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Der verschnupfte Regierende.

© dpa

Abgeordnetenhaus nach TXL-Entscheid: So heftig war schon lange keine Debatte mehr

Generalabrechnung der Opposition mit dem Senat und dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD). Der sagt: "Um mich geht's nicht."

Von Sabine Beikler

Lange gab es keine so emotional und mit vielen Zwischenrufen begleitete Debatte im Abgeordnetenhaus mehr wie am Donnerstag im Parlament:  die Generalabrechnung der Opposition mit dem Senat und dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) nach dem Volksentscheid am Sonntag. 

Fraktionschef Florian Graf begann die Aktuelle Stunde „Schlussfolgerungen aus dem Volksentscheid Tegel“ mit scharfen Worten. Das Ergebnis des Volksentscheids sei – an Müller gerichtet -  ein „maximaler Misstrauensbeweis für Sie persönlich“. Graf sagte, das sei ein Denkzettel für die bisherige Flughafenpolitik. „Es ist ihre verfassungsmäßige Verpflichtung, den Volksentscheid umzusetzen.“

Müller: "Um mich und um Rot-Rot-Grün geht es nicht"

Müller ging in seiner Rede nicht auf die Unruhe in der Koalition ein und nicht auf die verbalen Angriffe der Opposition gegen ihn als Regierungschef. „Um Rot-Rot-Grün und auch nicht um mich selbst geht es, sondern um verantwortungsvolles Handeln“, sagte Müller, der nach den sechs Fraktionsvorsitzenden als Senatsmitglied sprach. Der Regierende  schlug eine externe Kommission unter Leitung einer zu benennenden Person vor, die dem Senat und dem Abgeordnetenhaus „offen und transparent“ Bericht erstatten sollte.

CDU-Fraktionschef Graf attackierte Müller, er würde auf den Wählerwillen „pfeifen. Sie versuchen, den Wählerwillen auszusitzen“. Das zeuge von einem „gewissen Maß an Realitätsverlust“. So etwas beschleunige den Abstieg der sozialdemokratischen Partei in Berlin. Von dem „Kitt“, den die SPD als Anspruch hatte, die Stadt zusammenzuführen, sei nichts zu spüren.

CDU: "SPD wie selbstzufriedener Mehltau über der Stadt"

Die  SPD liege  „wie selbstzufriedener Mehltau“ über der Stadt. Graf betonte, der Senat müsse jetzt umgehend mehrere Punkte umsetzen und zum Beispiel andere Flächen für Wohnungsbau zu suchen. „Geben Sie Ihre Verweigerungshaltung auf“, sagte Graf. Und an die Adresse von Müller gewandt: „Sollte ihnen dazu die Kraft fehlen, dann geben Sie bitte Ihr Amt heute oder morgen auf.“

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Müller könne die Stadt nicht führen, es fehle ihm eine verbindenden Idee. „Sie sind ein Regierungschef auf Abruf.“  Rot-Rot-Grün würde nur für „Klientelpolitik“ stehen.  Die Bürger hätten dem Senat einen Denkzettel verpasst. „Aber nun sollte man auch mal darüber nachdenken und eine ehrliche Fehleranalyse machen.“ Das Hauptproblem des Senats „sind Sie. Sie zeigen keine Führungskompetenz“, sagte Graf zu Müller.

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Der SPD-Fraktionschef Raed Saleh konterte scharf, für welchen Teil der CDU Florian Graf gerade gesprochen habe. „Sie haben ihre Spielchen gespielt und das Thema heute missbraucht.“ Das Ergebnis von Sonntag sei für ihn eindeutig: 56,1 Prozent hätten dafür gestimmt. „Das sind Fakten, die müssen wir akzeptieren.“

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Der Senat werde Gespräche mit Brandenburg und dem Bund führen. Die Position der beiden Gesellschafter allerdings habe sich „um keinen Millimeter verschoben“. Die Position der Opposition zur Tegelfrage habe „bewusst zur Spaltung der Stadt beigetragen“. Die FDP zum Beispiel nutze allein den Volksentscheid, um sich zu profilieren. Und der CDU sei die Position vieler anderer Wähler, die unter dem Fluglärm leiden,  „scheißegal“. Die Koalition werde auch die Minderheitenposition ernst nehmen. Die Berliner erwarteten jetzt, dass „wir liefern, und wir werden liefern“.

 AfD: "TXL-Fans an unserer Seite" - Gelächter

Der AfD-Fraktionschef Georg Pazderski sprach nach Saleh. Der Senat sei schon vor dem Entscheid „den Autohassern mit offenen Armen entgegengeeilt“. Das Ergebnis vom Sonntag sei eine „harte Klatsche“ für den Senat. Unter Gelächter des Plenums sagte Padzerski, dass eine Million Berliner „in Sachen Tegel eindeutig an der Seite der AfD“ stünden. Die „Linksaußen-Kräfte“ im Senat dagegen dominierten mit „Gender-Gaga und sozialistischen Hirngespinsten“. Pazderski wandte sich an Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), der ab 12 Uhr auf der Agrarministerkonferenz erwartet wird. Der Senat mache das „Topthema Schweinemast“ zur Priorität, obwohl es in Berlin diese gar nicht gebe. Pazderski forderte Müller auf, von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen. Gemeinsam sollte man in einem Sonderausschuss über die Zukunft des Luftverkehrs diskutieren.

Eine Million Bürger hatten sich „klar für etwas ausgesprochen“, begann FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja seine Rede. „Sie haben jetzt die Chance sich zu bewähren“, sagte Czaja an Müller gewandt, „und dieses Votum umzusetzen“. Den Volksentscheid könne man nicht einfach übergehen. Statt Respekt und Nachdruck erlebe man jetzt „ihren Trotz“. Die Rechtslage habe sich zwar nicht geändert, aber der politische Auftrag sei jetzt ein anderer. Czaja kritisierte, dass Müller keine Regierungserklärung abgeben werde beziehungsweise zu dem Thema abgegeben habe. Er forderte von Müller, auf Brandenburg zuzugehen und eine neue Landesentwicklungsplanung auf den Weg zu bringen. „Damit können Sie, Herr Müller, beweisen, dass Sie Herr des Verfahrens sind.“

Jamaika hätte in Berlin keine Mehrheit

Er goss sich erst ein Glas Wasser ein, bevor Fraktionschef Udo Wolf (Linke) mit ruhigen Worten seine Rede mit einem Schwenk auf den Wahlausgang am Sonntag begann. Trotz des rechten Schwenks sei Berlin immer noch politisch anders aufgestellt. Jamaika käme in Berlin auf 44,2 Prozent in Berlin und somit nicht auf eine Mehrheit. Die CDU habe auch wegen ihres „Wendehals-Wahlkampfes“ enorme Wählerstimmen eingebüßt. Bei aller Kritik an Rot-Rot-Grün würden die Wähler weiterhin zu Rot-Rot-Grün stehen. Die Koalition nehme aber den Volksentscheid „sehr, sehr ernst“. Schon die Bundeskanzlerin Angela Merkel habe auf die Rechtslage hingewiesen. Daran habe sich nichts geändert. Der Senat werde trotzdem zügig das Gespräch mit den beiden Gesellschaftern suchen.

Grüne: "Das ist doch eine Phantom-Diskussion"

Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek nannte die Tegel-Debatte eine reine „Phantom-Diskussion“. Schon allein, weil es am letzten Sonntag faktisch nichts zu entscheiden gegeben habe. Und es gebe nun auch viele andere Probleme in der Stadt, die es anzupacken gebe.

Der dringliche Antrag von FDP und CDU sei eine „Frechheit“ vier Tage nach dem Volksentscheid. Das sei ein „Wunschkatalog“. Der Antrag beinhaltet sieben Punkte – von der Änderung der Gemeinsamen Landesplanung mit Brandenburg, Lärmschutzmaßnahmen bis hin zur besseren Verkehrsanbindung an BER und einem neuen Flughafenkonzept. Aufgrund der juristischen Risiken würden sich viele Jahre ohne Planungssicherheit ergeben.

Müller will sachliche Debatte

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller sagte, es gehe hier nicht „um Sieg oder Niederlage“, aber eine Richtung sei nun vorgegeben. Aber, auch das wolle er sagen: „Ich finde diese Entscheidung nach wie vor nicht richtig.“ Müller nannte unter anderem die vom Lärm Betroffenen. Fast eine Dreiviertel Million Berliner wollen die Schließung von Tegel. „Die mögen Ihnen egal sein, Herr Czaja. Mir nicht.“ Müller verzichtete in seiner Rede auf jede Art von Polemik und sprach staatsmännisch über das Zusammenspiel von repräsentativer und direkter Demokratie, mit der „wir verantwortungsvoll umgehen müssen“. Nur die „Feinde der Demokratie“ seien am Sonntag mit über zwölf Prozent in den Bundestag eingezogen – eine klare Position gegen die AfD.

Die Opposition sei ebenfalls jetzt in der Pflicht,  konstruktiv mizuarbeiten. Man brauche eine Risikoabschätzung. „Der Weg ist folgenreich. Es geht um drei Gesellschafter, die alle Verantwortung tragen für Planung und Finanzierung von Tegel.“ Die Fragestellungen seien kompliziert – vom EU-Beihilferecht bis hin zum Lärmschutz. 

Müller forderte zur Versachlichung der Debatte auf und nannte als Beispiel die Diskussionen um „Stuttgart21“. Erst durch einen Schlichter konnten die beiden Seiten wieder aufeinanderzugehen. Er schlug mehrere Schritte vor: Information der Anteilseigner durch ein Schreiben, das er bereits abgeschickt habe. Er fordert eine gemeinsame Kabinettssitzung. Der Senat wird sich außerdem mit den finanziellen Kosten auseinandersetzen. „Das Parlament muss über den Haushalt beraten.“ Denn: Der Lärmschutz greift ab Ende 2019. Nur der Landesplanungsvertrag könne gekündigt werden – mit einem Vorlauf von drei Jahren.

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