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Alle haben ein Anliegen. Die Stargarder Straße in Prenzlauer ist jetzt Radlern vorbehalten. Viele Autofahrer halten sich nicht daran.

© Bernd Friedel/Imago

Ärger um Verkehrsplanung in Berlin: Schluss mit den Jagdszenen auf der Fahrradstraße

Die neue Fahrradstraße Prenzlauer Bergs ist lebensgefährlich. Diese Fehlplanung darf sich in Mitte nicht wiederholen. Ein Kommentar mit Wut im Bauch.

Schönen Gruß an die Frau mittleren Alters, die mich neulich kurz vor 9 Uhr mit ihrem schwarzen Kleinwagen erst rasiermesserscharf überholt und dann auf die Eisen ging, um mich auszubremsen! Beinahe wäre ich Ihnen hinten draufgeknallt, so hab ich mich nach meiner Vollbremsung nur fast auf die Fresse gelegt.

Ach so, ja, ich war der Radler auf der Stargarder Straße in Prenzlauer Berg. Ach so, ja, die ist seit einigen Wochen eine Fahrradstraße.

Gruß auch an den Mann im ebenfalls schwarzen Kleinwagen, der mir später dort entgegen kam und forsch einen Zweite-Reihe-Parker überholte, als ich auf derselben Höhe war: Den Windzug Ihres Außenspiegels spüre ich noch immer an der Hand, wie auch den Panik-Puls in meiner Halsschlagader.

Ja, und winke winke dem Handwerker im weißen Transporter, der mir von hinten auf die Pelle gerückt war, weil ich es gewagt hatte, mich mit dem Fahrrad auf der Fahrradstraße mal nicht am Rand entlangzudrücken. Ihr auf- und abheulender Motor hat bei mir wirklich den Eindruck hinterlassen, dass man mich gleich von Ihrer Windschutzscheibe kratzen kann.

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Und zu guter, pardon, schlechter Letzt noch der Gruß an die junge Frau im weißen Familienkombi, die dieser Tage kurz vor Unterrichtsbeginn Slalom zwischen radelnden Schulkindern auf der Stargarder gefahren ist. Mit Ihrem atemberaubenden Tempo haben Sie bestimmt noch eine Ampelphase früher geschafft.

Die Stargarder Straße ist auch Thema im aktuellen Newsletter für Pankow vom Tagesspiegel:

  • Stargarder Straße auf der Zielgeraden: Fahrradstraße soll bald endgültig fertig sein – so sieht der Fahrplan aus. Weitere Themen:
  • Zoff um Hochhaus-Plan am Thälmann-Park: Bezirkspolitik zerstreitet sich über Umgang mit Investor
  • Wie geht es weiter im Botanischen Volkspark Blankenfelde?
  • Acht Tote in zwei Jahren: Berlins Katastrophenstraße liegt in Prenzlauer Berg
  • Anwohner verärgert über neue Müllprobleme
  • Diskriminierung" auf öffentlichen Toiletten: SPD will WC-Gebühren für Frauen abschaffen
  • Den Newsletter schreibt Christian Hönicke

Jagdszenen wie diese hat bestimmt schon jeder erlebt, der wie ich täglich die erste Fahrradstraße Prenzlauer Bergs benutzt. Ich persönlich fühlte mich dort sicherer, als noch die Rechts-vor-links-Regelung galt und Autos wenigstens an den Kreuzungen mal bremsen mussten.

So lädt die Straße regelrecht zum Rasen ein, weil der Verkehr auf der Fahrradstraße vorfahrtberechtigt ist – inklusive der Autos. Mit denen dürften eigentlich nur Anlieger hier entlangfahren. Aber irgendwie scheinen alle nur ein Anliegen zu haben: ein paar Minuten Umweg zu sparen.

Ein verkorkstes Projekt

Gerade ziehen Arbeiter neue, grüne Striche längs der Fahrbahn, die dadurch offenbar schmaler werden soll – um das Überholen zu erschweren? Ganz ehrlich: Diese Fahrradstraße ist doch verkorkst. Wer sich das ausgedacht hat, sollte zur Strafe 24 Stunden die Straße rauf- und runterradeln.

Das Schlimme dabei ist, dass es doch eigentlich von Anfang an alle geahnt haben, dass eine Radstraße, in die Autos ungehindert rollen können, nicht funktionieren kann. So werden tausende Euro für Schilder und Striche, die keiner beachtet, in den Sand gesetzt. Es fehlt nur noch, dass die Behörden eine Arbeitsgruppe gründen, um diesen Fehlversuch auszuwerten.

Radlosigkeit in der Friedrichstraße

In Mitte wollen sie jetzt eine Parallelstraße zur Friedrichstraße für Radler reservieren, weil es mit der Verkehrsberuhigung auf dem Boulevard nicht geklappt hat (wie man nur auf die Idee kommen konnte, eine Fahrradschnellstraße durch eine Fußgängerzone zu planen, bleibt mir bis heute ein Rätsel).

Verkehrssenatorin Jarasch gegen Poller in Mitte

Und als ob es nicht das abschreckende Beispiel der Stargarder Straße nicht gäbe, soll in der neuen Fahrradstraße nichts unternommen werden, die Autos draußen zu halten. „Ich neige sehr dazu, die Sperrung nicht als ersten Schritt zu machen“, sagte Verkehrssenatorin Bettina Jarasch dazu (Grüne) dazu. Jetzt weiß ich endlich, woher die Floskel von der "Entscheidung am grünen Tisch" stammt...

Ach, einen Gruß hab ich noch vergessen: Der gilt der Polizei, die ich seither genau ein Mal dabei angetroffen habe, wie sie Durchfahrer nach dem Woher und Wohin fragte. Das ist natürlich auch kein Wunder, denn sie hat ja derzeit andere Prioritäten, wie hier im Tagesspiegel nachzulesen ist: Auto- und Lkw-Fahrer werden immer seltener von der Polizei kontrolliert, Unmotorisierte dafür häufiger.

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