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Die syrische Flüchtlingsfamilie muss wohl mit einem Abschiebeflug zurück nach Spanien.

© Patrick Seeger/dpa

Abschiebung aus Falkenberg: Syrische Flüchtlingsfamilie muss Brandenburg verlassen

Sie flohen aus Syrien, haben sich in Falkenberg vorbildlich integriert. Doch Familie Jawish muss gehen. Ein Versuch, die Familie nach Spanien zu bringen, ist gescheitert.

Von Sandra Dassler

Die Nacht zum Sonntag war für Frank Gebauer besonders kurz. Kurz vor drei Uhr hatte sich der Herzberger auf den Weg ins benachbarte Falkenberg gemacht. „Der einzige, der sich über den nächtlichen Ausflug gefreut hat, war mein Golden Retriever“, sagt er. Vor dem Haus der mit ihm befreundeten Flüchtlingsfamilie Jawish mussten Hund und Herrchen nicht lange warten.

Pünktlich um 3.15 Uhr fuhr ein VW-Bus mit zwei Mitarbeitern der Ausländerbehörde des Landkreises Elbe-Elster vor. „Die Familie hat mir die sogenannte Liegebescheinigung des Krankenhauses für Maldaa Amairi zugemailt, die habe ich den Beamten gezeigt“, sagt Gebauer. „Sie meinten, dass sich die Rückführung nach Spanien damit für diesen Tag erst einmal erledigt hat.“

Er habe noch ein wenig mit den Beamten geredet, sagt Gebauer: „Sie müssen sich ja an die gesetzlichen Vorgaben – in diesem Fall vom Verwaltungsgericht Cottbus und vom Bundesamt für Migration – halten, aber ich glaube, das Schicksal der Familie Jawish geht auch ihnen nahe.“

Joarmod Jawish war wie berichtet im Jahr 2015 mit seinen damals fünfjährigen Söhnen Taim und Adnan sowie seiner Frau Maldaa Amairi nach einer Verhaftung und anschließendem Gefängnisaufenthalt aus der syrischen Hauptstadt Damaskus geflohen. Er wollte nach Deutschland, weil ein Zweig der Familie seit vielen Jahren in Osnabrück lebt und Hilfe versprochen hatte.

Da die Flüchtlinge über Marokko, das Mittelmeer und Spanien einreiste, fielen sie unter das Dublin-Abkommen. Damit hatten sie die Chance, in Deutschland Asyl zu beantragen, verwirkt. Trotzdem wurden sie wegen der Traumatisierung der Kinder durch die wochenlange Flucht zunächst in Deutschland aufgenommen, allerdings nicht in Osnabrück, sondern im brandenburgischen Falkenberg.

Das Bamf lehnte den Antrag der Familie mehrfach ab

Dort integrierten sie sich vorbildlich, wie viele erzählen. Die Kinder wurden schnell heimisch, sie sprachen bald besser Deutsch als Arabisch, waren im Judo- und im Schachverein aktiv. Ihr Vater, der durch das in Syrien Erlebte bis heute unter psychischen Problemen leidet, war bei jedem Arbeitseinsatz an der Schule der Kinder dabei. Die Mutter, die in Syrien als Lehrerin arbeitete, half bei der Betreuung der Kleinsten in der 1. Klasse aus.

Trotzdem lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) mehrfach den Antrag der Familie ab, trotz der Einreise in Spanien in Deutschland Asyl beantragen zu dürfen. Das entsprechende Hauptsache-Verfahren läuft seit mehreren Jahren vor dem Verwaltungsgericht Cottbus.

Ein Eil-Verfahren, wonach die Familie bis zur endgültigen Entscheidung in Falkenberg bleiben darf, beschied das selbe Gericht im Jahr 2016 allerdings positiv. Doch dann wechselte dort der Richter, und der neue Kollege entschied jetzt, dass die Familie nach Spanien abgeschoben werden soll: nach fast vier Jahren, ohne Urteil im Hauptsacheverfahren und ohne Möglichkeit eines Einspruchs.

Maldaa Amairi befindet sich noch auf der Intensivstation

Alle Bitten, Anfragen und Angebote von Menschen, die Familie Jawish unterstützen und schätzen, blieben in den vergangenen Tagen ungehört.

„Wir haben sogar schon über Kirchenasyl nachgedacht“, sagt Frank Gebauer. „Für mich war es ehrlich gesagt nicht verwunderlich, dass die Mutter am Wochenende zusammengebrochen ist.“

Nach Auskunft eines Verwandten befindet sich Maldaa Amairi noch auf der Intensivstation eines Krankenhauses in Osnabrück. „Die Ärzte wissen noch nicht genau, was die Ursachen für ihre Herzprobleme sind“, sagte er am Montag dem Tagesspiegel. Auch der Vater sei in psychiatrischer Behandlung.

Den Zwillingen Adnan und Taim gehe es hingegen gut. Sie sollen in der nächsten Woche in die 4. Klasse kommen, vermissen schon ihre Schul- und Trainingskameraden in den Sportvereinen. „Wir denken gerade über eine Unterschriftensammlung nach“, sagt Frank Gebauer. „Als Dublin-Fall dürfen sie sich ja nicht an die Härtefallkommission des Landes Brandenburg wenden. Vielleicht hilft ja eine Petition an den Bundestag.“

Sobald die Familie reisefähig, müssen sie wohl gehen

Der Integrationsbeauftragte des Landkreises Elbe-Elster, Jürgen Brückner, hat sich wie Gebauer und andere Familien an die Ausländerbehörde gewandt. „Die können aber nichts machen“, sagt er. „Das kann nur das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg.“ Dort wollte man sich am Montag aus Gründen des Personenschutzes nicht zu dem Fall äußern, verlangte zunächst eine Entbindung von der Schweigepflicht durch die Familie.

Allerdings werde der Landkreis von sich aus jetzt wohl keinen erneuten Versuch starten, die Jawishs nach Spanien abzuschieben, meinten sowohl ein Sprecher als auch der Integrations-Beauftragte. Der Osnabrücker Anwalt der Familie sieht das skeptisch. „Der Beschluss, dass sie nach Spanien müssen, fiel am 20. Juni 2019“, sagt er. „Es gilt eine Überstellungspflicht von sechs Monaten.“ Sobald die Familie reisefähig sei, müsse die Ausländerbehörde die Ausreise durchsetzen.

Es sei denn, das Bundesamt habe endlich ein Einsehen und entscheide nicht alleine aufgrund von Paragrafen und der längst auch von führenden Politikern in Frage gestellten Dublin-Gesetzgebung.

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