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Die Berliner CDU hat derzeit ein Mitglied zuviel.

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Ärger um Neumitglied Roscher-Meinel: Berliner CDU will umstrittenen Rechtsanwalt bis Februar loswerden

Im Februar 2020 will die CDU die Aufnahme des politischen Rechtsaußen Roscher-Meinel widerrufen. Landes-Chef Wegner betont: Wir sind nicht näher bekannt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner CDU hofft, das neue Parteimitglied Markus Roscher-Meinel bald wieder los zu sein. Auf der ersten Sitzung im Januar will der CDU-Kreisvorstand Mitte beschließen, die Aufnahme des politisch höchst umstrittenen Rechtsanwalts zu widerrufen. Dies ist laut Parteistatut möglich, wenn das betreffende Mitglied "schuldhaft falsche Angaben gemacht oder wesentliche Umstände verschwiegen hat". Falls Roscher-Meinel gegen diesen Beschluss Beschwerde einlegt, womit gerechnet wird, will der CDU-Landesvorstand am 28. Februar endgültig die Mitgliedschaft canceln.

Die Union kann sich so ein langwieriges Parteiausschlussverfahren sparen, dessen Ausgang schwer kalkulierbar wäre. Wie berichtet, hatte Roscher-Meinel im November die Mitgliedschaft in der CDU beantragt. Einer Partei, der er schon 1999 bis 2003 angehörte, zeitweilig sogar als Mitglied des CDU-Landesausschusses.

Außerdem bewarb er sich 2001 als Direktkandidat der Union erfolglos für das Abgeordnetenhaus und wollte ein Jahr später im Wahlkreis Pankow für den Bundestag antreten. Damals pries ihn der eigene CDU-Bezirksverband als "wertkonservativen Erneuerer" an. Erst in letzter Minute verzichtete Roscher (damals noch ohne Doppelnamen) auf eine innerparteiliche Kampfkandidatur gegen den früheren DDR-Bürgerrechtler Günther Nooke.

Im Januar 2002 wurde der Fachanwalt für Straf- und Erbrecht und Mitglied der Burschenschaft Gothia gemeinsam mit dem damaligen Landeschef der Jungen Union, Kai Wegner, als Gast einer TV-Veranstaltung mit dem österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider gesehen. Heute ist Wegner CDU-Landesvorsitzender und versichert: "Herr Roscher und ich sind nicht näher bekannt". Zum besagten TV-Talk mit 200 Gästen sei er nicht in dessen Begleitung erschienen und habe auch keinen weiteren Kontakt zu Roscher gehabt, sagte Wegner dem Tagesspiegel.

Von der FDP in die CDU, vom Bund Freier Bürger zu den Piraten

Erst am 19. Dezember hat Wegner nach eigener Aussage davon erfahren, dass Roscher erneut in die CDU eingetreten ist. "Mir sind auch weder Fürsprecher noch Warner bekannt, die im Vorfeld der Kreisvorstandssitzung (der CDU Mitte) auf den Vorstand oder auch mich persönlich zugekommen sind ." Der Aufnahme von Markus Roscher-Meinel in den CDU-Ortsverband Bernauer Straße stand demnach nichts im Weg. Zumal jeder EU-Bürger Mitglied der CDU werden kann, "der ihre Ziele zu fördern bereit ist, das 16. Lebensjahr vollendet hat und nicht infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder das Wahlrecht verloren hat".

Nicht erlaubt ist außerdem die gleichzeitige Mitgliedschaft in einer anderen Partei. Roscher-Meinel hat es stattdessen vorgezogen, in einer Partei nach der nächsten aktiv zu werden. 1983 trat er in die FDP ein und gehörte dort zu einer Gruppe von "Nationalliberalen" um den Ex-Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, die den Berliner FDP-Landesverband politisch umkrempeln wollten. Auch bundesweit bemühte sich Roscher bereits damals um eine enge Vernetzung der alten und neuen Rechten. Erst 1998 verließ er die FDP, wurde Vize-Bundeschef des erzkonservativen "Bund Freier Bürger" und zettelte eine Kampagne gegen das Holocaust-Denkmal in Berlin an, von der er sich später allerdings distanzierte.

"Eine vollständig kriminelle Bundesregierung"

Es folgte ein vierjähriger Auftritt in der Hauptstadt-CDU, bevor sich Roscher 2012 nach einer längeren parteipolitischen Pause den Piraten zuwandte. Lange hielt es ihn dort nicht. Erst 2017 machte Roscher-Meinel mit einer Bundestags-Direktkandidatur für die AfD in seiner Geburtsstadt Paderborn auf sich aufmerksam. Die Bewerbung zog er kurzfristig zurück, nachdem eine junge Anwältin sich geweigert hatte, eine Arbeitsstelle in seiner Kanzlei anzutreten, als sie von der AfD-Kandidatur erfuhr. Ein "entsetzlicher Shitstorm" im Netz, wie Roscher-Meinel selbst sagte, war die Folge.

Die AfD hätte ihn übrigens nicht aufgenommen. Auf die Panne mit der CDU-Mitgliedschaft Roscher-Meinels reagierte der AfD-Landeschef Georg Pazderski mit Hohn und Spott. "Hätte die CDU ein so strenges Aufnahmeverfahren wie es die AfD aus gutem Grunde mittlerweile hat, wäre das sicher nicht passiert. Wir sind gerne bereit, der Union Tipps zu geben", twitterte Pazderski. Immerhin hatte Roscher-Meinel seiner neuen Partei noch im November bescheinigt, eine "Anti-Deutschland-Partei" zu sein. Schon im Oktober 2016 hatte er die schwarz-rote Bundesregierung auf einer Veranstaltung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Paderborn als "vollständig kriminell" beschimpft.

Heterosexueller, Fleisch essender Burschenschafter

Vor öffentlichen Provokationen schreckt der Rechtsanwalt und zeitweilige Christdemokrat offenbar selten zurück. So stellte er sich im September in den sozialen Medien folgendermaßen vor: "Ich bin ein heterosexueller, Fleisch essender Burschenschafter, der einen SUV (Diesel) fährt und ... meint, dass der Klimawandel in erster Linie mit der Sonnenintensität zu tun hat".

Angeblich hat niemand in der Berliner CDU, der mit dem Aufnahmeantrag Roscher-Meinels befasst war, von alledem gewusst. CDU-Landeschef Wegner will daraus Lehren ziehen. "Ich unterstütze die Überlegungen des Kreisverbands Mitte, jeden Bewerber vor der Aufnahme einmal von einer Internetsuchmaschine suchen zu lassen", sagte er dem Tagesspiegel. "Ferner werden wir prüfen, ob es möglich ist, das Verfahren zur Aufnahme von Neumitgliedern im Dialog mit der Bundes-CDU zu ändern."

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