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Auszug aus dem hohen Haus. Viele Volksvertreter nehmen nun Abschied vom Abgeordnetenhaus.

© T. Rückeis

Abschied vom Abgeordnetenhaus: Drei Leben für die Politik in Berlin

Mit der Legislaturperiode enden auch drei jahrzehntelange Politikerkarrieren. Karlheinz Nolte, Uwe Lehmann-Brauns und Claudia Hämmerling hören auf.

In der Routine ist die Politik manchmal ein Spiegel des Lebens. Das Gesetz der ewigen Abfolge von Abschied und Neubeginn herrscht auch hier. Besonders deutlich spürt man das am Ende einer Legislaturperiode. Wer dem nächsten Parlament angehören wird, weiß man noch nicht. Wer aber, weil er oder sie nicht mehr kandidiert, auf keinen Fall wieder dabei ist, steht fest. Drei von ihnen, von denen hier die Rede ist, waren besonders lange Abgeordnete. Der Sozialdemokrat Karlheinz Nolte zieht sich nach 25 Jahren zurück, der Christdemokrat Uwe Lehmann-Brauns sogar nach 34 Jahren, die Grüne Claudia Hämmerling scheidet nach 21 Jahren aus – und dann ist da noch eine Politikerin, die es nach 23 Jahren als MdA noch einmal wissen will: Carola Bluhm, Partei Die Linke.

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Einen großen Teil des Weges der jüngeren Geschichte Berlins ist Uwe Lehmann-Brauns, Jahrgang 1938, im Abgeordnetenhaus seit 1979, mitgegangen. Da war der Christdemokrat 41 Jahre alt, etablierter Rechtsanwalt und Notar nach Jurastudium und Promotion an der Freien Universität. Bis 2001 saß er ununterbrochen im Landesparlament, und dann noch einmal von 2004 bis 2016. In Steglitz-Zehlendorf lag sein Wahlbezirk, eine Gegend, in der die CDU mitgliederstark ist, aber nicht immer ein Herz und eine Seele. In so einem machtvollen Kreisverband möchte man gerne die Strippen ziehen, das gelang Lehmann-Brauns häufiger als anderen.

Ein Stück altes West-Berlin

In seinem wertkonservativen Denken und Handeln verkörperte er durchaus ein Mehrheitsgefühl der bürgerlichen CDU-Wählerschaft des Südwestens. Dass er für Heribert Sasses Schlossparktheater kämpfte, passt dazu genauso wie seine Sorge, nach der Wiedervereinigung der Stadt habe der Westen bei der Kulturförderung zu Gunsten des Ostens "herhalten" müssen. Empört hat ihn die Erkenntnis, in DDR-Zeiten von der Stasi offenbar ohne sein Wissen als „registrierte Kontaktperson“ abgeschöpft worden zu sein.

Uwe Lehmann-Brauns saß 34 Jahre im Abgeordnetenhaus.
Uwe Lehmann-Brauns saß 34 Jahre im Abgeordnetenhaus.

© D. Spiekermann-Klaas

Ins Bild des Charakters Uwe Lehmann-Brauns passt auch, dass er sich als Anwalt für ehemalige DDR-Bürgerrechtler wie Bärbel Bohley und Freya Klier zur Verfügung stellte. Wer zu seinem Ausscheiden sagt, nun ginge ein Stück des alten bürgerlichen West-Berlin, beleidigt ihn nicht, sondern trifft den Kern.

Union Berlin statt Parlament

Nicht das alte sozialdemokratische West-Berlin, sondern die wieder vereinigte Stadt hat hingegen Karlheinz Nolte verkörpert, Jahrgang 1949, Oberstudienrat für Chemie und Mathematik und, obwohl ein West-Gewächs, direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis 2, Treptow-Köpenick. Dort hat er politisch eine neue Heimat gefunden, direkt gewählt wird nur, wer die Tonalität der Menschen erfasst. Mit 20 war er in die SPD eingetreten, war erst Studienrat, dann Oberstudienrat an einer Gesamtschule und einem Gymnasium in Neukölln, danach Vorstandsmitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft und seit 1991 Abgeordneter.

Karlheinz Nolte absolvierte 25 Jahre im Parlament.
Karlheinz Nolte absolvierte 25 Jahre im Parlament.

© Promo

Haushalts- und Schulpolitik, das waren seine Spezialgebiete, zehn Jahre lang war er familienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und zuletzt als Vorsitzender des Arbeitskreises Haushalt und Finanzen zudem Mitglied im alles entscheidenden Hauptausschuss. Eines wird der Mann mit der Fliege mit Sicherheit auch nach dem Abschied aus dem Landesparlament machen: sich um Union Berlin kümmern, dort ist er nicht nur Mitglied, sondern auch im Aufsichtsrat.

Einsatz für die Tiere

Kaum eine Politikerin des Abgeordnetenhauses hat auf so vielen Ebenen gewirbelt wie Claudia Hämmerling, die engagierte Tierfreundin, die seit 1995 für die Grünen im Parlament sitzt. Geboren wurde sie 1954, nach dem Abitur 1973 studierte sie an der Humboldtuniversität Sport und Geografie und schloss mit dem Lehrerinnendiplom ab. Von 1977 bis 1986 war sie Lehrerin in Pankow, nach der Wende Mitarbeiterin im Umweltamt in diesem Bezirk, später Bezirksstadträtin und stellvertretende Bürgermeisterin für Berlin-Weißensee. 1997 bis 1999 leitete sie den Ausschuss für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie. Claudia Hämmerling ist eine Idealistin.

Claudia Hämmerling geht nach 21 Jahren.
Claudia Hämmerling geht nach 21 Jahren.

© T. Rückeis

Wenn es um Tierschutz geht, hat sie keine Scheu vor Königsthronen, was speziell der langjährige Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz zu spüren bekam. Den machte sie nicht nur als Schuldigen für den Giftsandberg im Tiergarten aus, sondern attackierte ihn immer wieder wegen seines empathiefreien Verhältnisses zu Tieren. Ihr Buch „Aufstand der Wildtiere“ vom Kampf des Schweines Maxi um sein Leben ist so handfest wie bezaubernd, ihre Proteste gegen Pelzträger und Tierversuche werden in Erinnerung bleiben, und wer weiß, was sie noch in ihrem Häuschen im Thüringer Wald ausheckt.

Eine Veteranin tritt wieder an

Nicht ans Aufhören nach 23 Jahren im Abgeordnetenhaus denkt die seit 1991 im Parlament präsente Carola Bluhm. Mit einer Unterbrechung von zwei Jahren während ihrer Senatorenzeit von 2009 bis 2011 war sie für die Linke im Parlament. Geboren 1962, hat sie eine typische DDR-Karriere gemacht: Nach dem Abitur „Facharbeiterin für Obstproduktion“, Gärtnerin also, dann Studium der Soziologie ab 1982. In dem Jahr trat sie auch in die SED ein. Nach dem Diplom war sie bis zur Wende wissenschaftliche Assistentin an der Hochschule für Ökonomie der DDR. Das Haushaltsgeschäft des Landes Berlin lernte sie von der Pike im Hauptausschuss kennen.

Als Senatorin hatte sie die schwierige Aufgabe, die Hartz-Reformen in Berlin umzusetzen. Dass ihr das gelang, ohne sich bei den eigenen Genossen unglaubwürdig zu machen, war eine bemerkenswerte Leistung. Wie groß hingegen die Ablehnung der Berliner Wirtschaft gegen sie als Senatorin gewesen ist, bekam sie beim IHK-Frühstück im Mai 2010 zu spüren, wo man sie im Rückblick geradezu stofflig behandelte. Unbeugsam sagte sie denn auch noch später, jede politische Entscheidung müsse unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit und Chancengleichheit beleuchtet werden.

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