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Die Belastung der Spree mit Sulfat entsteht vor allem durch die Einleitung von Grundwasser aus den Tagebauen der Lausitz.

© Patrick Pleul/dpa

Alarmstufe Braun in der Spree: Umweltverbände warnen vor ökologischer Katastrophe

Die Sulfat-Werte der Spree sind zu hoch. Wird der Sommer wieder sehr trocken, wäre die Trinkwasserversorgung im Raum Frankfurt (Oder) gefährdet.

Von Sandra Dassler

Es könnte der dritte extrem trockene Sommer in Brandenburg werden. Landwirte sind besorgt, Feuerwehrleute alarmiert und Umweltverbände warnen vor einer ökologischen Katastrophe – unter anderem auch durch die hohe Sulfatbelastung der Spree.

Die steige durch die anhaltende Trockenheit sogar noch an und gefährde unter anderem die Trinkwasserversorgung im Raum Frankfurt (Oder), sagt René Schuster von der Bundeskontaktstelle Braunkohle der Grünen Liga dem Tagesspiegel: „Das Land muss endlich handeln und den Tagebaubetreiber Leag zum Verursacher der Sulfatbelastung erklären, damit dieser seiner Verantwortung nachkommt.“

Das bedeute zum einen, die Sulfateinträge aus den von der Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) betriebenen aktiven Tagebauen zu senken und zum anderen, sich an den Kosten für die Sanierung eines Wasserwerks in Müllrose bei Frankfurt (Oder) zu beteiligen.

Denn die Belastung der Spree mit Sulfat und mit Eisenhydroxid entsteht durch die Einleitung von Grundwasser aus den Tagebauen der Lausitz. Laut einem Gutachten des Landes aus dem Jahr 2015 kommen 51 Prozent der Sulfatbelastung aus dem aktiven und 28 Prozent aus dem ehemaligen Bergbau. Die restlichen 21 Prozent sind natürlich bedingt.

Während man das für die „braune Spree“ verantwortliche Eisenhydroxid aber größtenteils wieder aus dem Fluss herausfiltern kann, ist das bei den Sulfaten nicht möglich. Sie können nur verdünnt werden – auch, damit sie Flora und Fauna nicht schaden und bei Menschen keine Durchfälle verursachen.

75 Prozent des Trinkwassers aus Wasserwerk stammt aus der Spree

Das Wasserwerk Briesen im Landkreis Oder-Spree versorgt etwa 65.000 Einwohner, unter anderem in Frankfurt (Oder), mit Trinkwasser, das zu 75 Prozent aus der Spree stammt. Um die hohe Sulfatbelastung zu vermindern, wird bei der Trinkwassergewinnung sulfatarmes Wasser aus sächsischen Wasserbecken und Talsperren beigemischt.

Die haben aber bereits angekündigt, aufgrund der geringen Niederschläge in diesem Jahr schätzungsweise nur sieben statt der üblichen 20 Millionen Kubikmeter Wasser abgeben zu können.

Laut dem am 30. April 2019 festgelegten „Bewirtschaftungserlass Sulfat (Spree)“ wurde zur Sicherung der Trinkwasserversorgung in Brandenburg für den Pegel Neubrück, der am Wasserwerk Briesen liegt, ein Immissionsrichtwert von 280 mg/l festgesetzt. Dieser muss an 328 Tagen im Jahr eingehalten werden.

Das gelang schon 2019 nicht. Und 2020 wurde der Wert bereits an 39 Tagen überschritten, sagt René Schuster: „Wenn das Land jetzt nicht eingreift, ist der ganze Bewirtschaftungserlass nichts wert.“

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Brandenburgs grüner Umweltminister Axel Vogel verweist auf eine Risikoabschätzung, die derzeit vom Landesbergbauamt für das Wasserwerk Briesen erstellt wird. Er bestätigte in der vergangenen Woche auch, dass die Sulfatwerte in der Spree weiter ansteigen und man bei Nichteinhaltung der Grenzwerte für Trinkwasser dieses etwa für Kleinkinder in Flaschen und mit Tankwagen liefern müsse.

Dieses Szenario sei höchst unwahrscheinlich, heißt es allerdings bei der Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft (FWA). „Es gibt keinen Grund dafür, zu befürchten, dass das Wasserwerk in Briesen in diesem Jahr abgeschaltet werden müsste“, zitiert die „Märkische Oderzeitung“ den FWA-Prokuristen Michael Scheel.

Die Sulfatbelastung des Trinkwassers liege mit 210 mg/l noch knapp unter dem in der deutschen Trinkwasserverordnung festgelegten Wert von 250 mg/l – allerdings nur, weil dem belasteten Spreewasser klares Grundwasser beigemischt wird. Dieses kann aber nur in begrenzter Menge gefördert werden.

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Die FWA sieht eine kurzfristige Abhilfe in der Sanierung des Wasserwerks in Müllrose. Dort könnte dann klares Grundwasser gefördert werden, sodass der Anteil des mit Sulfat belasteten Spreewassers sinke. Die Sanierung würde etwa zehn Millionen Euro kosten, die Ausschreibung der Bauarbeiten könnte sofort starten.

Das Land hat sich bereit erklärt, zehn Prozent der Kosten zu übernehmen, den Rest sollen die Leag als Betreiber der aktiven Tagebaue und die für die ehemaligen Kohlegruben zuständige Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) beisteuern.

Berliner irgendwann auch betroffen

Doch die weigert sich. „Wenn die FWA die Sanierung des Wasserwerks allein bezahlt, müsste sie die Kosten auf ihre Kunden umlegen“, sagt René Schuster: „Die Leag streicht die Gewinne ein, aber für die durch die Kohleförderung entstehenden Schäden bezahlen andere. Das kann man keinem erklären.“ Auch Berliner könnten irgendwann betroffen sein, denn das am Müggelsee liegende Wasserwerk Friedrichshagen nutzt ebenfalls das belastete Spreewasser.

Die für die stillgelegten Tagebaue zuständige LMBV wird sich nicht an der Sanierung des Müllroser Wasserwerks beteiligen. Das liegt unter anderem daran, dass das letztlich aus Steuergeldern finanzierte Bundesunternehmen keine Investitionen Dritter übernehmen darf.

Außerdem sei aus Sicht der LMBV die Situation im Wasserwerk Briesen, trotz der Niedrigwassersituationen, bisher nicht kritisch gewesen, sagt LMBV-Sprecher Uwe Steinhuber: „Ein langfristig weiterer Anstieg der Sulfatfrachten wird nach Expertenmeinung nicht erwartet.“

Vom Energiekonzern Leag war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Die im Unternehmen zuständigen Leiter für Geotechnik und Wassermanagement hatten in der Vergangenheit allerdings immer wieder darauf hingewiesen, dass ohne das aus den vier aktiven Tagebauen der Lausitz geförderte Grundwasser viele kleine Bäche, Gräben und Teiche in der Region längst ausgetrocknet wären.

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