zum Hauptinhalt
Frauen brauchen Rechte. Aber braucht Berlin den Frauentag als Feiertag?

© imago/Manngold

8. März als Feiertag in Berlin: Ziel des Frauentags kann nur seine Abschaffung sein

Berlin macht den Internationalen Frauentag zum Feiertag. Das ist der Sieg der Identitätspolitik über die Inklusion. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fatina Keilani

Es sagt viel über eine Gesellschaft aus, welche Feiertage sie sich gibt. Berlin hat sich nach längerer Diskussion für den 8. März entschieden, den internationalen Frauentag – man könnte auch sagen, ein identitätspolitisches Thema tritt gegen ein inklusives wie den 18. März an, und gewinnt. Der 18. März als zentrales Datum deutscher Demokratiegeschichte steht für die Werte, auf denen unser Gemeinwesen beruht: Einigkeit, Recht, Freiheit.

Feiertage dienen dazu, eine Gemeinschaft zu einer bestimmten Zeit im Jahr zu „synchronisieren“ und so die Gemeinschaft erlebbar zu machen – häufig verbunden mit Festlichkeiten, Demonstrationen, dem gemeinsamen Singen von Hymnen oder dem Tragen von gemeinschaftsstiftenden Symbolen. In gewisser Weise ist das Schaffen von Feiertagen also ein wichtiges Indiz dafür, was sich eine Gesellschaft über ihre eigene Identität erzählen oder zumindest einbilden will. Als Abraham Lincoln in den USA den bis heute gefeierten „Thanksgiving Day“ begründete, war dies Teil der Erzählung von der „Geburt einer neuen Nation“.

Als die Nationalsozialisten im Jahr 1933 den 1. Mai zum Feiertag machten, war dies Teil der – damals weitgehend erfolgreichen – Umdeutung des „Kampftags der Internationalen Arbeiterklasse“ in einen „Tag der nationalen Arbeit“. Feiertage werden meist dann eingerichtet, wenn das Ringen um ein neues Element gemeinschaftlicher Identität bereits vorbei ist – wie der 3. Oktober als Tag der Deutschen Einheit deren Besiegelung markiert.

´Motivation ist mager

Nun wird niemand der gegenwärtigen Berliner Regierung bewusste Überlegungen dieser Art unterstellen wollen. Man wollte vermutlich nur etwas Nettes tun, das die eigenen Milieus erfreut, die anderen Milieus mit einem zusätzlichen arbeitsfreien Tag beglückt und allgemein ein progressives Gefühl hinterlässt. Aber häufig sind es ja gerade unbewusst vorgenommene Akte, die uns mehr verraten als das, was bewusst geäußert wird.

Die Heortologie befasst sich mit Festen und wie sie zustande kommen; sie speist sich aus Soziologie und Philosophie sowie Religionswissenschaft und Theologie. Sie behauptet einen Zusammenhang von Festen mit persönlichen menschlichen Lebensfragen. Was will ein „Frauentag“ also erzählen? Er erinnert offiziell an die Geschichte der Frauenbewegung und die Emanzipation des weiblichen Geschlechts aus der Unmündigkeit, in die es im Laufe der frühen Neuzeit hinabgedrückt wurde – das Erlangen des Wahlrechts, der rechtlichen Selbstbestimmung und Gleichstellung. Er soll uns vereinen in dem Gefühl, dass wir es auf dem Wege der Gleichstellung weit gebracht haben.

Frauen bringt dieser Tag allerdings just auf diesem Weg keinen Schritt weiter. Eher ist das Gegenteil der Fall: Erst wenn für einen solchen Tag kein Bedarf mehr gesehen wird, ist das Ziel erreicht. Es lässt sich also festhalten: Es wurde ein Feiertag geschaffen, der sich nur an einen Teil der Bevölkerung richtet und dessen Schaffung vor allem darauf zurückgeht, dass Berlin im bundesweiten Vergleich sehr wenige Feiertage hat. Das ist eine magere Motivation. Vertan wurde die Chance, einen Tag zum Feiertag zu bestimmen, der sich an alle richtet und der für die Werte steht, die die Gesellschaft zusammenhalten.

Zwölf Newsletter, zwölf Bezirke: Unsere Leute-Newsletter aus allen Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false