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In mehreren Berliner Bezirken werden seit Februar 2018 Türkisch-AGs angeboten (Archivbild).

© Friso Gentsch/dpa

Alternative zum Konsulatsunterricht: Berlin benennt fünf Bezirke für den Türkischunterricht

Ab Februar will der Senat in einer Pilotphase ab der ersten Klasse Arbeitsgemeinschaften anbieten. Neue Zahlen zum Konsulatsunterricht liegen auch vor.

Der Ausbau des Türkischunterrichts kommt voran: Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg. Mittte und Neukölln sollen ab Februar mit Türkisch-AGs starten. Diese Bezirke hat die Bildungsverwaltung jetzt erstmals auf Anfrage benannt.

Das neue Berliner Angebot setzt zunächst in den Klassen 1 bis 3 an, wie die Behörde erläuterte. In den genannten fünf Bezirken ist der umstrittene türkische staatliche Konsulatsunterricht, dem Rot-Rot-Grün Konkurrenz machen möchte, besonders stark vertreten.

Obwohl die Pilotphase des neuen AG-Angebots bereits im Februar beginnt, ist die Auswahl der Schulen noch nicht abgeschlossen. „Derzeit beginnen Gespräche mit der regionalen Schulaufsicht und den Leitungen der interessierten Schulen, um Standorte auszuwählen“, erläuterte die Sprecherin der Bildungsverwaltung, Beate Stoffers.

Türkischlehrer sind knapp

Auch Schulverbünde kämen infrage. Da Berlin nur über wenige eigene Türkischlehrer verfügt, sollen in Kooperation mit Volkshochschulen weitere Kräfte gewonnen werden. Als Grundlage für den Unterricht wurde inzwischen ein Curriculum entwickelt, in dem es um Sprache und Landeskunde geht. Die Arbeitsgemeinschaften sollen aus zwölf bis 20 Schülern bestehen.

Noch ist völlig offen, wie groß die Bereitschaft der türkischen Eltern ist, das neue Angebot anzunehmen: Möglicherweise möchten sie bei ihren gewohnten Konsulatslehrern bleiben. Denkbar ist aber auch, dass es Eltern gibt, die sich erst jetzt im Zusammenhang mit dem Pilotprojekt dafür entscheiden, dass ihre Kinder in der Schule Türkisch lernen sollen.

Den aktuellen Umfang des aus Ankara gesteuerten Unterrichts hat gerade der SPD-Abgeordnete Joschka Langenbrinck erfragt: Die noch unveröffentlichten Antworten liegen dem Tagesspiegel vor. Demnach nehmen in diesem Schuljahr an rund 90 Schulen rund 2300 Schüler teil, davon allein 600 in Neukölln.

Es folgen Friedrichshain-Kreuzberg (525), Reinickendorf (315), Tempelhof-Schöneberg (308), Charlottenburg-Wilmersdorf (293), Spandau (109), Steglitz-Zehlendorf (85) und Treptow-Köpenick (58).

"Licht in die Blackbox bringen"

Weggefallen ist, wie berichtet, der türkische Konsulatsunterricht in Mitte, weil der Bezirk Miete gefordert hatte: Die türkische Seite wollte für die Raumnutzung nicht aufkommen und zog sich zurück. In Mitte hatten im Vorjahr noch über 300 Schüler teilgenommen.

Die Gesamtzahl der türkischen Konsulatsschüler hat sich gegenüber dem Vorjahr trotz des Wegfalls in Mitte kaum verringert. Das liegt beispielsweise daran, dass in der Vorjahresliste noch die Kreuzberger Rosa-Parks-Schule gefehlt hatte, in deren Räumen über 170 Schüler von den staatlichen türkischen Lehrern unterrichtet werden – Berliner Rekord.

Die Ungenauigkeiten sind der Tatsache geschuldet, dass es bislang nur eine schwache Datenlage zum Konsulatsunterricht gab. Langenbrinck hatte daher unter der Überschrift „Licht in die Blackbox bringen“ drei Anfragen gestellt, um die Zahlen für jede einzelne Schule zu erfahren. So wurde auch bekannt, dass es lediglich in drei Bezirken – Pankow, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg – keinerlei Konsulatsunterricht gibt.

"Religiös und nationalistisch"

Die Bildungsverwaltung hatte allerdings nicht nur die Datenpflege vernachlässigt, sondern auch den Lehrplan der türkischen Seite aus den Augen verloren. Erst unter dem Eindruck der aktuellen politischen Entwicklung in der Türkei beschäftigte sich die Verwaltung mit der Einflussnahme Ankaras an Berliner Schulen. Im Ergebnis bezeichnete Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) einige Inhalte des Lehrplans als „deutlich religiös und nationalistisch“.

Die türkische Seite hat diesen Lehrplan nach den Beanstandungen durch Rackles zwar inzwischen überarbeitet. Dennoch bleiben Koalition und Opposition dabei, dass der Konsulatsunterricht eine überholte Einrichtung sei.

Ursprünglich für Gastarbeiterkinder gedacht

Denn er war ursprünglich dafür gedacht, „Gastarbeiterkinder“ auf die Rückkehr in ihre Heimatländer vorzubereiten. Da es aber schon seit Jahrzehnten kaum noch Rückkehrer gibt, ist diese Zielsetzung des Unterrichts obsolet. Daher – und wegen der klammen Bezirksfinanzen – hatte sich Mitte entschieden, von Ankara Miete zu verlangen – wie von anderen Nutzern auch. Friedrichshain-Kreuzberg hatte dies auch erwogen, aber inzwischen davon Abstand genommen.

Nun heißt es dem Vernehmen nach, man wolle erstmal das alternative staatliche AG-Angebot aufbauen. In der SPD ist umstritten, was vorrangiger ist: Die Eindämmung des staatlichen türkischen Einflusses auf die Berliner Kinder oder die Aufrechterhaltung eines als wichtig erachteten muttersprachlichen Angebots.

In Berlin gibt es nur seitens der Türkei im großen Ausmaß Konsulatsunterricht. An den weiteren Konsulatsangeboten nehmen insgesamt nur 72 Schüler teil: 50 Schüler lernen auf diesem Wege Serbokroatisch, acht Mazedonisch und Italienisch sowie sechs Portugiesisch.

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