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Historische Sprengung. Die letzten Sekunden des Sendemasts.

© Jörg Carstensen, dpa

Update

Abriss nach 54 Jahren: Rias-Sendemast in Berlin-Britz gesprengt

Für viele war er ein Orientierungspunkt, früher einmal die wichtigste Verbindung zur Außenwelt: Nun ist der alte Rias-Sendemast im Süden Berlins gesprengt worden. Zum Abschied kamen ehemalige Hörer.

Es war Punkt 14 Uhr, als der Rias-Sendemast sein letztes akustisches Signal aussendete: Ein lautes Rumms. Und 161 Meter Stahl knickten zusammen wie ein Streichholz. Dann ruhte der einst so gesprächige Mast für immer schweigend zwischen Disteln und Brennnesseln, gleich neben der Schrebergartenkolonie. Vom einstigen Wahrzeichen, das seit 1961 Berlins Skyline mitgeprägt hatte, bleiben nur mehr 55 Tonnen Schrott. Drei mal vier daumendicke Stahlseile hatten den Mast gehalten, eine dieser Viererreihen hatte die beauftragte Firma TVF Altwert gesprengt. Der Mast knickte dadurch ein und fiel zur Seite, „wie ein dreibeiniger Hocker“, dem eines seiner Beine weggebrochen ist – daran erinnerte es den 62-jährigen Bodo Plogas, ehemals stellvertretender Stationsleiter in Britz. Er wirkte erleichtert, dass alles so glatt lief, aber auch ein wenig wehmütig: „Sieht karg aus, da wurde ein Stück Rundfunkgeschichte abgebaut, die Ära Rias ist damit beendet.“ In den kommenden Tagen wird der Mast zerlegt und abtransportiert, danach werden Teile des Kupfererdnetzes ausgegraben und ebenfalls entsorgt.

„Das war die einzige Verbindung zur Welt“

Ein wenig Wehmut war wohl auch bei den Zaungästen der Sprengung mit im Spiel, die das Ereignis in gebührender Entfernung verfolgten und teilweise sogar filmten – wie der 63-Jährige Eberhard Köppe und sein drei Jahre älterer Freund Michael Sobotta, die ihre Stative am Koppelweg aufgebaut hatten. „Als Fan des Rias muss man da einfach dabei sein“, sagt Köppe, der aus Brandenburg angereist war und den Sender seit den sechziger Jahren regelmäßig gehört hatte. Besonders hatten ihm die Sendungen „Damals war’s“, „Schlager der Woche“ und „Kutte kennt sich aus“ gefallen.

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Rose und Ulrich Herrmann dagegen, beide 65, wohnen in Sichtweite des nun gefallenen Turms. Der Rias, das waren für sie vor allem die Sendungen der Kabaretttruppe „Die Insulaner“, in denen mit Vorliebe die DDR auf die Schippe genommen und die Idee der Wiedervereinigung lebendig gehalten wurde, obwohl sie damals nicht in Sicht war. Beide hatten den Sender seit Kinderzeiten in den fünfziger und sechziger Jahren gehört. „Außer Rias und SFB gab’s ja damals nichts anderes.“ Besonders bei Gewitter hat sie der Mast begeistert. „Da sind immer Blitze eingeschlagen, das war ein Spektakel.“ Das Grundstück drumherum sei von drei Bauern bewirtschaftet worden, die dort Stroh und Heu ernteten – da bekam der junge Uli immer Heu für sein Meerschweinchen.

Solche persönliche Erinnerungen waren auch mit dem jetzt gefallenen Mast verbunden, dessen Verlust manchen schmerzt. „Der Mast war unsere einzige Verbindung zur Welt, wir waren abhängig davon“, klagte die 73-jährige Westberlinerin Brigitte Hartmann. „Es war ein Stück Stadtgeschichte, das uns genommen wird. Als Kinder haben wir immer vor dem Radio gehangen.“

Die Strahlung brachte Lampen zum Leuchten

Auch Hans Brand, 71, der zwei Kilometer entfernt zur Schule ging, erinnert sich an eine sehr spezielle Anekdote: Sein Physiklehrer hatte mit der elektrischen Strahlung des Sendemastes im Unterricht Spulen aufgeladen und damit Glühlampen zum Leuchten gebracht. „Die Strahlung war so stark, dass man sogar Radio aus den Herdplatten hören konnte.“ Ein Spezialeffekt des Senders, von dem auch Willi Steul, Intendant des Deutschlandradios, zu berichten wusste, als im September 2013 der Mittelwellensender Britz, noch immer genutzt von Deutschlandradio Kultur, und damit der gesamte Standort abgeschaltet wurde. Damit erlosch auch die Funktion des am Samstag gesprengten Masts. Dessen Ende wird mit den Kosten für Instandhaltung und Sicherung begründet, die man sich sparen wollte. Und selbstverständlich lässt sich das Areal auch besser verkaufen, wenn dort nicht noch solch ein eiserner Riesenstengel nutzlos herumsteht. Bis Ende des Jahres wird das Hauptgebäude aber noch für Veranstaltungen und Hörspielproduktionen genutzt. Begonnen hatte der Britzer Sendebetrieb des Rias, des „Radios im amerikanischen Sektor“, am 4. September 1946. Der Sender wurde in den neunziger Jahren teils privatisiert, teils ins Deutschlandradio überführt. Sein Mittelwellensender war der leistungsstärkste Europas gewesen, das musste er schon wegen der Ost-Berliner Störsender sein. Ein ebenfalls erledigtes Kapitel Rundfunkgeschichte.

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