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Das Traditionsrestaurant "Wilhelm Hoeck" in der Wilmersdorfer Straße 149 in Wilmersdorf muss schließen.

© Cay Dobberke

Älteste Kneipe in Berlin-Charlottenburg: Das letzte Bier im "Wilhelm Hoeck"

Die Alt-Berliner Kneipe "Hoeck" in der Wilmersdorfer Straße hat dicht gemacht. Am Sonntag war "Restetrinken" - und die Stammgäste strömten ein letztes Mal.

Wie sagt man einer Wirtin, die einem ans Herz gewachsen ist, „Mach’s jut!“? Was tut man in einer liebgewordenen Kneipe, deren Zukunft plötzlich völlig ungewiss ist? Küsschen, Drücken, Schulterklopfen, Tränchen ganz ungeniert kullern lassen – und, hicks, zum Trost nicht nur eine Molle kippen. Punkt 14 Uhr ist es am Sonntag so weit im Charlottenburger Traditionslokal „Wilhelm Hoeck 1892“ an der Wilmersdorfer Straße 149. Da schließt die langjährige Wirtin Tanja Rudolph letztmals für ihre Gäste die Tür auf – zum „Restetrinken“.

Und schon ein paar Minuten später sind sie alle da. Die Hoeck-Fans ab 40 aufwärts. Rappelvoll ist der Laden. Draußen, vor den großen Fenstern, wirbelt der Schnee vom Himmel. Drinnen rücken sie zusammen um die runden, gescheuerten Holztische. Schulter an Schulter, mit festem Griff ums Pils, als wollten sie ihr Hoeck verteidigen, nachdem die Besitzer des Hauses Tanja Rudolph wie berichtet gekündigt haben und niemand weiß, wie’s nun weitergeht in diesem gut 125 Jahre alten Schankraum, in dem schon Zille gezeichnet hat. Wo es beim ersten Schluck zurückgeht in die Kaiserzeit, weil alles noch so aussieht wie einst – von der dunklen Holzvertäfelung über die rasselnde Registrierkasse bis zu den Regalen mit der Schnapsflaschenparade von anno dazumal.

Axel bestellt ein Weizen, 67 ist er alt und pensionierter Postbote. „Hier stand schon mein Opa am Tresen“, erzählt er. Rechts, neben der früheren Musikboxnische, löscht der Stammtisch von Ruth, Peter und weiteren Kumpels seinen Kummer. „Seit Jahren“ treffen sie sich hier jeden Donnerstag. Und gleich nebenan zieht der treueste Stammtisch Schluck für Schluck über den Kapitalismus her. Fast alle über 70, ein Bildhauer ist dabei, ein früherer TU-Professor. Als Studenten gründeten sie hier in den 60ern ihre Lokalrunde, gemeinsam sind sie im Hoeck älter geworden. „Das ist unser zweites Wohnzimmer“ sagt Dietrich, der Bildhauer. „Wenn da jetzt so ’ne Schickimickilounge reinkäme, es wäre ’ne Katastrophe.“

Um 15 Uhr sind schon die meisten Bierfässer leer, einer fragt nach Persico. Auch schon alle? „Nee“, weiß die Bedienung, „da liegt noch ’ne Flasche.“ Und dann verabschiedet sich das Hoeck-Team von seiner Chefin. „Tanja, du bist wunderbar!“ ruft Koch Mirko und wischt sich die Augen. „Tschau, allet Jute – trotz alledem.“

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