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Wolfgang Gerhardt, Vorsitzender des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, spricht während eines Festaktes zum 60. Geburtstag der parteinahen politischen Stiftung.

© Foto: Gregor Fischer/p-a/dpa

Wolfgang Gerhardt: Der "schnarchende Löwe von Wiesbaden" tritt ab

Aus seiner hessischen Heimat kämpfte sich Wolfgang Gerhardt an die Parteispitze. Jetzt tritt der frühere FDP-Chef endgültig in den politischen Ruhestand. Ein Porträt.

Von Antje Sirleschtov

Einen Bauernhof hat Wolfgang Gerhardt mal seinen Traum genannt, mit all den Tieren drin, die dazugehören. „Ja, das wär doch was.“ Der Seufzer stammt aus dem Jahr 2000, Gerhardt war Vorsitzender der FDP und vielleicht ist es gerade dieser Traum vom Ruhigen, Beschaulichen, Beständigen, der den Unterschied zu all seinen Nachfolgern an der Spitze der Liberalen verdeutlicht.

Zu Guido Westerwelle etwa, aber auch zu Christian Lindner. Westerwelle vertrieb Gerhardt 2001 erst aus dem Amt des Parteichefs und später auch aus dem des Fraktionsvorsitzenden. Gerhardt war der FDP zu langweilig. Ein „Salon-Liberaler“ alter Schule war er. Dem Westerwellschen „Projekt 18“ einer Volkspartei FDP, Containerbesuch eingeschlossen, begegnete der stets um bürgerliche Zurückhaltung und Harmonie bedachte Gerhardt mit skeptischer Distanz. Und auch als Christian Lindner im letzten Herbst die Jamaika-Koalition platzen ließ, blieb Gerhardt seinem Ruf treu: Die Schuld schob er der Kanzlerin zu („Helmut Kohl wäre das nicht passiert.“), und nur, wer ihn kennt, las aus seinen Worten heraus, dass er die Art und Weise des Lindner-Abgangs wenig gelungen fand.

Zeit, von der Bühne zu treten

In diesem Jahr wird Wolfgang Gerhardt 75 und es scheint, dass er nun endgültig entschieden hat, dass es Zeit ist abzutreten von der Bühne. Aktive Politik, die hat er schon lange nicht mehr betrieben. Seit 2006 leitete er die Friedrich-Naumann-Stiftung. Einst hat Gerhardt in Hessen seine Karriere mit Bildungspolitik begonnen. In der Stiftung hat er daran angeknüpft. Den Liberalismus, den Gedanken der Freiheit, in die Welt hinauszutragen. Ankämpfen gegen die allgegenwärtigen Zeichen der Abschottung, Diskriminierung und Ausgrenzung. Trump, Orban, Erdogan: Keine besonders erquicklichen Zeiten für einen Liberalen. In dieser Woche übergibt Wolfgang Gerhardt das Amt an seinen Nachfolger.

Was bleibt, ist die Erinnerung an einen Liberalen, der in den sechziger Jahren in die FDP eintrat und sich dann aus Hessen, seiner Heimat, heraus bis an die Spitze der Partei hochkämpfte. Wobei es kämpfen vielleicht weniger trifft. Gerhardt verstand sich eher als Vermittler der unterschiedlichen Strömungen der FDP und wusste so gut wie kaum ein anderer seiner Zeit, wie man innerparteiliche Mehrheiten organisiert: still und ohne anzuecken. Jürgen W. Möllemann nannte ihn deswegen einst den „schnarchenden Löwen von Wiesbaden“.

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