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Die Berlin Comedian Harmonists mit Elisabeth Trautwein-Heymann am C. Bechstein-Flügel ihres Vaters.

© DAVIDS/Dirk Laessig

Adventspräsent für die Berlin Comedian Harmonists: Das gibt’s nur einmal - sechs Sänger und ein legendärer Flügel

Die Tochter des einstigen Chanson- und Filmkomponisten Werner Richard Heymann hat dem Sextett den Bechstein-Flügel ihres Vaters geschenkt. Ein Ortstermin im Schillertheater.

Ziemlich chaotisch sieht es um ihn herum aus. Bretter, Gitter, eine alte Vitrine, erloschene Scheinwerfer. Als hätte man ihn abgeschoben, irgendwo auf einen Dachboden – so steht der Bechstein-Flügel mitten im Durcheinander auf der Hinterbühne des Schiller- Theaters. Immerhin, fleißige Hände haben ihn aufpoliert, glänzend schwarz macht er eine gute Figur.

Nun tritt eine Frau an ihn heran, Jeans, weiße, gelockte Haare, warmes Lächeln. Sie streicht mit den Fingern sanft über die Tasten und erzählt, wie es war, als dieser Flügel in den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren wie ein guter Freund zu ihrer Kindheit gehörte. Dann bringt sie ihn zum Klingen. Elisabeth Trautwein-Heymann spielt das Lieblingslied ihres Vaters: „Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück...“

Heymann war bis 1933 Generalmusikdirektor der Ufa

Ortstermin an einem legendären Konzertflügel. Werner Richard Heymann, einst Generalmusikdirektor der Universum-Film AG, kurz Ufa, und berühmter Chanson- und Filmkomponist der Zwanziger- bis Sechzigerjahre, hat die Melodie sowie den Refrain von „Irgendwo auf der Welt“ geschaffen und auf diesem Flügel oft gespielt.

In diesen Tagen hat seine Tochter nun das Instrument den Berlin Comedian Harmonists überlassen, offiziell als Dauerleihgabe, letztlich aber als Geschenk pünktlich zur Adventszeit. Denn am 15. Dezember lädt das Sextett ins Schiller-Theater, dem vorübergehenden Ausweichquartier der Komödie am Kurfürstendamm, wieder zum traditionellen Adventssingen ein. Erstmals wird Pianist Nikolai Orloff dann die Sänger an Elisabeth Heymanns klingendem Präsent begleiten.

Werner Richard Heymann , berühmter Chanson- und Filmkomponist der Zwanziger- bis Sechziger Jahre.
Werner Richard Heymann , berühmter Chanson- und Filmkomponist der Zwanziger- bis Sechziger Jahre.

© privat

Warum hat sie sich für die Berlin Comedian Harmonists entschieden? Weil sich ihr Vater mit den ursprünglichen Comedian Harmonists in der Zeit von 1925 bis 1935 musikalisch bestens verstand. Und weil sie überzeugt ist, dass Werner Richard Heymann mit der heutigen Sängertruppe gleichfalls „ein Herz und eine Seele wäre“, wenn er noch lebte.

"Ein Freund, ein guter Freund" gehört zu seinen Evergreens

Heymann hat die einstigen Sänger als „seine Lieblinge“ massiv gefördert, ihr Repertoire umfasste zahlreiche seiner Melodien. Auf Bühnen und in seinen Ufa-Tonfilmen interpretierten sie bis 1933 viele von ihm vertonte, von Robert Gilbert getextete Evergreens: „Ein Freund, ein guter Freund“, „Das ist die Liebe der Matrosen“, „Das gibt’s nur einmal“, „Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen“ oder „Eine Nacht in Monte Carlo“. Diese Tradition ihrer historischen Namensgeber setzen die heutigen Berlin Comedian Harmonists seit 1997 mit weltweit umjubelten Auftritten fort. Auch beim Adventssingen stimmen sie wieder Heymanns Lieder an.

"Witz, Melancholie und Freude, alles steckt in dieser Musik"

„Diese Musik hat eine unvergängliche Magie“, sagt ihr erster Tenor Holger Off. „Witz, Humor, Melancholie und Freude, alles steckt drin.“ Dann streicht er sich die große blonde Locke von der Stirn und lacht. „Wir sind voll beflügelt. Für uns ist Heymanns Instrument eine große Freude.“ Rund achthundert Mal trat Off bereits im Erfolgsstück seiner Gruppe auf, in dem sie die Geschichte ihrer Vorgänger erzählen. Titel: „Veronika, der Lenz ist da – Die Comedian Harmonists.“ Er spielt darin den einstigen Tenor Ari Leschnikoff. Aber nun trifft sich Holger Off gerade mit Heymanns Tochter Elisabeth zum Ortstermin im Schiller-Theater. Sie will das Lieblingsinstrument ihres Vaters übergeben und an vieles erinnern, bevor der Flügel erstmals vor großem Publikum seine neue Karriere beginnt.

Der Komponist mit seiner 26 Jahre jüngeren Frau, der Schauspielerin Elisabeth Millberg, mit Tochter Elisabeth und Pudel Bessy.
Der Komponist mit seiner 26 Jahre jüngeren Frau, der Schauspielerin Elisabeth Millberg, mit Tochter Elisabeth und Pudel Bessy.

© privat

1905 wurde das Instrument bei C.Bechstein in Berlin gebaut, doch bis 1952 liegt seine Vergangenheit im Dunkeln. In diesem Jahr erwarb ihn Werner Richard Heymann und spielte und komponierte auf seinem Bechstein-Flügel im Musikzimmer seiner Wohnung in München-Schwabing leidenschaftlich Chansons, beispielsweise für den Film „Alraune“ mit dem Hildegard Knefs Chansonkarriere begann oder für das Bühnenstück „Der Blaue Engel“ zu Heinrich Manns „Professor Unrat“. Neun Jahre blieben ihm noch, bis er 1961 im 66. Lebensjahr starb.

[Adventssingen der Berlin Comedian Harmonists am 15. Dezember, 15 Uhr, in der Komödie am Kurfürstendamm im Schiller-Theater, Charlottenburg, Bismarckstraße 110, Kartentelefon: 885 911-0, www.komoedie-berlin.de]

„Sie kennen mich nicht, aber sie haben schon viel von mir gehört“ war ein Satz, mit dem er sich gerne vorstellte. Denn bereits vor 1952 hatte er die Kabarett- Szene und Tonfilm-Branche jahrzehntelang mit seinen populären Melodien bereichert. Ab 1918 schrieb Heymann Chansons für die Berliner Kabaretts „Schall und Rauch“ und „Wilde Bühne“. Von 1929 bis 1933 komponierte er elf Tonfilmoperetten, darunter „Die Drei von der Tankstelle“.

Nach Hitlers Machtergreifung floh er wegen seiner jüdischen Herkunft über Paris in die USA, dort komponierte Werner Richard Heymann in Hollywood die Musik zu über 50 Filmen. 1951 kehrte er aus dem Exil zurück.

Elisabeth wurde geboren, "ein himmlisches Menschenkind"

Damals entdeckte er in Dinkelsbühl im Gästebuch eines Hotels den Eintrag von Julius Streicher, Chef des antisemitischen NS-Hetzblattes „Der Stürmer“: „Wer mit dem Juden kämpft, ringt mit dem Teufel.“ Er kommentierte darunter: „Den gab’s nur einmal, der kommt nicht wieder, doch tausend Streicher spielen noch meine Lieder.“ Kurz nach der Rückkehr verliebte er sich in die Schauspielerin Elisabeth Millberg. Das Paar heiratete, im November 1952 wurde seine Tochter Elisabeth geboren, ein „himmlisches Mädchenkind“ wie Heymann in seiner Autobiografie schreibt.

Der Flügel gehörte zu ihrer Kindheit wie ein guter Freund

Wenn er in den Fünfzigern am Flügel arbeitete, waren dies für seine Tochter „die glücklichsten Stunden“ ihrer Kindheit. Elisabeth hockte unterm Tisch mit ihren Kuscheltieren und Königspudel Bessy. Nur der Teddy musste im Kinderzimmer bleiben wegen seines „Brumm“. Das Mädchen lauschte den väterlichen Melodien, sie waren ihr „Eingangstor in die Welt der Klänge, Lieder, Noten und Texte“. Heymann bezog die Tochter zärtlich in den Grundakkord seines Wesens ein. „Zwischendurch hat er für mich überraschend Kinderlieder gespielt.“

Nun umrundet Elisabeth Trautwein- Heymann im Schiller-Theater den Flügel. Alles noch dran? „Ja, hier, der drehbare Knauf an der Seite. Der war mein Lenkrad.“ Sie bückt sich. Oh, Staub auf den Füßen. „Ich hab sie damals liebevoll mit dem weichsten Tuch immer wieder abgewischt.“

Große Liebe. Töchterchen Elisabeth mit ihrem Vater.
Große Liebe. Töchterchen Elisabeth mit ihrem Vater.

© privat

Bekannte Künstler gaben sich einst bei den Heymanns die Klinke in die Hand. Man tauschte sich aus, probte, komponierte, arrangierte neue Filme und Theaterstücke. Elisabeth beobachtete unterdessen alle hinter der herabhängenden Tischdecke: den Dichter Robert Gilbert, die Komponisten und Kabarettisten Friedrich Hollaender, Mischa Spoliansky, Erich Wolfgang Korngold, die Pianisten Jakob Gimpel und Eugen Cicero, Regisseur George Tabori, den Wiener Texter und Komponisten Georg Kreisler oder Franz Waxmann, US-Filmkomponist und Dirigent. Sie liebte es, wenn die tiefen Stimmen der Chansonnièren Trude Hesterberg oder Kate Kühl durchs Zimmer dröhnten. Mit seiner Klavierbegleitung trug ihr Vater die Interpreten, er atmete und fühlte mit ihnen. „Es war aufregend, berührend, bewegend, meine Seele hat getanzt“, erinnert sich Elisabeth Trautwein-Heymann.

Spontan bot ihnen Elisabeth-Trautwein Heymann das Instrument an

In den Sechzigerjahren zog ihre Mutter mitsamt Flügel nach Salzburg. Nachdem sie gestorben war, bekam das gewichtige Stück ein vorübergehendes Quartier bei Freunden in Mainz. In Elisabeth Trautwein-Heymanns Charlottenburger Wohnung fehlte der Platz. Doch beim Abschiedskonzert der Berlin Comedian Harmonists 2018 von der alten Komödie am Kurfürstendamm kam ihr die Idee, ihnen den Flügel zu überlassen. Damals sammelten die Sänger gerade Spenden für ein solches Instrument, weil ihre Heimatbühne, eben die Komödie am Kurfürstendamm, kein eigenes Klavier besitzt. Spontan bot sie ihnen an: „Ihr singt so viel von meinem Vater. Sein Flügel ist bei Euch doch in besten Händen.“

Goldgelb glänzen die neu aufgezogenen Seiten

Die Sechs griffen zu und ließen ihr Präsent in der Klavierwerkstatt Marcellus Jany in Prenzlauer Berg sanieren. „Nun ist sie wieder tip-top, diese wundervolle Mechanik“, freut sich Tenor Holger Off. Dafür haben die Spenden der Fans gerade so gereicht. Goldgelb glänzen die neu aufgezogenen Saiten, alle Hämmerchen wurden auf ihre Gewichtung überprüft, damit sie gleichmäßig anschlagen. Risse im Resonanzboden wurden geschlossen, Filze wurden erneuert, die Tasten beschliffen. Im Schiller-Theater sowie in der künftigen Komödie am Kurfürstendamm, deren neues Domizil gerade erst gebaut wird, soll der Flügel nun dauerhaft bleiben. Auch andere Künstler können ihn nutzen.

Elisabeth Trautwein-Heymann hat ihm einen Brief mitgegeben. „Ich wünsche Dir, lieber Flügel, dass es Dir dort gut geht“, schreibt sie. „Das erste Lied, das meine Finger auf dir spielten, war: Irgendwo auf der Welt!“ Mit acht Jahren hatte sie es sich selbst heimlich beigebracht und ihrem Vater mit einem Finger im Musikzimmer vorgespielt. „Als er es hörte, hat er mich mit Tränen in den Augen umarmt.“

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