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Die Freifläche nahe des Ostbahnhofes ist einer der letzten Freiräume entlang des nördlichen Spreeufers. 

© Madlen Haarbach

Alternativer Berliner Club vor dem Aus: „Friedrichshain-Kreuzberg ohne Yaam kommt nicht in Frage“

Der Friedrichshainer Club Yaam stand bereits durch Corona kurz vor der Pleite, eine marode Uferwand könnte das Ende bedeuten. Die Politik will helfen. 

Rot-weißes Band flattert zwischen Liegestühlen und Spreeufer. Martin Gräff vom Vorstand des Yaam-Clubs seufzt. Am Strand zwischen Ostbahnhof und Flatterband können zwar weiterhin Besucher sitzen. Was mit der bröckeligen Uferwand auf der anderen Seite des Bandes ist, ist allerdings weiter unklar.

Vor wenigen Tagen erklärte ein Gutachten des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg die Wand für akut einsturzgefährdet. Die Konsequenz: Alles in fünf Meter Abstand zur Mauer wurde kurzfristig gesperrt. 

Dass die Mauer nach rund 100 Jahren dicht angrenzendem Schiffsverkehr und ohne nennenswerte Instandhaltungsarbeiten als Reparaturfall gilt, ist seit mindestens 2003 bekannt. 

Dass nun aber auch das Hauptgebäude des Yaam, eine ebenfalls fast 100 Jahre alte frühere Lagerhalle des Ostbahnhofes, als womöglich einsturzgefährdet gilt, kam für die Betreiber des Yaam laut eigener Aussage völlig überraschend. 

„Dass die Halle wie die Titanic plötzlich in der Spree versinkt, kann ich mir tatsächlich nur schwer vorstellen“, sagt Gräff. In den vergangenen Jahren seien bereits mehrfach Statiker zu dem Schluss gekommen, dass die Halle aufgrund ihrer massiven Bauweise nicht gefährdet sei. 

Warum wurde der Club nicht rechtzeitig informiert?

Unverständlich ist für Gräff, dass die Betreiber des Clubs nicht vorgewarnt wurden – und dass offenbar weder die Nachbargrundstücke noch der Schiffsverkehr von den Sperrungen betroffen sind.

„Wenn so deutlich Gefahr im Verzug ist, müsste man das doch eigentlich auch irgendwo anders als bei uns sehen“, sagt Gräff und zuckt hilflos mit den Schultern. Aus dem Bezirksamt heißt es, dass das Nachbargrundstück des Energieforums am 1. Juli gesperrt werden soll.

Martin Gräff, einer der Vorstände vom Yaam, kann sich kaum vorstellen, dass die massive Halle einfach in die Spree rutscht. 
Martin Gräff, einer der Vorstände vom Yaam, kann sich kaum vorstellen, dass die massive Halle einfach in die Spree rutscht. 

© Madlen Haarbach

Ein Sprecher des Berliner Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) sagt auf Anfrage, dass dem WSA das entsprechende Gutachten bislang nicht vorliege. In den bisherigen Prozess sei das WSA nicht involviert gewesen. Erst dann könnte über Auswirkungen auf die Schifffahrt beraten werden.

Das Yaam musste bereits viermal umziehen 

Für das Yaam, das in seiner 25-jährigen Geschichte bereits viermal umziehen musste, geht es nun erneut um die Existenz. Nach der Corona-bedingt monatelangen Schließung sei der Club quasi pleite, sagt Gräff. Aktuell läuft zwar wieder ein moderater Betrieb auf den Außenflächen – der reiche allerdings lediglich aus, um die Kosten zu decken. 

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Sollte die Halle monatelang oder gar ganz geschlossen bleiben, fallen für den Betreiberverein nicht nur Büro- und Lagerflächen, Toiletten und Werkstätten weg – auch an Veranstaltungen in den Herbst- und Wintermonaten, nach möglichen weiteren Corona-Lockerungen, ist dann nicht zu denken. Was den Betreibern nun fehlt, ist eine Perspektive.

Auf den Nachbargrundstücken sind Hotels und Büros entstanden

Die Fläche, auf der sich das Yaam seit 2015 befindet, ist der letzte freie Fleck auf diesem Abschnitt des nördlichen Spreeufers, auf den Nachbargrundstücken sind in den letzten Jahren Neubauwohnungen, Hotels und Büros entstanden.

Die Fläche gehört dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und gilt als letzte Bastion der Initiative „Mediaspree versenken“, die sich seit 2008 – weitgehend erfolgslos – gegen die Bebauung des Spreeufers wehrte. Auf der Fläche befanden sich zuvor bereits die Clubs „Maria am Ostbahnhof“ und „Magdalena“. 

Die Betreiber des Yaam haben laut eigenen Angaben bereits rund eine Million Euro in den Ausbau der Fläche investiert.

Prüfstatiker soll Standfestigkeit der Halle klären

Aus dem Bezirksamt heißt es, dass das entsprechende Statikgutachten für die Uferwand erst seit letzter Woche vorliege – und eine sofortige Sperrung des Uferstreifens empfehle. Die Halle sei aufgrund ihrer Nähe zur Uferwand vorsorglich geschlossen worden. Bereits am Freitag wurde demnach ein Prüfstatiker beauftragt, der nun „möglichst schnell“ klären soll, ob eine Wiederöffnung oder zumindest teilweise Öffnung der Halle möglich ist.

Andernfalls müsse erst ein ebenfalls beauftragtes Gutachten zur Gebäudestatik abgewartet werden, teilt Sara Lühmann, Sprecherin des Bezirksamtes, mit. Dieses soll spätestens Anfang August vorliegen. Erst dann könne weiter entschieden werden.

Florian Schmidt: "Friedrichshain-Kreuzberg ohne Yaam kommt für mich nicht in Frage"

Florian Schmidt, Grüner Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, erklärte: „Das Yaam ist ein wichtiger kultureller und identitätsstiftender Ort und wir als Bezirksamt stehen hinter dem Betrieb dieser Einrichtung.“ Neben bereits zuvor vereinbarten Mieterleichterungen berate das Bezirksamt aktuell über weitere Erleichterungen für das Yaam.

„Friedrichshain-Kreuzberg ohne Yaam kommt für mich nicht in Frage“, sagte der Grünen-Politiker. Am Mittwoch soll es einen gemeinsamen Termin mit dem Bezirksamt und dem Yaam-Vorstand geben, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
Das Yaam ruft aufgrund der aktuellen Situation zu Spenden via paypal an die Adresse support@yaam.de auf, um den Erhalt des Clubs zu sichern.

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