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Duygu Borisova, hier mit ihren Freundinnen, mag Camping. Bei den Expeditionen zum Duke Award ist sie genau richtig.

© privat

Abenteuer in Berlin und Brandenburg: Wie Prinz Philip noch posthum Jugendliche aus ihrer Komfortzone lockt

Der verstorbene Prinz war Mitinitiator des Duke of Edinburgh’s International Award Germany. Auch in Berlin und Brandenburg sollen Jugendliche inspiriert werden.

„Du kannst mehr, als du glaubst“, lautet das Motto einer Auszeichnung für Jugendliche, die sich weiterentwickeln wollen. Was sind das für Menschen, die sich angezogen fühlen vom Duke of Edinburgh’s International Award Germany? Antony Jonneck hatte immer eine soziale Ader, schon als Kind. Zuerst arbeitete er im Kulturhof Lübbenau mit, wurde später Familienpate, engagierte sich dann im Rahmen der europaweiten Partei und Bewegung „Volt“ für europäische Politik und machte schließlich auch beim Technischen Hilfswerk mit.

Der gelernte Maurer ist inzwischen staatlich geprüfter Bautechniker. Als er im Oberstufenzentrum Cottbus als Schülersprecher zum ersten Mal von dem Programm hörte, das der kürzlich verstorbene Prinz Philip mit Kurt Hahn, seinem Lehrer aus Schloss Salem, 1956 ins Leben gerufen hatte, war er sofort elektrisiert.

Die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, in Gemeinschaft mit anderen zu wachsen und Dinge auszuprobieren, die man gar nicht zu können glaubt, fand er faszinierend. „Außerdem helfe ich gern jüngeren Menschen“, sagt der 23-Jährige am Telefon. Gemeinsam mit den Lehrern wurde dann überlegt, wie man das Programm am besten umsetzt an der Schule, an der es Klassen für Zugewanderte gibt, außerdem eine gymnasiale Oberstufe, aber auch Technikerklassen. Die Idee, sich mit anderen auf unbekanntes Terrain zu begeben, reizte Jonneck.

Mit drei Schülern aus Berlin und einer Schülerin aus Karlsruhe ging es in diesem Sommer auf eine viertägige Expedition in den Schwarzwald. Details werden im Team geplant, auch online. „Was müssen wir an Verpflegung mitbringen, was können wir einkaufen, welche Route wählen wir?“ Zu den besonderen Herausforderungen zählte auch die Bereitschaft, für ein paar Tage aufs Handy zu verzichten, sich beispielsweise dem Kartenstudium ohne technische Hilfsmittel und Apps zu widmen.

Wanderer aus verschiedenen Kulturen

Antony Jonneck freute sich schon lange vorab auf „die bunte Mischung“ von Mitwanderern, die aus verschiedenen Kulturen kommen. Die Zelte werden teils an den jeweiligen Zielorten von der Stiftung gestellt, und müssen nicht immer von den Teilnehmern mitgeschleppt werden. Aber natürlich müssen die einander oft unbekannten jungen Leute sehen, wie sie miteinander zurechtkommen.

Für einige aus der Gruppe war die Expedition mit den langen Wanderungen und Höhenunterschieden zu schwer – sie brachen ab. Antony Jonneck bleibt aber dran und will nun mit einer anderen Gruppe den Goldstatus des Award-Programms erreichen.

Vanessa Masing ist in Deutschland geschäftsführender Vorstand des „Duke“, wie das Programm kurz genannt wird. Nach Meinung der Wirtschaftswissenschaftlerin wird hier ein Rahmen geboten, der junge Menschen aus bildungsnahen wie bildungsfernen Elternhäusern inspirieren kann, „über sich hinauszuwachsen, zu entdecken, was in ihnen steckt und unsere Gesellschaft mitzugestalten“.

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Im Rahmen einer Bildungsinitiative hat sie sich in Wedding besonders um Teenager zwischen 14 und 18 Jahren gekümmert, „weil das eine besonders prägende Zeit ist, in der die Weichen für das Leben als Erwachsene noch einmal neu gestellt werden, in der sich die Jugendlichen vom Elternhaus lösen und deshalb besonders empfänglich für Impulse von außen sind“.

Es komme darauf an, möglichst viele Lebensentwürfe außerhalb der eigenen Normalität kennenzulernen, sagt sie. „Das ist die Zeit, in der Jugendliche entdecken können, wer sie eigentlich sind.“

Die Urkunde hilft auch beim Berufseinstieg

Egal, ob norwegische Wildnis oder österreichische Alpen, die Teilnahme am Programm habe alle Jugendlichen weit aus ihrer Komfortzone herausgeführt. Das habe auch dazu geführt, dass Schüler, die vorher nie von ehrenamtlichem Engagement gehört hatten, sich plötzlich für andere eingesetzt haben. Für jede komplett absolvierte Stufe gibt es eine Urkunde, die helfen kann, wenn man sich etwa um einen Ausbildungsplatz bewirbt.

Antony Jonneck erzählt das ganz locker am Beispiel seines Harz-Urlaubs, den er vor der Schwarzwald-Wanderung geplant hatte, um seine Mutter zu besuchen. In der Region kennt er sich ganz gut aus und wollte schon mal für andere Schüler Routen erkunden mit den entsprechenden Sehenswürdigkeiten, die dann als Meilensteine dienen sollen.

Ein Kletterwald ist dabei, eine Talsperre, ein interessantes Denkmal. Wenn jemand nicht gut reden kann, könnte der ein Kurzreferat über die Talsperre halten, wer nicht so supergelenkig ist, könnte sich im Kletterwald erproben. Niemand muss Angst haben, ausgelacht zu werden. Schließlich geht es darum, sich weiterzuentwickeln, sich gegenseitig zu motivieren und zu ermutigen.

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Für die Bronzestufe habe sich eine andere Gruppe zum Angeln in den Branitzer Park begeben. „Es gibt aber auch Bootstouren über die Seen“, erzählt Antony Jonneck. Zu den besonderen Herausforderungen zählt aus seiner Sicht vor allem der ehrliche Wunsch, sich auf etwas einzulassen, was man nicht gut kann.

Der kürzlich verstorbene Prinz Philip war an der Seite seiner Frau, der britischen Queen, wiederholt in Berlin zu Gast.
Der kürzlich verstorbene Prinz Philip war an der Seite seiner Frau, der britischen Queen, wiederholt in Berlin zu Gast.

© dpa

Kamal Amer hat durch die Teilnahme am Programm sogar seinen Berufswunsch entdeckt. Vor sieben Jahren kam der junge Jeside nach Deutschland, hatte schon vorher für sich die deutsche Sprache als Hobby entdeckt, hatte sich auch viel mit der deutschen Kultur und Literatur befasst. In Berlin angekommen, begann er, sich für Menschenrechte, Völkerrecht und Kinderrechte zu interessieren.

Außerdem hat er sich beim Roten Kreuz engagiert und Kinder unterstützt. Als er in der Schule am Schillerpark vom „Duke“ hörte, hat ihm das Konzept auf Anhieb gefallen.

Bei einer Expedition in die Alpen, bei der auch ein Trainer dabei war, „habe ich entdeckt, dass das Programm mir gut tut“. Er habe viel über die eigene Persönlichkeit gelernt. Und am Ende habe festgestanden: „Ich will Erlebnispädagoge werden“, erzählt der heute 20-Jährige.

Kreative Lösungsstrategien und Achtsamkeit

Ein Bewusstsein für eigene Stärken und Bedürfnisse zu entwickeln, die Erfahrung, Hindernisse überwinden und einen positiven Beitrag für Menschen, Tiere und Umwelt leisten zu können, zählt zu den erklärten Zielen des Programms. Selbständige Arbeitsweise und Zeitmanagement sollen ebenso trainiert werden wie wertschätzende Zusammenarbeit mit anderen Menschen, der Einsatz von kreativen Lösungsstrategien und Achtsamkeit. Da das Programm inklusiv ist, kann jeder teilnehmen.

Jugendliche werden dabei nicht nur in ihren eigenen Talenten motiviert, sondern ausdrücklich darin bestärkt, auch andere Aspekte ihrer Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Bei den mitmachenden Schulen bildet sich zunächst ein Team aus drei Lehrern, die dann interessierte Schüler ansprechen und das Programm in der Schulgemeinschaft bekannt machen.

Der junge Jeside Kamal Amer hat bei einer Alpenexpedition mit dem Programm seinen Berufswunsch entdeckt.
Der junge Jeside Kamal Amer hat bei einer Alpenexpedition mit dem Programm seinen Berufswunsch entdeckt.

© Petere

Allein in Berlin bieten 16 Schulen den Award an, deutschlandweit sind es 75, Tendenz steigend. Bis zu 1000 junge Leute zwischen 14 und 24 Jahren machen mit. In Deutschland gibt es den Duke Award seit 1995. Weltweit ist er unter verschiedenen Namen bekannt. Vorsitzender der Duke of Edinburgh’s International Award Foundation ist inzwischen Prince Edward, Earl of Wessex.

Anfangs erprobt man sich im Hinblick auf besondere Talente, die man hat. Der eine kann gut kochen, der andere malen, wieder ein anderer ist stark im Sport. Antony Jonnecks Spezialität ist das Soziale. Beim Technischen Hilfswerk könnte er es im Zivilschutz eines Tages bis zum Baufachberater bringen, der entscheidet, welche Gebäude im Katastrophenfall betreten werden können. Er ist der Typ, der gerne Ziele hat. Und gerne etwas Neues ausprobiert.

Die 15-jährige Duygu Borisova kam über ihre Lust aufs Campen zu dem Programm. Das hatte sie sich in der Ernst-Schering-Schule zum Wandertag gewünscht, aus verschiedenen Gründen war es nicht möglich. Ein Lehrer vermittelte sie in die Duke AG, Duygu Borisova war sofort begeistert. „Man lernt, teamfähiger zu sein.“ Längst weiß sie, wie man Verletzungen versorgt, wie man Essen am Feuer erwärmt. Man lerne viel in den Teams, „vor allem miteinander klarzukommen“.

Nach dem Schulabschluss will das türkischstämmige Mädchen, das im Alter von zwei Jahren mit ihrer Familie aus Bulgarien in den Wedding kam, Fachabitur machen, dann Kauffrau für Büromanagement werden. Für die Bronze-Stufe musste sie zwei Tage mit anderen im Wald verbringen.

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