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Tagungsraum des Amri-Untersuchungsausschusses

© imago/Christian Ditsch

Amri-Untersuchungsausschuss: Berlins gefährlicher Umgang mit Gefährdern

Der Amri-Untersuchungsausschuss in Berlin ist noch lange nicht am Ende seiner Recherchen. Nun fordert der Ausschuss eine rechtliche Prüfung auf Bundesebene.

Von Sabine Beikler

Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte schon im Dezember 2015 Erkenntnisse über den späteren Attentäter Anis Amri, der am 19. Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz zwölf Menschen ermordete. Ein BKA-Beamter sagte am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus, dass eine Vertrauensperson „in einem Verfahren mit Geheimhaltung“ Amri als gefährlich eingeschätzt habe. Er dürfe über weitere Erkenntnisse in dem Kontext nicht sprechen, damit diese Person nicht identifiziert werden können. Das sei auch den Berliner Sicherheitsbehörden übermittelt worden.

Das BKA hatte damals ein Ermittlungsverfahren unter dem Namen „Eisbär“ gegen tunesische Staatsbürger geführt, die im Verdacht standen, eine terroristische Vereinigung in Tateinheit mit der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat bilden zu wollen. Amri soll die „Kontaktperson einer Kontaktperson“ gewesen sein. In dem Zusammenhang wurde auch gegen Bilal Ben Ammar ermittelt, einen Tunesier, der im Februar 2017 – knapp zwei Monate nach dem Attentat – abgeschoben wurde. Das Verfahren „Eisbär“ wurde vor dem Attentat ohne weitergehende Erkenntnisse eingestellt.

2016 wurden bundesweit 497 Gefährder gelistet

Diese Erkenntnisse sind zwar nicht neu, spiegeln jedoch ein Grundproblem im Umgang mit potenziellen Gefährdern wider. Der BKA-Beamte sagte, die Bundesanwaltschaft und das BKA seien für die Verfolgung von Vereinigungsdelikten zuständig. „Wenn wir den Verdacht haben, dass es sich im Kontext um mindestens drei Personen handelt, ist grundsätzlich der Generalbundesanwalt tätig.“ Wenn es sich aber – wie bei Amri – um Einzelpersonen handelt, sei das jeweilige Landeskriminalamt zuständig. Im Jahr 2016 wurden bundesweit 497 Gefährder gelistet, im März dieses Jahres ging das BKA von 760 islamistischen Gefährdern in Deutschland aus.

Warum hat das BKA im Fall Amri die Zuständigkeit nicht an sich gezogen? Der SPD-Innenpolitiker Frank Zimmermann forderte eine rechtliche Überprüfung auf Bundesebene: „Der Bundestag sollte rechtspolitisch prüfen, ob der Bund nicht stärker in die Verantwortung gehen muss.“ Auch der designierte neue Ausschussvorsitzende Stephan Lenz (CDU) forderte eine „neue Definition“ des zugrunde liegenden BKA-Gesetzes.

Bruno Jost soll die Akten sichten

Der Ausschuss ist noch lange nicht am Ende seiner Recherchen: Er soll demnächst 1200 weitere Ordner von Sicherheitsbehörden erhalten, die während der Sommerpause durchgearbeitet werden sollen. Bisher erhielt der Ausschuss nach Angaben des Vorsitzenden Burkard Dregger (CDU) Akten vom BKA „mit vielen leeren Seiten“. Der frühere Sonderermittler Bruno Jost, der im Ausschuss bereits als Zeuge vernommen wurde, soll nun Akten der Bundesanwaltschaft sichten.

„Die Bundesanwaltschaft hat uns erklärt, wir könnten einen Sachverständigen benennen, der Aktenzugang erhält und diese Akten, die für den Ausschuss im Abgeordnetenhaus relevant sein könnten, dem Generalbundesanwalt vorlegt. Dieser entscheidet über die Freigabe“, sagte Dregger dem Tagesspiegel.

Der CDU-Politiker hatte am Freitag das letzte Mal den Vorsitz inne, den er wegen seiner Wahl zum Fraktionschef an Stephan Lenz übergibt. Er warnte davor, zu schnell Behauptungen aufzustellen ohne Tatsachen beleuchtet zu haben. Dass die Observation von Amri zugunsten der Observation von Linksextremisten beendet wurde, dafür gebe es aufgrund der bisherigen Zeugenaussagen „keine Erkenntnisse“. Dregger betonte, der Ausschuss müsse seine Glaubwürdigkeit erhalten. „Wenn wir jede Woche eine neue Sau durchs Dorf treiben, werden wir unserem Anspruch nicht gerecht.“

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