zum Hauptinhalt
Zweifel am Rechtsstaat. Demonstration in Neukölln gegen die zahlreichen rechten Attacken. Das Vertrauen in die Polizei leidet.

© imago/Carsten Thesing

AfD-Kandidat fällt durch: Holpriger Start für Ausschuss zu Neuköllner Terrorserie

Jahrelang hatten Opfer und Initiativen für den Untersuchungsausschuss zur Anschlagsserie gekämpft. Schon am Tag seiner Einsetzung hat der ein ernstes Problem.

Die mehr als 70 Straftaten umfassende rechtsextreme Anschlagsserie im Berliner Bezirk Neukölln wird Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Abgeordnetenhaus. Mit den Stimmen von SPD, Grünen, CDU, Linken und AfD wurde der Ausschuss am Donnerstag im Plenum eingesetzt.

Die FDP enthielt sich und wurde dafür aus den Reihen der Koalition scharf kritisiert. Den Vorsitz des Ausschusses übernimmt der SPD-Innenpolitiker Florian Dörstelmann. Die konstituierende Sitzung des Gremiums soll noch in diesem Monat stattfinden.

Gegenstand der Untersuchungen wird neben rechtsextremen Strukturen und Netzwerken vor allem das Vorgehen der Sicherheitsbehörden während der Ermittlungen zu der über Jahre hinweg unaufgeklärten Terrorserie sein. „Wir untersuchen sämtliche beteiligten Behörden, Netzwerke, Taten und deren Entstehungsgeschichte“, erklärte Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion.

Überschattet wurde die Einsetzung durch die gescheiterte Wahl des AfD-Kandidaten Antonin Brousek sowie seines Stellvertreters Karsten Woldeit. Weil sich die Fraktionen von SPD, Grünen, Linken und CDU ihrer Stimme enthielten, die FDP-Fraktion sowie zwei Einzelabgeordnete von Linken und Grünen aber gegen die Mitgliedschaft der beiden im Ausschuss gestimmt hatten, verfehlten beide die erforderliche einfache Mehrheit.

Statt wie geplant mit elf Mitgliedern startet der Ausschuss nun mit nur zehn Abgeordneten – und unter erheblichen rechtlichen Zweifeln. Verfassung und Untersuchungsausschussgesetz schreiben vor, dass der Minderheitenschutz gewahrt und jede Fraktion an einem Untersuchungsausschuss beteiligt werden muss. Wird der Grundsatz verletzt, fehlt dem Ausschuss die Rechtswirksamkeit.

FDP verteidigt sich gegen Vorwurf des "Wortbruchs"

Während aus den Koalitionsfraktionen von „Wortbruch“ die Rede war und der FDP unterstellt wurde, sie habe mit ihrem Abstimmungsverhalten gegen Absprachen verstoßen, reagierte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja gelassen.

„Wir haben über die gesamte Legislatur dokumentiert, dass wir weder personell noch inhaltlich mit der AfD mitstimmen. Ausgerechnet bei einem Untersuchungsausschuss, der sich unter anderem mit der mutmaßlichen Verwicklung von AfD-Mitgliedern bei der Vertuschung rechtsextremistischer Anschläge beschäftigt, ist diese Position richtiger denn je“, erklärte Czaja.

[Sicherheit vor der eigenen Haustür: In unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken geht es auch oft um Kriminalität und Polizei. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

SPD, Linke und Grüne wiederum waren mit der Enthaltung von ihrer bisherigen Praxis, AfD-Mitglieder nicht mitzuwählen, abgewichen. Deshalb und durch den Schachzug der FDP, die den Ausschuss generell ablehnt, droht diesem nun eine monatelange Hängepartie.

Die AfD selbst kündigte an, gegen die Nichtwahl vor den Verfassungsgerichtshof zu ziehen. „Der Untersuchungsausschuss ist derzeit nicht rechtmäßig besetzt und darf bis zur Herstellung der Rechtmäßigkeit seine Arbeit nicht aufnehmen“, erklärte Fraktionschefin Kristin Brinker. Das Vorgehen der FDP bezeichnete sie als „eklatant undemokratisch und unglaublich dumm“.

Hinweis: In einer ersten Fassung des Beitrags hieß es, die AfD-Abgeordnete Jeannette Auricht hätte für den Posten des stellvertretenden Mitglieds der AfD-Fraktion kandidiert. Das war ein Fehler. Tatsächlich kandidierte Karsten Woldeit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false