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Pate in Uniform. Polizist Mario Stöcklein besuchte am Sonntag Mutter Saliha Yakut und ihr Baby Yaren im Urban-Krankenhaus.

© DAVIDS

Am Rand des CSD: Die Polizei – dein Freund und Geburtshelfer

Weil ihr Vater am Christopher Street Day nicht durch die Absperrungen kam, wurde die kleine Yaren im Auto geboren. Ein Polizist half ihr auf die Welt.

Von Sandra Dassler

Es ist „sein“ erstes Kind und natürlich merkt man Mario Stöcklein den Stolz darauf an. Auch wenn er nicht der Vater ist, so hat er doch wesentlichen Anteil daran, dass es dem Baby Yaren Yakut gut geht. Er hat dem Mädchen auf die Welt geholfen. „Ich bin sehr froh, dass ich eine Ausbildung als Rettungssanitäter bei der Johanniter Unfallhilfe gemacht habe“, sagt der 47-jährige Polizeikommissar. „Dazu gehörte auch ein Geburtshilfelehrgang. Das ist zwar schon fast ein Vierteljahrhundert her, aber irgendwie wusste ich, was zu tun ist.“

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Dabei war sein Dienst als Verkehrsposten beim Christopher Street Day am Sonnabend beinahe beendet, als um 14.40 Uhr ein 33-jähriger Mann aufgeregt zum Streifenwagen kam, in dem Mario Stöcklein und seine Kollegin, die 40-jährige Polizeioberkommissarin Claudia Lachmann, saßen. „Meine Frau bekommt ein Kind“, rief der Mann, „sie muss ins Urbankrankenhaus, aber ich komme wegen der Absperrungen einfach nicht durch!“

Die beiden Polizisten versuchten, den werdenden Vater zu beruhigen. „Wir rufen einen Rettungswagen“, sagten sie und begleiteten ihn zu seinem Auto in der Nähe der Gitschiner Straße, wo die CSD-Parade entlang gezogen war. „Seine Frau, die auf der Rückbank des Autos lag, fing plötzlich fürchterlich an zu schreien“, erzählt Mario Stöcklein. „Ich merkte, dass die Wehen schon in sehr kurzem Abstand kamen, die Fruchtblase schon geplatzt war und die Geburt offenbar kurz bevorstand.“

Zum Hände desinfizieren gab es weder Zeit noch Gelegenheit. Also zog er schnell Einweghandschuhe über, die Polizisten stets bei sich tragen. Nachdem er die türkischstämmige Frau überzeugt hatte, dass sie nun alle Scham überwinden und ihre Hose ausziehen müsse, sei alles sehr schnell gegangen: „Die Presswehen kamen, das Köpfchen tauchte auf, kurz darauf der Körper des Babys.“ Der werdende Vater stand derweil auf der anderen Autoseite, streichelte das Gesicht seiner Frau, redete beruhigend auf sie ein. Stöckleins Kollegin hielt die Schaulustigen vom Auto fern.

Mutter und Kind sind wohlauf

Um 14.50 Uhr war es soweit: Das Neugeborene stieß seinen ersten Schrei aus. Mario Stöcklein legte der 25-jährigen Saliha Yakut ihr Töchterchen auf die Brust und drückte dem Vater die Hand. Abnabeln musste er das Baby nicht mehr, zwei Minuten später, um 14.52 Uhr war der Rettungswagen der Feuerwehr da. Mutter und Kind wurden ins Kreuzberger Urbankrankenhaus gebracht und versorgt, beide sind den Umständen entsprechend wohlauf.

Geburten unter außergewöhnlichen Umständen in Berlin haben bisher fast immer ein solch gutes Ende genommen. Berliner Kinder kamen in den letzten Jahren zum Beispiel auf einem Gehweg in Pankow oder auf der Admiralbrücke in Kreuzberg zur Welt. Babys wurden auch schon in Fahrstühlen oder Taxis geboren.

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Bei der Berliner Polizei heißt es, man könne sich an mehrere Fälle erinnern, in denen Beamte eine werdende Mutter in letzter Minute in die Klinik brachten. Dass ein Polizist selbst als Geburtshelfer auftritt, sei aber eher selten.

Am gestrigen Sonntag, fast 24 Stunden nach seinem denkwürdigen Einsatz, hat Mario Stöcklein mit einem Blumenstrauß Mutter und Tochter im Urbankrankenhaus besucht. Er hat selbst keine Kinder. „Hat sich nicht ergeben“, sagt er. Und er freut sich mit den glücklichen Eltern, die ihrer Tochter den Namen Yaren gaben. Es ist das zweite Kind des jungen Paars, 47 Zentimeter groß und 2380 Gramm schwer. Die Ärzte sagen, sie das Baby sei rundum gesund. Nach dem Lärm der CSD-Parade konnte Yaren offenbar nicht einmal mehr das Blitzlichtgewitter der Fotografen erschüttern. Das große Medieninteresse stresste sogar ihren Geburtshelfer Mario Stöcklein ein wenig, aber die ungewöhnliche Geburt rührt offenbar viele Menschen.

Auf der Internetseite des Tagesspiegels, wo bereits am Sonnabendabend darüber berichtet wurde, freuten sich viele User, dass alles gut gegangen ist. Ein Leser zitiert eine Hebamme vom Berliner „Storchenwagen“, der speziell dem Transport von Hochschwangeren diente und 2004 abgeschafft wurde. Sie habe bei ähnlichen Anlässen sämtlichen an der Geburt Beteiligten gesagt: „Bitte bleiben Sie alle ganz ruhig. Das hier ist kein medizinischer Notfall, sondern ein Wunder.“

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