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A 100: Autobahngegner fürchten Verfall ganzer Kieze

Die Anhörung zur A 100-Verlängerung hat begonnen Zunächst werden öffentliche Versorger befragt. Danach folgen die rund 2500 Einwendungen der Bürger, nach Themen sortiert.

Die etwa 70 Demonstranten am Donnerstagmorgen vor dem Haus des Lehrers sind dermaßen diszipliniert, dass die Aufpasser von der Polizei gleich im Auto sitzen bleiben. Sogar einen Besen haben die Leute von der Bürgerinitiative mitgebracht, damit sie das Spielgeld zusammenfegen können, das sie zuvor symbolisch zum Fenster rausgeworfen haben: 80-Millionen-Euro-Scheine mit Bild von Klaus Wowereit drauf und 350-Millionen-Scheine mit Angela Merkels Konterfei. Sie sollen die Kosten für Land und Bund symbolisieren, die für die geplante Verlängerung der Stadtautobahn von Neukölln nach Treptow fällig würden.

Bevor drinnen die Anhörung zum Für und Wider der Pläne beginnt, rät Anwalt Carsten Sommer den Betroffenen: „Lassen Sie sich nicht abwimmeln, fragen Sie die Sachverständigen, decken Sie Widersprüche auf!“ Bei der Frage nach Kapazität und zusätzlicher Verkehrsbelastung der Straßen sieht Sommer selbst solche Widersprüche. Nur: Er wird sie so schnell nicht vortragen können, weil die auf neun Tage angesetzte Anhörung mit zähen Formalien beginnt und zunächst die „Träger öffentlicher Belange“ – von den Wasserbetrieben über Vattenfall, BVG, Feuerwehr und Bahn bis zu den involvierten Bezirksämtern – zu Wort kommen. Danach folgen die rund 2500 Einwendungen der Bürger, nach Themen sortiert.

Zu denen äußert sich auf der Demo der Gegner auch Jutta Matuschek, die als Verkehrsexpertin der Linken eigentlich auf der anderen, der Senatsseite stehen müsste: Sie warnt vor Millionenkosten, die das Land eines Tages aufwenden müsste, um die vom Verkehrslärm geplagten Kieze vor dem sozialen Verfall zu retten. Dass der Autobahnbau im rot-roten Koalitionsvertrag verankert ist, sei die Schuld der SPD. Für die ist Jan Stöß erschienen, der Kreisvorsitzende von Friedrichshain-Kreuzberg und Mitorganisator des Neins zur Autobahn auf dem Landesparteitag der Sozialdemokraten im Mai. „Die politische Willensbildung in den Parteien, die den Senat tragen“, sei abgeschlossen, sagt er. Was seine aus demselben Bezirksverband stammende Parteifreundin, Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer, bekanntlich völlig anders sieht.

Zumindest die Grünen geben sich überzeugt, dass die Frontlinie sich in ihrem Sinne verschieben wird: Sie setzen auf neue Mehrheiten bei der Wahl 2011 – und auf die Kraft der Verkehrsprognose des Senats für 2025, laut der der Autoverkehr abnehmen wird, weil mehr geradelt wird und kürzere Strecken gefahren werden.

Am Nachmittag schickt Grünen-Landeschef Stefan Gelbhaar eine Mail herum, „ehrlich entsetzt“: Über einen Abendtermin für arbeitende Betroffene solle erst am Montag entschieden werden, und ein Anwalt der Verwaltung habe die Anhörung auf betroffene Eigentümer beschränken wollen. Solche Nachrichten dürften die Geduld der bisher so netten Bürgerinitiative strapazieren.

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