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Viele Mieter können in der Coronakrise ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Mietendeckel in Berlin tritt in Kraft: So können Sie als Mieter Ihre Miete senken

Am Sonntag ist es soweit: Der Mietendeckel tritt in Kraft. Wie hoch muss die Miete sein, damit man sie senken kann? Muss man jetzt etwas tun? Ein Überblick.

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Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) ist sich zum Start des Mietendeckels am Sonntag sicher: Besteht das Gesetz vor Gericht, wird es zum Vorbild auch für andere Städte.

Weil für die individuelle Durchsetzung des Mietendeckels die Berliner Mieter weitgehend selbst sorgen müssen, bereitet sich der Berliner Mieterverein auf einen Anstieg der Beratungsgespräche vor.

„Wir rechnen mit vielen Anfragen und planen wahrscheinlich eine Erhöhung unserer Kapazitäten“, erklärt Wiebke Werner, stellvertretende Geschäftsführerin des Mietervereins.

„Etwas misslich“ nennt sie es, dass sich – anders als im ursprünglichen Gesetzentwurf des Senats – die Mieter nun selbst um die Einhaltung der Mietobergrenzen (siehe Grafik) kümmern müssen. „Ich finde es schade, dass da nicht mehr Rückendeckung für die Mieter durch den Senat herauskommt“, sagte Werner.

Ihre Erklärung, wie die Mieter nach Inkrafttreten des Gesetzes vorgehen sollten, lässt hinreichend Spielraum für Fehler erahnen.

Werner zufolge funktioniert es so: Stellt ein Mieter fest, dass seine ab dem Stichtag 18. Juni 2019 fällige Miete mehr als 20 Prozent über den in der Mietobergrenzentabelle festgehaltenen Werten liegt, hat er einen Anspruch auf die Absenkung der Miete.

Jedoch: Geltend machen kann er diesen Absenkungsanspruch aus juristischen Gründen erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, also voraussichtlich im November 2020. Nur der Mietenstopp gilt rückwirkend zum 18. Juni. Die Mietensenkung auf Basis der im Gesetz verankerten Obergrenzen greift mit Verzögerung.

Das sind die Optionen, die ein Mieter hat:

Erste Option: Der Mieter reduziert seine Miete selbstständig

Liegt die eigene Miete über diesen Grenzen, rät Werner, sich das vom jeweiligen Bezirksamt bescheinigen zu lassen. Dieser Bescheid wiederum sollte dem Vermieter vorgelegt werden. Hintergrund ist: Das Mietendeckel-Gesetz verbietet die Verpflichtung zur Zahlung einer überhöhten Miete.

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Ist dieser Schritt getan, gibt es zwei Wege: Entweder, der Mieter reduziert seine monatlich zu zahlende Miete selbstständig. Dann sollte er aber die Differenz zum bisherigen Mietzins besser zurücklegen, weil das Gesetz erst noch die Hürde der verfassungsrechtlichen Überprüfung nehmen muss.

Zweite Option: Der Mieter holt sich das Einverständnis des Vermieters

Oder, und dazu rät der Mieterverein, der Mieter holt sich das verbindliche Einverständnis des Vermieters und senkt erst nach dessen Zustimmung die monatliche Miete. Hintergrund ist: Wer die Miete von sich aus und ohne Zustimmung des Vermieters reduziert, gerät in einen Zahlungsrückstand. Scheitert das Gesetz tatsächlich vor Gericht, steht der Mieter plötzlich als Schuldner da, im schlimmsten Fall droht die Kündigung.

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„Wir raten unseren Mietern, sich das Einverständnis des Vermieters einzuholen“, sagte Werner dazu. Alternativ könne der Mieter beim Amtsgericht ein sogenanntes Feststellungsurteil erwirken.

Dieses beziffert die nach der Mietobergrenzen-Tabelle zulässige Miethöhe auf den Cent genau. Der Mieter befinde sich dann so auf der sicheren Seite. Aber auch in dem Fall rät Werner: „Das eingesparte Geld sollten die Mieter besser zurückhalten, bis die gerichtliche Überprüfung des Gesetzes beendet ist.“

SPD-Politiker teilt Kritik des Mietervereins nicht

Der SPD-Rechtspolitiker Sven Kohlmeier teilt die Kritik des Mietervereins nicht. Er ist der Meinung, dass die geänderte Fassung des Mietendeckel-Gesetzes für die Berliner Mieter sogar günstiger ist. Denn im Zivilrecht, wenn also ein Mieter den Wohnungseigentümer verklagt, sei der Streitwert deutlich geringer als bei verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten.

Klagen vor dem Verwaltungsgericht dauerten auch wesentlich länger, sagt Kohlmeier: „Erfahrungsgemäß zwei bis vier Jahre, dagegen dauern Zivilrechtsverfahren in der Regel ein halbes bis zwei Jahre“. Außerdem seien Mietrechtskonflikte durch Rechtsschutzversicherungen eher abgedeckt als juristische Streitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten, sagte Kohlmeier. Auch das mindere das Kostenrisiko der Mieter.

Wer sich nicht an Gesetz hält, muss bis zu 500.000 Euro Strafe zahlen

Der von den Regierungsfraktionen SPD, Linke und Grüne korrigierte Gesetzentwurf des Senats war noch darauf angelegt, im Konfliktfall von Amts wegen die Verwaltungsgerichte zu bemühen. Das neu gefasste Mietengesetz ist aber ein „Verbotsgesetz“. Wenn ein Vermieter die Miete ungesetzlich erhöht oder die entsprechenden Obergrenzen nicht einhält, muss der Mieter dagegen selbst zivilrechtlich klagen.

[Mehr zum Thema: Der Mietendeckel könnte die Preise im Zentrum von Berlin halbieren]

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Wie viele Zivilklagen wegen des Mietendeckels auf die Berliner Justiz zukommen könnten, weiß Kohlmeier nicht. Dazu gebe es seines Wissens bisher keine belastbare senatsinterne Schätzung. Der Rechtsanwalt glaubt aber nicht an eine Klagewelle. Denn wenn ein Vermieter sich nicht an das neue Gesetz halte, sei dies eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro geahndet werden könne. „Das schreckt ab.“

Mieter sollten als erstes Kontakt mit Bezirksamt aufnehmen

Kohlmeier rät den Berliner Mietern, ähnlich wie der Mieterverein, erst einmal beim zuständigen Bezirksamt Auskunft über die korrekte Miethöhe für die eigene Mietwohnung zu verlangen. Das sieht das neue Gesetz so vor.

Es sei auch möglich, sich die zulässige Miete bei seriösen Online-Anbietern oder den Mieterverbänden ausrechnen zu lassen. Dies sei allerdings keine verbindliche Auskunft. Unabhängig davon bieten alle Bezirksämter eine kostenlose Mieterberatung an. Dafür hatte die Koalition im Doppelhaushalt 2020/21 für jeden Bezirk 100.000 Euro zur Verfügung gestellt. Diese dürften nun rege nachgefragt werden.

Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgericht sei in diesem Jahr nicht zu rechnen

Mit der Information über die amtlich korrekte Miete wiederum könne der Mieter dann auf den Vermieter zugehen, falls die Miete überhöht sei oder eine unzulässige Mieterhöhung gefordert werde, sagt Kohlmeier. Lenke der Vermieter nicht sofort ein, rät auch er dazu, die Miete zu zahlen, aber nur „unter Vorbehalt“. Außerdem solle der Mieter die zuständige Stelle bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung informieren, die dann ein Bußgeld verhängen könne. Die Alternative sei, einen Anwalt einzuschalten.

Kohlmeier räumt ein, dass wirkliche Rechtssicherheit für alle Seiten erst dann bestehe, wenn das Bundesverfassungsgericht in der von CDU und FDP angekündigten abstrakten Normenkontrollklage den Berliner Mietendeckel bestätigt, korrigiert – oder verwirft. Auch wenn die Karlsruher Richter im „Schnellverfahren“ einstweiligen Rechtsschutz herstellten, sei mit einer Entscheidung in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.

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