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Die Familie Jawish aus Damaskus soll nach Spanien rückgeführt werden (Symbolbild).

© Daniel Karmann/dpa

Abschiebung aus Brandenburg: Syrische Flüchtlingsfamilie soll nach vier Jahren zurück nach Spanien

Die vierköpfige Familie ist gut integriert, Anträge, vorerst bleiben zu dürfen, wurden positiv beschieden. Doch dann kam ein neuer Richter.

Von Sandra Dassler

„Wir haben die vergangenen zwei Wochen um die Familie gekämpft“, sagt Frank Gebauer: „Aber jetzt wissen wir nicht mehr weiter. Wir können nur heute Nacht zur Wohnung gehen, um das Schlimmste zu verhindern.“

Am Montag um 3.15 Uhr, so lautet der Bescheid der Ausländerbehörde des Elbe-Elster-Kreises, soll sich die vierköpfige Familie Jawish in ihrer Wohnung in Falkenberg (Elster) zur Abschiebung, oder besser gesagt: zur Rückführung nach Spanien bereithalten: Mutter Maldaa Amairi,  Vater Joarmod und die neunjährigen Zwillinge Taim und Adnan, die Gebauer so ans Herz gewachsen sind.

„Ich habe die beiden Jungen kennengelernt, weil sie gerne meinen Hund streicheln wollten, sich das ohne meine Erlaubnis aber nicht trauten“, erzählt er. „Daraus wurde eine richtig tolle Freundschaft. Die Familie ist seit vier Jahren in Deutschland und außergewöhnlich gut integriert. Die Jungen sind im Schach-Verein Falkenberg und im Judoverein im benachbarten Uebigau aktiv. Sie sprechen wunderbar Deutsch. Es kann doch nicht wahr sein, dass sie nach so langer Zeit in ein für sie so fremdes Land gezwungen werden sollen.“

Auch Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg spricht von einem unglaublichen Härtefall: „Normalerweise sollen die sogenannten Dublin-Verfahren, wonach Flüchtlinge nur in dem Land Asyl beantragen dürfen, wo sie das erste Mal europäischen Boden betreten, innerhalb von sechs Monaten durchgeführt werden. Und nicht nach fast vier Jahren, wenn die Menschen hier längst angekommen sind.“

Familie war zuerst in Spanien angekommen

2015 hatte die Familie Jawish ihre Heimatstadt Damaskus verlassen, nachdem der Vater zusammengeschlagen und ins Gefängnis gebracht worden war. Als er nach vier Wochen völlig ausgehungert wieder freikam, machte er sich mit seiner Frau und den damals fünfjährigen Zwillingen auf den Weg. Sie wollten nach Deutschland, weil ein Teil der Familie seit vielen Jahren in Osnabrück lebt und ihnen Hilfe anbot.

Über Marokko gelangten sie mit dem Schiff nach Spanien und fielen damit unter das Dublin-Abkommen. Zwar wurden sie aufgrund der Traumatisierung des Vaters durch das Gefängnis und der Kinder durch die Flucht zunächst in Deutschland aufgenommen, kamen aber nicht nach Osnabrück, sondern ins brandenburgische Falkenberg.

Doch sie nahmen die Situation an, besuchten Deutsch-Kurse, fanden Freunde. Ihre damalige Anwältin beantragte, dass sie wegen der besonderen Familiensituation doch ein Asylverfahren in Deutschland führen konnte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) lehnte das ab,  seither läuft das Hauptsache-Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Cottbus. Ein Eil-Verfahren, wonach die Familie bis zur endgültigen Entscheidung des Gerichts in Falkenberg bleiben darf, beschied das Gericht im Jahr 2016 positiv.

Spanien ist für sie ein fremdes Land

Weil auch die Integration der Familie so positiv lief, beantragte die Anwältin immer mal wieder, dass das Bamf von sich aus einem Asylverfahren in Deutschland zustimmte – vergeblich.

Inzwischen wechselte im Verwaltungsgericht Cottbus der Richter. Der neue Kollege sah den Fall offenbar völlig anders als sein Vorgänger und entschied vor kurzem, also drei Jahre später, dass die Familie trotz des noch laufenden Hauptsache-Verfahrens nach Spanien „zurückkehren“ muss. „Dabei kennen sie das Land überhaupt nicht“, sagt ein Verwandter in Osnabrück: „Die Jungen sprechen ja nicht einmal mehr Arabisch, geschweige denn Spanisch, sondern nur Deutsch.“

Dass ein Gericht so einen Beschluss fasst, anstatt das Hauptsache-Verfahren zu entscheiden, ist sehr ungewöhnlich, heißt es aus Juristenkreisen. Zumal im Eilverfahren kein Widerspruch möglich ist. Auch die Härtefall-Kommission des Landes kann nichts tun, weil sie für Dublin-Verfahren nicht zuständig ist.

„Die Leidtragenden sind die Kinder“, sagt Frank Gebauer. In einer Woche sollten Taim und Adnan in die 4. Klasse der Astrid-Lindgren-Grundschule in Falkenberg kommen. Die Schulleiterin habe sich schockiert über die Nachricht von der bevorstehenden Abschiebung gezeigt. Sie verliert zudem eine große Unterstützung, denn Mutter Maldaa, die in Syrien Lehrerin war, hat vier Tage in der Woche ehrenamtlich in der ersten Klasse geholfen. Am gestrigen Sonntag ist sie allerdings zusammengebrochen. Wahrscheinlich sei es das Herz, hieß es im Krankenhaus. Oder die Nerven.

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