zum Hauptinhalt
Einkaufsmöglichkeit im Erdgeschoss. Komfort oder Last? (Symbolbild)

© Kai-Uwe Heinrich

Aldi-Pläne zum Wohnungsbau in Berlin: Wie lebt es sich über einem Supermarkt?

Aldi will in Berlin bauen. In Prenzlauer Berg etwa gibt es das schon: Oben wohnen, unten ein Rewe-Markt. Was sind die Vorteile, was die Nachteile? Ein Besuch.

Von Markus Lücker

Ulrike Tillmann kommt vom Einkaufen. Mit dem Toilettenpapier unter Arm, stapft sie die fünf Stockwerke des Treppenhauses hinauf. Ihr Weg führt vorbei an Getränkekästen von Rewe, einem Rewe-Einkaufstrolley im zweiten Stock und endet auf ihrem Balkon, wo Tillmanns Kaninchen an einem Apfel knabbert - vermutlich ebenfalls von Rewe.

In einer Baugruppe aus knapp 50 Wohnparteien lebt Tillmann direkt über einem Rewe-Supermarkt in Prenzlauer Berg. Sie selbst ist vor einem halben Jahr mit ihrer Tochter hier eingezogen. Die meisten anderen wohnen auch noch nicht länger hier.

Eine solche Wohnkonstellation könnte sich in Zukunft häufiger in Berlin finden. Am Mittwoch kündigte Aldi-Nord an, in die Immobilienbranche einsteigen zu wollen. In den kommenden Jahren will der Discounter 2000 neue Wohnungen mit eingebautem Supermarkt schaffen.

„Das ist wie eine persönliche Vorratskammer, die niemals leer wird“

Der Plan: alte Filialen sollen abgerissen, neue Filialen am selben Standort eröffnet werden und direkt oben drauf werden Wohnungen gebaut. Für potentielle Mieter soll das angesichts knapper werdender Wohnungen ein breiteres Angebot bringen. Bis 2030 müssen in Berlin mindestens 194.000 neue Wohnungen gebaut werden. Steigende Mieten sind als Problem bekannt. Die Märkte hingegen holen sich die Kundschaft direkt ins eigene Haus. Warum noch zur Konkurrenz gehen, wenn man den Anbieter direkt im Haus hat?

Der neue Aldi-Markt plus Wohnungen in der Lichtenberger Sewanstraße könnte so aussehen.
Der neue Aldi-Markt plus Wohnungen in der Lichtenberger Sewanstraße könnte so aussehen.

© Aldi Nord

Auch Ulrike Tillmann kann sich mittlerweile nicht mehr erinnern, wann sie das letzte Mal woanders als bei Rewe eingekauft hat: „Das ist wie eine persönliche Vorratskammer, die niemals leer wird“. Früher hätte sie bei Nachbarn geklingelt um nach Zucker zu fragen, heute kauft sie ihn einfach selber ein.

Meistens trifft sie dort auch gleich die anderen Anwohner. Von den Aldi-Plänen hat sie bereits gehört: „Find ich gut. Ich hab nie verstanden warum dieser ganze Raum nicht genutzt wird.“ Wenn morgen die LKWs kommen, um Nahrungsmittel abzuliefern, sei sie als Mutter eh schon wach.“

"Hier geht es um Wohnkomfort"

Andere Familien im Haus sind weniger zufrieden mit ihrem Nachbarn. Man hört von Lüftungssystemen, die morgens um sechs die Bewohner aus dem Bett jagen, Eingangstüren schieben sich im Sekundentakt auf und zu, Hubwagen poltern durch die Tiefgarage.

Je weiter nach unten man kommt, desto stressiger sei der Lärm. „Aber da muss man diplomatisch sein wie mit jedem Nachbarn“, sagt eine Anwohnerin. In der Planung des Baukomplexes hätte sie sich jedoch mehr Absprachen gewünscht. Die Lärmpegel seien abzusehen gewesen: „Da kann man sich nicht einfach nach Standards richten. Hier geht es um Wohnkomfort.“

Nun versuche man ein nachbarschaftliches Verhältnis mit dem Supermarkt zu pflegen. Meistens funktioniere das auch - wenn man lange genug warte und als Gemeinschaft genug Druck mache. Der Rewe ist in dieser Nachbarschaft gewissermaßen die 150 Personen WG, die von morgens bis Abends Besuch bekommt. Mit Partys müssen die Bewohner glücklicherweise nicht rechnen. Ab 22 Uhr schließt der Supermarkt. Bis morgens um sechs ist Ruhe. Dann kommen schon wieder die ersten LKWs und warten darauf, ihre Waren abzuliefern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false