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Ältere Menschen haben oft wenig soziale Kontakte – wenn die wegfallen, kann das schlimme Folgen haben.

© Christophe Gateau/dpa/dpa-tmn

Altersdepression, Verelendung, Aggressionen: Caritas-Chefin warnt vor Isolation von Menschen über 70

Quarantäne kann für ältere Menschen schlimme Folgen haben, warnt Caritas-Direktorin Ulrike Kostka. Sie plädiert für Abstandhalten.

Ulrike Kostka, die Direktorin des Caritasverbands für das Erzbistum Berlin, warnt eindringlich vor einer kompletten Isolation von Menschen, die über 70 Jahre alt sind. Das Ziel, die Betroffenen auf diese Weise vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen, sei nicht zielführend, selbst wenn diese Personen eine Vorerkrankung hätten. „Wenn ältere Menschen quasi nicht mehr vor die eigene Haustür treten dürfen, kann das zu einer Altersdepression führen“, sagte Kostka.

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hatte an Menschen, die älter sind als 70 Jahre, appelliert, sie sollten sich freiwillig in Selbstquarantäne begeben. Die Maßnahme ist unter Fachleuten umstritten. Die Theologin Kostka spricht sich zwar dafür aus, Kontakte erstmal auf das Allernötigste zu beschränken, doch gewisse Kontakte sollten erhalten bleiben.

Wenn man genügend Abstand halte und eine Schutzausrüstung trage, könne man diesen Menschen durchaus begegnen. „Das Risiko ist groß, dass sich der Gesamtzustand von Menschen, die nicht mehr die Wohnung verlassen, verschlechtert.“

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Dies betreffe vor allem Personen, die ohnehin nur über sehr wenige soziale Kontakte verfügten. Die Gefahr, „dass sie verelenden, ist gegeben“. Selbst wenn sie von einem Pflegedienst betreut würden, könne das passieren. „Der Pflegedienst kommt vielleicht ein- zweimal am Tag, der kann keine sozialen Kontakte ersetzen“, sagte Kostka.

Viele Menschen leben in Armut und fühlen sich noch mehr als bisher ausgegrenzt

Zudem lebten viele Menschen, allein oder mit einem Partner, in Armut. „Wenn man dann noch zu jener Kategorie von Menschen gehört, die isoliert werden soll, hat das auch einen psychologischen Effekt“, sagte die Caritas-Direktorin. „Es kann sein, dass solche Menschen dann einfach weniger essen, weil sie das Gefühl haben, sie könnten anderen zur Last fallen.“

Es gibt allerdings auch betagte, alleinstehende Menschen, die von keinem Pflegedienst betreut werden. Die Gruppe betrachtet Kostka als „hochgefährdet", weil sich niemand wirklich um sie kümmere, wenn sie keine Angehörigen hätten. Solche Menschen hätten oft Probleme, um Hilfe zu bitten. „Da spielt auch das Schamgefühl eine Rolle“, sagte Kostka.

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Für solche Menschen sei es sehr wichtig, dass sie von einem Fürsorge-Netzwerk aufgefangen würden. „Da müssen dann Nachbarschaftshilfen oder Kirchengemeinden einspringen. Menschen, die anderen im Alltag helfen.“

Überforderte Angehörige könnten aggressiv werden

Doch selbst, wenn Senioren, die zur Risikogruppe gehören, auf die Hilfe von Angehörigen zurückgreifen können, sind die Probleme nach Ansicht der Caritas-Direktorin nicht gelöst. Im Gegenteil. Durch die intensivere Betreuung, die aufgrund der Isolation nötig sei, könnte es bei Angehörigen zu Aggressionen kommen. Und die könnten sich in Gewalt gegenüber den Senioren entladen.

Kostka hat eine klare Forderung an die Politik: „Wenn man Überlegungen für den Umgang mit älteren Menschen anstellt, sollte man die freien Wohlfahrtsverbände einbeziehen. Sie arbeiten an der Basis, sie kennen die Probleme.“ Es gehe hier auch die „Fachlichkeit im Umgang mit Senioren“.

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