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Rund 300 Gegendemonstranten kamen nach Neukölln.

© Christian Mang

Update

Affäre um nackten Protest: Neukölln: Zehn NPD-Anhänger demonstrieren gegen Piratin Anne Helm

Einst hatte die Affäre mit dem nackten Protest einer Berliner Piratin in Dresden begonnen. Mittlerweile zerreißt der Streit fast die Partei. Und nun demonstrierten zehn NPD-Anhänger vor dem Rathaus in Neukölln. Sie wurden übertönt von rund 300 Gegendemonstranten.

Todesdrohungen, ein wütender NPD-Trupp und blitzende Kameras. Selten hat eine bislang unbekannte Lokalpolitikerin so viel Aufmerksamkeit und Wut auf sich gezogen - aber auch so viel Solidarität. Als Anne Helm - 27 Jahre, Bezirksverordnete der Piraten – am Mittwoch in ihrem Büro im Rathaus Neukölln sitzt, haben sich unten auf dem Platz behelmte Polizisten aufgereiht.

Die Beamte schützen zehn NPD-Männer vor 300 Gegendemonstranten: Linke, Piraten und - an einer ausgeblichenen Fahne zu erkennen - zwei, drei Sozialdemokraten protestieren lautstark gegen die Rechtsextremen. Trotz Lautsprechern dringt kein Wort der NPD durch. Tomaten und Eier fliegen, die Polizei nimmt eine Handvoll junger Demonstranten fest.

Die NPD ist vor das Rathaus gezogen, weil Helm kürzlich vor der Dresdner Semperoper mit nacktem Oberkörper posierte. Auf ihre Haut hatte die hauptberufliche Synchronsprecherin gepinselt: „Thanks Bomber Harris“, gemeint ist der britische Luftwaffengeneral. Umgehend gab es bundesweit Aufregung in den Medien, in der CDU, bei den Piraten: Helm verhöhne die 25000 Bombenopfer von Dresden, und das vor der Europawahl, für die sie auf Listenplatz 5 kandidiert.

An diesem Mittwoch will sich Helm dazu äußern. Die Luft im Saal des Bezirksamtes steht, auf den Rängen drängeln sich Zuschauer. Heinz Buschkowsky, der Neuköllner Bürgermeister, blättert in einer Pressemappe: zehn, 15 Titelseiten - alle drehen sich um "die Nacktpiratin", also Helm und das Dresden-Foto.

Von Öffentlichkeit dürfte die Piratin erstmal genug haben

So voll, das bekundet selbst der Bezirksvorsteher, ist es bei den Sitzungen sonst nie: Helm hat Fans mitgebracht, auch wenn sie nicht so wirkt, als wäre ihr der Rummel angenehm. Von Öffentlichkeit dürfte die Piratin erstmal genug haben. Die bekannteren Piraten aus dem Abgeordnetenhaus sind aus Solidarität gekommen, aber auch Aktivisten der Parteibasis. Sie fragen Helm vor der Sitzung: "Können wir irgendwie helfen?"

Tagelang war Helm abgetaucht, nun erzählt sie dem Tagesspiegel was passiert ist: Im Netz rufen Nazis zum Mord an ihr auf, Hinweise zu ihr kursieren auf einschlägigen Internetseiten, sie bekommt E-Mails mit: "Häng dich endlich auf!" Das Landeskriminalamt hat bei ihr angerufen, mit gefährdeten Personen gibt es "Sensibilisierungsgespräche". Helm sagt, sie schlafe nun woanders, verlasse das Haus nie allein.

Zu ihrem Auftritt in Dresden stellt sie klar: "Das war ein Fehler!" Die Aktion bedauere sie, sie habe die Gefühle von Bombenopfern nicht verletzten wollen. So wird sie es wenig später auch im Sitzungssaal verlesen.

Buschkowsky bekundet seine Solidarität mit Helm

Warum war Helm vermummt? "Das war keine Aktion als Piratin", sagt sie. Die Partei habe damit nichts zu tun, sie habe in Dresden als Antifaschistin die Nazis provozieren und sich selbst schützen wollen. "Doch diese Aktionsform ist vorbei", sagt Helm. "Ich werde mich aber nach wie vor in der Flüchtlingspolitik engagieren."

Nachdem Helm vor den Verordneten gesprochen hat, erhebt sich Buschkowsky, geht zum Pult, setzt an: Eigentlich habe er über die Arbeit im Bezirk sprechen wollen, wie es sich für Lokalpolitiker gehöre. Nun aber wolle er sich doch zu etwas anderem äußern: Es dürfe nicht sein, dass eine Bezirksverordnete an einer politischen Aktion teilnimmt - die man sicher kritisieren könne - und dann mit dem Tod bedroht werde. "Allen die hier sitzen", sagte Buschkowsky beim Blick in den Saal, "gehört der Schutz dieses Hauses."

Minuten später beschließt die Mehrheit der Bezirksverordneten, samt der Piraten: Man unterstütze Proteste gegen Neonazis, missbilligen wolle man aber das Verhöhnen von Opfern - also auch die Aktion von Helm. Damit dürfte der Skandal erledigt sein.

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