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Mit Recht. Justizsenator Dirk Behrendt hatte sich gegenüber einem TV-Team und im Abgeordnetenhaus zur AfD geäußert.

© Jörg Carstensen/dpa

Update

AfD-Vorwürfe: Urteil: Justizsenator verletzt nicht Chancengleichheit der AfD

Die AfD warf Dirk Behrendt vor, gegen das Neutralitätsgebot verstoßen zu haben. Doch die Justiz sieht das anders - und fällt ein Urteil, das es so noch nicht gab.

Von Ronja Ringelstein

Dieses Urteil ist völlig neu – der Berliner Verfassungsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung am Mittwoch das Recht weiterentwickelt. In dem Organstreitverfahren, mit dem die Berliner AfD feststellen lassen wollte, dass Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sie mit seinen Aussagen benachteilige, hat das Gericht den AfD-Antrag zurückgewiesen und dabei eine ganz neue Aussage getroffen: Der Senator war in der Fragestunde im Parlament nicht zur Neutralität verpflichtet.

Eigentlich gilt das strikte Neutralitätsgebot - hier aber nicht

Das ist insofern spannend, als Regierungsmitglieder normalerweise dem strikten Neutralitätsgebot unterliegen. Wenn sich ein Regierungsmitglied unter Inanspruchnahme von Amtsautorität oder der mit dem Amt verbundenen Ressourcen zugunsten oder zulasten einer Partei äußert, verletzt es damit das Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettkampf.

Deshalb müssen sich staatliche Organe der Werbung für oder gegen Parteien enthalten. Allerdings, so urteilte nun der Verfassungsgerichtshof, galt das im Fall Behrendt nicht, denn er war in der Fragestunde des Abgeordnetenhauses „zu Rede und Antwort verpflichtet“, sagte Gerichtspräsidentin Sabine Schudoma. „Daher war es ihm nicht verwehrt, im Parlament seine Auffassung darzulegen.“ Sonst liefe auch das Fragerecht der Abgeordneten ins Leere.

Es ging um ein TV-Interview und Äußerungen im Parlament

Konkret ging es in dem Fall um zwei Äußerungen Behrendts: Im April 2017 hatte der für die AfD kandidierende damalige leitende Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch auf einem AfD-Parteitag von „Blockparteien“, der „Besiedelung einer nicht-deutschen Mehrheit“ und Deutschland als „islamischer Republik“ gesprochen. Ein RBB-Fernsehteam hatte den Justizsenator mit Reuschs Aussagen konfrontiert, dieser kommentierte die Rede so, dass für den Bundestagswahlkampf „einiges zu befürchten“ sei und die Dienstbehörde dies dann „auszuwerten“ habe.

In der Fragestunde im Abgeordnetenhaus etwas später sagte Behrendt auf Nachfragen vor allem aus der AfD-Fraktion selbst, dass Anlass bestehe, „genauer hinzugucken“, ob sich AfD-Bundestagskandidaten an das dienstrechtliche Gebot zur Mäßigung hielten, das für Richter und Staatsanwälte gilt.

AfD hatte selbst gefragt - war darum nur eingeschränkt schutzbedürftig

Nun stellte der Verfassungsgerichtshof für die Situation im RBB-Interview fest, dass sich Behrendts Äußerungen nur auf die Person Reusch und nicht auf die Partei bezogen hatten. In der Fragestunde des Parlaments komme hinzu, dass die AfD nur eingeschränkt schutzbedürftig war. Denn: Die AfD-Fraktion hatte die Fragen ja selbst mit dem Ziel gestellt zu erfahren, ob Behrendt Kandidaten der AfD unzulässig benachteilige.

Dirk Behrendt freut sich über das Urteil, sagte: „Die offene politische Auseinandersetzung ist unerlässlich für die Demokratie. Sie lebt davon, dass politische Meinungen auch zugespitzt formuliert werden können.“ Das Opfernarrativ der AfD sei mit dieser Entscheidung erschüttert.

Die aber hat längst auch gegen den Regierenden Bürgermeister ein ähnliches Verfahren vor dem gleichen Gericht angestrengt - wegen eines Tweets des Regierenden. Der rechtspolitische Sprecher der AfD, Marc Vallendar, kündigte nach der Verhandlung an, man wolle „wachsam bleiben, dass wir fair und neutral behandelt werden“.

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