gemeldet, 418 mehr als im Vorjahr. Der Senat will bald eine Liste mit Ärzten für Schwangerschaftsabbrüche veröffentlichen.

Von Laura Hofmann

Im Jahr 2017 ließen mehr Frauen mit Wohnsitz in Berlin einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen als im Vorjahr. Mit 9289 Eingriffen wurden 4,7 Prozent bzw. 418 Abtreibungen mehr als 2016 gemeldet, teilte das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg mit. Im Jahr 2015 waren es 8898 Abbrüche.

Auch die Berliner Bevölkerung ist im vergangenen Jahr um 41.308 Personen bzw. rund 1,1 Prozent gewachsen. Bei den neu hinzugekommenen deutschen Einwohnerinnen und Einwohnern waren es 35 Prozent Frauen, bei den neuen nichtdeutschen Einwohnerinnen und Einwohnern lag der Anteil der Frauen bei 49 Prozent.

In Brandenburg entschieden sich 3287 Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch. Das waren 1,7 Prozent bzw. 56 Abbrüche weniger als 2016. Damit ist in Brandenburg ein Rückgang auf etwa das Niveau von 2015 zu verzeichnen. Auch in Brandenburg ist die Zahl der Einwohner gestiegen. Im Jahr 2016 gewann das Land fast 10.000 Menschen hinzu.

Zum Vergleich: Auf Bundesebene gab es im vergangenen Jahr 2488 Schwangerschaftsabbrüche mehr als noch 2016. Das ist eine Steigerung um 2,5 Prozent.

So viele Babys in Berlin wie seit der Wende nicht mehr

Gleichzeitig stieg die Zahl der Neugeborenen in Deutschland 2016 im fünften Jahr in Folge. Mit seinem Baby Boom hat Deutschland sogar Spanien und Italien überholt - traditionell kinderreiche Länder. In Berlin wurden 2016 so viele Kinder geboren wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr, nämlich 41.087. Der Zuwachs zum Vorjahr beträgt 5 Prozent.

Zum Zeitpunkt der Abtreibung waren 63,8 Prozent der Berlinerinnen ledig und 33,2 Prozent verheiratet. Knapp die Hälfte (44,1 Prozent) aller Frauen mit Wohnsitz in Berlin, die 2017 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen, war 20 bis unter 30 Jahre alt. In der Altersgruppe der 30- bis unter 40-jährigen Frauen wurden weitere 41,9 Prozent der Eingriffe gezählt. 7,1 Prozent der Frauen waren 40 Jahre und älter. Der Anteil der unter 20-Jährigen betrug 6,8 Prozent.

Die meisten Schwangerschaften (8774) wurden nach einer rechtlich verpflichtenden Beratung innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen abgebrochen, 513 Abbrüche hatten medizinische Gründe. Mit etwa 94 Prozent wurden auch 2017 die meisten Eingriffe ambulant in Arztpraxen durchgeführt.

"Es gibt immer Schwankungen bei den Zahlen", sagt Anja Kofbinger, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Frauen-und Queerpolitik. "Wir machen uns da keine großen Sorgen." Kofbinger verweist außerdem auf die verschärfte Rechtslage in Polen, die viele Frauen dazu brächte, in Berlin einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen.

In Brandenburg waren 65,4 Prozent der Frauen zum Zeitpunkt des Eingriffs ledig und 31,7 Prozent verheiratet. Knapp die Hälfte (45,3 Prozent) war im Alter von 30 bis unter 40 Jahre. 38,5 Prozent der Eingriffe betrafen die Altersgruppe der 20- bis unter 30-jährigen Frauen. 7,3 Prozent der Frauen waren 40 Jahre und älter. Die unter 20-Jährigen waren mit einem Anteil von 8,9 Prozent vertreten. 30,5 Prozent der Frauen hatten bereits ein Kind zur Welt gebracht. 29,0 Prozent hatten vor dem Eingriff noch keine Lebendgeburt und weitere 27,5 Prozent hatten bereits zwei Kinder geboren.

Berliner Senat veröffentlicht Liste mit Ärzten für Schwangerschaftsabbrüche

In Deutschland sind Abtreibungen verboten. Sie sind lediglich bis zur Vollendung der 12. Schwangerschaftswoche straffrei. Der Fall der Gießener Ärztin Kristina Hänel, die auf ihrer Webseite darüber informierte, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen und daraufhin zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, hatte Ende des vergangenen Jahres die Debatte um den Paragrafen 219a angeheizt. Dieser stellt das Werben für Abtreibungen unter Strafe.

Grüne und Linke im Bundestag sprechen sich für eine Abschaffung des Paragrafen aus. Die FDP will den Paragrafen dahingehend ändern, dass nur noch "grob anstößige" Werbung oder Information über Schwangerschaftsabbrüche strafbar wäre. Die SPD hat aus Rücksicht auf den Koalitionspartner im Februar darauf verzichtet, einen eigenen Antrag einzubringen. Nun soll Justizministerin Katarina Barley (SPD) einen Gesetzesentwurf zur Reform des Strafrechtsparagrafen vorlegen, der auch in der Union Zustimmung findet. Die AfD ist gegen eine Reform.

Bis die Bundespolitik sich einigt, wollten die Grünen in Berlin nicht warten. Sie machten den Vorschlag, auf der Seite der Gesundheitsverwaltung eine Liste mit Ärzten zu veröffentlichen, die Abtreibungen durchführen. Bis die Liste online geht, wird es noch etwas dauern, sagte Christoph Lang, Sprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit, am Dienstag. "Wir sind gerade dabei, bei den Ärzten nachzufragen, ob sie mit der Veröffentlichung einverstanden sind."

Bei der Gelegenheit werde die Sammlung der Ärzte, die Abtreibungen durchführen, auch aktualisiert. Noch im Frühjahr solle die Liste dann aber für alle im Netz einzusehen sein. Damit folgt Berlin dem Hamburger Beispiel. In der Hauptstadt gibt es etwa 200 Ärzte, die Abbrüche vornehmen, sowie zweieinhalb Dutzend Krankenhäuser.

Zur Startseite