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Er liebt Glitter und Glamour. Mark Janicello im Pailettenkleid, zusammen mit Mario Garcia, einem Darsteller.

© Doris Spiekermann-Klaas

„All about the Finelli's“: Der Ritt ihres Lebens - Neue Sitcom über das bunte Berlin

In Berlin wird die Sitcom „All about the Finelli’s“ gedreht. Die Protagonisten: Ein gefallener Showstar, die Mafia und die einzige Weltstadt in Europa.

Zuallererst fällt der Blick auf einen tief ausgeschnittenen Rücken. Dann dreht sich die Diva zum Publikum, führt das Mikro zum Mund und haucht aus schwarz umrandeten Lippen: „I am what I am, I am my own special creation…“ Wie so oft steht auf der Bühne der Schwulenbar Incognito in der Schöneberger Hohenstaufenstraße ein Travestiekünstler. Immer inbrünstiger schmettert er den Song von Gloria Gaynor, reißt seine Hand in die Höhe und lässt sie mit gespreizten Fingern langsam wieder sinken, während er sogar die höchsten Töne trifft.

Glitter und Glamour, das liebt Mark Janicello. „Warum bin ich keine Weltberühmtheit?“, fragt der italoamerikanische Sänger und Schauspieler und überlässt es dem Gegenüber, zu entscheiden, wie viel Augenzwinkern in der Frage steckt. Es scheint ein zentrales Thema seines Lebens zu sein, denn rund um die Frage dreht sich die Sitcom „All about the Finelli's“, deren Drehbuch er geschrieben und für die er ein diverses Team aus allen möglichen Ländern zusammengetrommelt hat. Die geplante Sitcom hat mit ihren publikumsorientierten Pointen und ihrer exzentrischen Spielweise eine amerikanische Ästhetik. Die Schauspieler sprechen Englisch, die Serie spielt aber in Berlin und wird hier gedreht – unter anderem in der Schwulenbar Incognito.

„Oh, mein Arsch rutscht runter“, ruft Janicello. Er hebt sein bodenlanges pinkfarbenes Paillettenkleid hoch und gibt den Blick frei auf behaarte Beine und eine mit Sofakissen ausgestopfte Radlerhose. Er weiß, wie er Menschen zum Lachen bringt und scheut es nicht, sich ins Zentrum der Lacher zu rücken. „Meine Füße bringen mich um“, ruft er und zieht effektvoll seine Damenschuhe in Größe 48 aus.

Immer in Action.
Immer in Action.

© Doris Spiekermann-Klaas

Der Hauptdarsteller? Ist natürlich Janicello selbst. „Ich habe die Serie für mich geschrieben“, erzählt der 56-Jährige, wirft seinen Kopf in den Nacken und lacht, „sie repräsentiert mein Leben“. Janicellos Leben als Opern- und Musicalsänger, Schauspieler auf der Bühne und seit neuestem auch im deutschen TV. „Mehr als 100 Bühnenproduktionen habe ich hinter mir, jetzt möchte ich Millionen erreichen.“ Also wagt er sich an ein TV-Format, das er zwar gut kennt, aber selbst noch nicht gemacht hat: eine amerikanische Sitcom. Und die spielt in seiner Wahlheimat, dem bunten Berlin.

Als Frau verkleidet ist er nur in dieser Szene, in der er bei einer Audition für ein Cabaret vorsingt. Sonst ist er Toni Finelli, ein italoamerikanischer Familienvater, Sänger und Showmaster, der mit seiner Familie in Dahlem wohnt, Elvis ähnlich singt und schon längst weltberühmt wäre, hätte er nicht 15 Jahre unschuldig im Moabiter Gefängnis gesessen. Er saß, weil die Mafia sonst seine Frau und seine zwei Töchter hätte ermorden lassen.

Mafia, Knast, Scientology

Die Sitcom dreht sich vor allem darum, wie der gefallene Entertainer die einzelnen Brocken seines Familien- und Berufslebens wieder zusammensammelt. Folge für Folge muss Toni Finelli lernen, dass sich hinter den Kulissen seines Dahlemer Luxuslebens so viel Interessantes abspielt, wovon er früher nicht den Hauch einer Ahnung hatte. „Tja, meine Hauptfigur ist nicht so klug“, sagt Janicello und zuckt mit den Schultern.

Doch was haben Mafia und Knast mit dem Leben des Schauspielers Janicello zu tun? „Meinen Cousin zweiten Grades haben sie in Italien zerstückelt im Kofferraum gefunden“, erzählt er und hebt seine in allen Regenbogenfarben geschminkte Augenbraue. Sein persönliches Gefängnis, das war die Zeit, in der er bei Scientology war. 15 Jahre, die Janicello drei Millionen Euro, Probleme mit dem Verfassungsschutz und seine Familie gekostet haben.

„Ich war der Tom Cruise von Europa“

„Ich war der Tom Cruise von Europa“, sagt Janicello. Superlative sind ihm nicht fremd. Darum dachte vermutlich auch Mario Bischof, einer der Produzenten, zunächst: „Der ist verrückt!“. Kennengelernt hatte er ihn als Ami, der ihn im Fitnessstudio angequatscht und ihm später kurzerhand vorgeschlagen hatte, sein Produzent zu werden. Für Bischof, einen Osteopathen mit 20 Jahren Investment-Banking-Vergangenheit, war das eine neue Perspektive. Wie alle aus dem Finelli's-Dreh-Team ließ er sich anstecken von der Energie und der Vision Janicellos, gründete eine Produktionsgesellschaft, holte Investoren heran, beantragte Zuschüsse vom Medienboard Berlin-Brandenburg und den Gründerbonus der Stadt Berlin. 150.000 Euro haben sie schon zusammenbekommen. Drei von zwölf Folgen können sie mit dem Geld drehen. Um die Sitcom fertigzustellen, brauchen sie 1,3 Millionen. Darum sucht das Team rund um Janicello weltweit nach Sendern.

Ein Exportschlager von Berlin in die Welt sollen die Finelli's werden, „ein Showcase for Made in Germany“, sagt Janicello, der immer wieder zwischen Deutsch und Englisch wechselt. Seit dreieinhalb Jahren wohnt er in Berlin – das ist viel für den Kosmopoliten, der seit 24 Jahren überall in Europa lebt. „Berlin ist die einzige Weltstadt in Europa“, sagt er. „Ich zähle London nicht zu Europa.“

„Er ist schlechtweg ein Unikat“

Berliner haben einen großartigen Sinn für Humor, findet Janicello, während sich die Tür der Incognito Bar öffnet und ein Paar hereinkommt. „Da kommt mein Fanclub“, ruft der Schauspieler und springt auf. Und Tatsache: Das Ehepaar Beate und Boris Schmidt begleitet Mark Janicello zu jeder Show, zu jedem Bühnenauftritt und zu jedem Dreh. „Er ist schlechtweg ein Unikat“, sagt Boris, „es ist jedes Mal ein Erlebnis, ihn zu sehen“. Egal, ob Janicello etwas für drei oder 3000 Zuschauer mache – er gebe einfach immer 100 Prozent.

Für die Finelli's hat Janicello ein eigenes Format entwickelt: Traditionelle Sitcom trifft Animationen trifft Musical. Dabei möchte er der Welt Berlin zeigen, wie er es kennt: offen, tolerant und multikulti. Mit allen Subkulturen, deren Szenegrößen zehnmal cooler sein können als jeder Berlinale-Star. „Poor but sexy“, sagt er.

„Ich sollte schon längst tot sein“

Im Trailer auf YouTube sieht man Toni Finelli in seiner Villa in Dahlem, auf der Rolltreppe der U-Bahn und auf der Bühne von Friedrichshainer Clubs. „Where is all the press?“, fragt Toni Finellis Manager, gespielt von Timo Merkhoffer, als er den gefallenen Showmaster nach 15 Jahren aus dem Gefängnis abholt. Diese Szenen hat das Team in einem ehemaligen Gefängnis in Köpenick gedreht – weil die JVA Moabit ihnen keine Drehgenehmigung erteilt hat.

Und unterkriegen lässt sich Janicello nie. „Ich sollte schon längst tot sein“, sagt er mit Anspielung auf seine Scientology-Vergangenheit. „Bin ich aber nicht.“ Stattdessen habe er seinen Schmerz in Comedy umgewandelt. Das Wort „Vision“ fällt auf dem Set auffällig oft: ob Regisseur, Kameramann, kubanischer Schauspieler mit Panama-Hut oder Trans-Schauspielerin und Cabaret-Sängerin aus Los Angeles. „The ride of your life“, hat Janicello ihnen versprochen. Den Ritt ihres Lebens.

Nun, es sei diesem kreativen Team zu wünschen. Der wichtigste Schritt ist zunächst, einen TV-Sender oder Streaming-Dienst zu finden. Da steht der Tausendsassa längst in Kontakt mit 60 Sendern. „Und dieses Jahr fahren wir nach Cannes“, ruft Janicello in Anspielung auf das berühmte Filmfestival – und meint damit eigentlich die jährlich im Oktober stattfindende TV-Messe MIPCOM.

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