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Na, seid Ihr auch alle dafür? Silke Gebel (Bündnis 90/Die Grünen, l.), Raed Saleh (SPD), Burkard Dregger (CDU), Antje Kapek (Bündnis 90/Die Grünen) und Sebastian Czaja (FDP) dürften sich in Sachen Parlamentsreform einig sein.

© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild

Abgeordnetenhaus debattiert: Alle einig - außer der AfD

Berlins Parlamentarier haben künftig längere Sitzungen und bekommen sehr viel höhere Diäten. Die AfD nutzte die Debatte darüber um zu polarisieren.

Von Sabine Beikler

Die Diäten der 160 Abgeordneten in Berlin steigen ab dem 1. Januar von derzeit 3944 Euro auf 6250 Euro. Dafür müssen die Parlamentarier mehr arbeiten: Die Plenarsitzungen werden auf die Zeit zwischen 10 Uhr und 22 Uhr verlängert. Bisher enden sie um 19 Uhr. Und die Ausschusssitzungen werden statt bisher zwei künftig drei Stunden dauern. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Torsten Schneider, bekräftigte in der Debatte darüber im Abgeordnetenhaus die Notwendigkeit einer Parlamentsreform, da mehr als 1200 Vorgänge noch nicht bearbeitet worden seien. Es handelte sich um die erste Lesung, beschlossen ist die Reform noch nicht.

Man habe die Kontrolldichte des Parlaments nicht verändern wollen, sagte Schneider. Er erinnerte an den 24. März 1933, als das Ermächtigungsgesetz die „vollständige Aushebung“ parlamentarischer Rechte nach sich zog. Deshalb seien die fünf Fraktionen SPD, CDU, Linke, Grüne und FDP zur Erkenntnis gekommen, die Arbeit auszuweiten und die Kontrollrechte nicht zu verkürzen. Deshalb werde es längere Sitzungen geben. 29 000 Einwohner würden rechnerisch von einem Parlamentarier vertreten.

Der AfD-Abgeordnete Martin Trefzer sagte in einer Zwischenbemerkung, er halte es für ein „schäbiges Stück, was Sie aufführen“, die Zerstörung der Weimarer Republik als Grundlage für die Diätenerhöhung zu nehmen. Die Berliner hätten genug von „Selbstbedienungsmentalität“. Schneider wandte sich dagegen: Er habe „mitnichten“ gesagt, dass man eine Diätenerhöhung mit 1933 begründen könne, antwortete Schneider.

Angemessen - oder nicht?

„Wir stärken mit diesem Antrag die Demokratie“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Heiko Melzer. Die Kontrolldichte werde ausgeweitet. Wenn jede dritte Initiative wegen Zeitdrucks nicht besprochen werden könne, müsse man handeln. An die AfD gerichtet sagte Melzer: „Sie wollen weniger statt mehr Kontrolle.“ Die AfD habe eine Halbierung des Parlaments beantragt. Das Abgeordnetenhaus bleibe ein Hauptzeitparlament. Dieser Begriff resultiert daraus, dass das bisherige Modell eines Teilzeitparlaments faktisch nicht mehr haltbar war, man sich aber auch nicht auf ein echtes Vollzeitparlament einigen konnte.

Der parlamentarische Geschäftsführer Steffen Zillich begründete die Parlamentsreform auch mit neuen Kontrollschwerpunkten. „Die Verabschiedung vom Teilzeitparlament ist Lebenswirklichkeit und die Stärkung parlamentarischer Kontrolle.“ Die neue Entschädigung bezeichnete Zillich als „angemessen“.

Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Frank-Christian Hansel, sagte: „Es ist schamlos, ein Eingriff in die Staatskasse.“ Die Parlamentsreform sei in den Hinterzimmern ausgehandelt worden. „Sie sind das Machtkartell der Alt-Parteien. Diesen Beweis haben Sie unwiederbringlich erbracht.“ 2021 werde das „R2G-Theater zerbrechen“. Der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier wollte eine Zwischenfrage stellen, die Hansel sinngemäß ablehnte. Dabei titulierte er Kohlmeier als „seinen Freund“.

Der AfD-Politiker imitiert Willy Brandt

Kohlmeier sagte in einer Zwischenintervention in Richtung AfD: „Sie sind bigott, Sie sind widerlich. Und Sie sind nicht mein Freund.“ Daraufhin ging Hansel erneut ans Rednerpult, versuchte Willy Brandt zu imitieren und sagte mit Brandts nasaler Tonart zu Kohlmeier: „Dafür schäme ich mich, Genosse.“ Die Vize-Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Cornelia Seibeld (CDU), rief Hansel deutlich zur Mäßigung auf. „Mir reicht es jetzt“, sagte Seibeld. Hansel habe das Parlament zu achten – dessen eingedenk, dass aus der AfD-Fraktion viele nonverbale Missbilligungen kämen.

Daraufhin kam der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Daniel Wesener, wieder zur Sachpolitik zurück. „Wer als Abgeordneter einer Nebentätigkeit nachgeht, muss sich an neue Transparenzregeln halten.“ Das Parlament orientiere sich an dem Stufenmodell des Deutschen Bundestages. Die Erhöhung der Diäten gehe auch einher mit mehr Arbeit für die Parlamentarier. An Hansel gewandt: „Sie sitzen bei den Treffen der Parlamentarischen Geschäftsführer dabei. Und das sind keine Altparteien-Kartelle.“

Paul Fresdorf, der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, sagte, die Argumentation der AfD sei „Rattenfängerei“, wenn man so über parlamentarische Arbeit spreche. Die Abgeordneten müssten nicht nur länger arbeiten, sondern sich auch auf mehr Tagesordnungspunkte als bisher vorbereiten.

Hansel wandte sich in einer persönlichen Erklärung ans Parlament. Er habe für einen zusätzlichen Plenartag plädiert. Aber er hätte das gern mit einer Kommission noch einmal besprochen.

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