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Plenarsaal des Berliner Abgeordnetenhauses.

© Sonja Wurtscheid/dpa

Abgeordnetenhaus zum Frauentag: Berlin will Gewalt gegen Frauen mit neuem Aktionsplan eindämmen

In einer Aktuellen Stunde fordert Rot-Rot-Grün, besser gegen Gewalt gegen Frauen vorzugehen. Die Opposition spricht von „überheblicher Symbolpolitik“.

Von Ronja Ringelstein

Am Sonntag ist der Internationale Frauentag – ein Tag, der seit dem vergangenen Jahr in Berlin ein Feiertag ist, auch wenn er dieses Jahr auf einen Sonntag fällt. Die Koalitionsfraktion SPD, Linke und Grüne hatten für die Aktuelle Stunde im Berliner Abgeordnetenhaus anlässlich des Tages das Thema. "8. März: Berlin braucht einen Aktionsplan gegen Gewalt gegen Frauen" angemeldet. Maren Jasper-Winter, frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, hatte das Vorgehen der Koalition bereits vor der Debatte gegenüber dem Tagesspiegel als "wahnsinnig überhebliche Symbolpolitik" kritisiert.

"Da fällt der Koalition plötzlich ein 'hups, wir müssen mal was zum Frauentag machen' und dann fordern die Regierungsparteien sich selbst auf, einen Aktionsplan zu machen, den sie selbst nicht vorweisen können", sagte Jasper-Winter.

Derya Caglar, frauenpolitische Sprecherin der SPD, kündigte als erste Rednerin der Debatte an, dass mit dem neuen Aktionsplan die seit 2018 in Deutschland geltende „Istanbul-Konvention“ noch besser umgesetzt werden solle. Hierfür will der Senat ein ressortübergreifendes Gremium einberufen, das den Aktionsplan ausarbeiten wird. Das Berliner Hilfesystem soll so weiterentwickelt werden.

Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtlich bindendes Instrument, das unter anderem die Ziele verfolgt, Betroffene vor Gewalt zu schützen, einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu leisten und mit politischen und sonstigen Maßnahmen den Rahmen für die Gewährleistung von Schutz und Unterstützung der Betroffenen sowie der Strafverfolgung der Täter zu schaffen.

Caglar betonte aber auch, dass die rot-rot-grüne Koalition mit dem im Dezember verabschiedeten Doppelhaushalt 2020/2021 bereits einige Maßnahmen zum Schutze der Frauen gesichert habe. „Um Opfern Hilfe anzubieten, wurden niedrigschwellige Hilfsangebote eingerichtet“, sagte Caglar.

Grüne: Aktionsplan von 2002 muss dringend überarbeitet werden

Berlin hat seit 2002 einen entsprechenden Aktionsplan, Anja Kofbinger, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, sagte, der müsse nun dringend überarbeitet werden. Und Ines Schmidt (Linke) führte aus, den neuen Aktionsplan solle die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung umsetzen und an die Voraussetzungen der Istanbul-Konvention anpassen. Beteiligt werden sollen auch die Justiz-, Innen-, Bildungsverwaltung. „Der Schutz von Frauen ist kein Alleinstellungsmerkmal einer Senatsverwaltung“, sagte Schmidt.

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Der Opposition reicht das nicht. „Rot-Rot-Grün schiebt Zuständigkeiten zwischen den Senatsverwaltungen her und macht nichts“, sagte Jasper-Winter von der FDP in der Debatte. Sie kritisierte, dass noch überhaupt kein Aktionsplan gegen digitale Gewalt vorliege. Dabei habe diese digitale Gewalt wie Cybermobbing und Cybersexismus erhebliche psychisch-somatische Auswirkungen.

CDU: In Frauenhäusern fehlen dutzende Plätze

Emine Demirbüken-Wegner (CDU) lobte die Istanbul-Konvention als Instrument, das auf Bundesebene bereits gut umgesetzt werde. „Doch für die CDU-Fraktion ist die Stärkung der ehrenamtlichen Vereine und der Frauenhäuser essenziell“, hier bliebe die Bilanz des Senats deutlich hinter den Erwartungen der CDU zurück. Die Umsetzung der Istanbul-Konvention hätte sich im Doppelhaushalt widerspiegeln müssen – das sei nicht der Fall. Momentan würden immer noch 60 Plätze in Frauenhäusern fehlen. „Wir appellieren an den Senat, die benötigten Plätze unter Hinzuziehung neuer Bevölkerungsprognosen endlich zu schaffen“, sagte Demirbüken-Wegner.

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Natürlich könne man noch mehr Schutzwohnungen bereitstellen und Finanzhilfen aufwenden, sagte die frauenpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion, Jeannette Auricht, „leider werden diese Maßnahmen nichts an den Ursachen der Gewalt gegen Frauen ändern.“ Jede neue Einrichtung sei doch eine Kapitulation vor den Tätern. Eine richtige Maßnahme wäre es Auricht zufolge, die Zuwanderung nach Deutschland stärker zu kontrollieren. „Wir haben auch ohne massenhafte Zuwanderung genug Gewalt im eigenen Land“, sagte Auricht.

Senatorin verteidigt Hilfe gegen Kritik der AfD

Es sei eine „Unverschämtheit“, diese Themen zu verknüpfen, entgegnete Jasper-Winter in einer Gegenrede zur AfD. Und auch die Senatorin für Gleichstellung, Dilek Kalayci, die in der Debatte das letzte Wort hatte, zeigte sich von der AfD empört: „Wer meint, durch Beschränkung der Einwanderung das Thema Gewalt gegen Frauen beheben zu können, lebt in einer komplett anderen Welt, nicht in unserer Gesellschaft“, das sei Realitätsverweigerung von der AfD.

„Das Thema ist universell und auch für Deutschland hoch aktuell. Die Zahlen der Todesfälle und der Fälle von häuslicher Gewalt in Deutschland sind sehr bedrückend und zwar auch in Berlin“, sagte Kalyci. Das Hilfesystem von Berlin könne sich aber „wirklich sehen lassen“. Hier sei 1967 das erste Frauenhaus entstanden. Inzwischen seien viele neue Einrichtungen und Hilfen geschaffen worden. „Berlin ist im Vergleich, wo andere erst anfangen, schon sehr, sehr weit, aber es sei gut mit der Istanbul-Konvention zu schauen: Wo haben wir noch Lücken?“ Genau da befinde man sich gerade und sie kündigte an: „Noch in diesem Jahr werden wir das siebte Frauenhaus eröffnen“.

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