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Spitze am Haken. Der Wiederaufbau der Nikolaikirche zur 750-Jahr-Feier.

© Dieter Breitenborn/Stadtmuseum Berlin

750 Jahre Nikolaikirche: Zum Stadtjubiläum 1987 wurde die Nikolaikirche rekonstruiert

Im Krieg war die Nikolaikirche zerstört worden, zur 750-Jahr-Feier Berlins feierte sie ihre Auferstehung.

Die Neuzeit beginnt für die Nikolaikirche Anfang der achtziger Jahre. Turmstumpf und Umfassungsmauern stehen einsam in einer Brache. Da naht die 750-Jahr-Feier Berlins. Jedes Städtchen im Lande hat sein Altenteil, das historische Zentrum, nur die Hauptstadt der DDR hat so etwas nicht. Ein Unding, sagen die Genossen und beschließen, mit dem „Wohngebiet zwischen Rathaus und Spree“, dem Nikolaiviertel, ein Stück Alt-Berlin aus dem Boden zu stampfen. „Es war ja nichts da“, erinnert sich der damalige Bauleiter Uwe Strathmann, packt einen dicken Ordner mit Fotos und Zeichnungen auf den Tisch und erzählt, wie ihm der Auftrag manchmal den Schlaf geraubt, aber alles in allem großen Spaß gemacht hat. Eine zerstörte Kirche baut man ja nur einmal im Leben wieder auf.

Hier fing alles mit den Türmen an, die Fotos zeigen einen fetten Eichenstamm aus der Rhön, der das Innere einer Stahlkonstruktion in der Form der spitz zulaufenden Türme bildet. Darüber kam die hölzerne Schalung, dann das Kupfer. Die 44 Meter hohen Turmhelme wurden am Boden montiert und mit einem Kran auf den Sockel gehoben. Millimeterarbeit war gefragt, „sonst hätten wir einen schiefen Turm und großes Spottgelächter bekommen“, sagt Strathmann. Der legendäre Stadtbaudirektor Ehrhardt Gißke hatte ihn, den jungen Bauleiter, mit dem Aufbau der Kirche betraut, nachdem der sich seine Sporen als Projektmanager beim Palasthotel und beim Palast der Republik verdient hatte und auch für die Rückführung des Alten Fritz Unter die Linden verantwortlich war. Am 20. Dezember 1981 schrieb der damals 38-jährige Bauleiter einen Brief mit den wichtigen Daten zum Bau der Türme. Das Dokument liegt seither mit Zeitungen und Münzen in der goldenen Kugel auf der rechten Turmspitze. „Die Kugel ist so groß, dass da ein Mensch reinpasst“, sagt Strathmann, der heute ein Planungsbüro betreibt. Als Wetterfahne auf dem Turm nebenan wählte Kunstschlosser Wilfried Schwuchow aus Angermünde einen Berliner Bären.

Eigentlich sollte die Kirche nach den beiden neogotischen Türmen nur noch ein Dach bekommen, aber plötzlich hatte Erich Honecker die Idee, den Staatsakt zur 750-Jahr-Feier Berlins in eben jenem ältesten Gotteshaus der Stadt zu zelebrieren. „Volle Kraft voraus!“ bedeutete das für die Bauleute aus Suhl, Cottbus und Berlin. Es musste entrümpelt werden. Viele Särge lagen kreuz und quer unter Trümmern, neues Grün keimte aus den Ruinen, kleine Bäume zwischen den Knochen, mit denen die Bauleute manchen Schabernack trieben. Einmal kam einer in die Kantine und an seinem Gürtel baumelte ein Oberschenkelknochen. Eines Nachts hatten die Bauleute am Rande der Protokollstrecke Totenschädel auf den Bauzaun platziert, „das gab mächtigen Ärger“.

Zahlreiche Funde wurden von Archäologen und Gerichtsmedizinern ausgewertet, Fazit: „Slawen und Germanen haben hier friedlich zusammengewohnt“ – hier, das heißt im Sumpfgebiet mit drei Sandinseln, auf einer steht St. Nikolai, auf der zweiten St. Marien, auf der dritten der Fernsehturm („St. Walter“).

Woher kannten die Bauleute, mit genormten Kästen aus vorgefertigten Platten groß geworden, die Kunst, Gewölbe zu mauern? Im Erzgebirge, in Schneeberg, gab es welche, dort wurde das Prinzip des Wölbens gelehrt. Bald hatten die Berliner den Dreh so gut raus, dass alle sieben Tage eine Achse fertig war. „Wir arbeiteten wie eine Familie, da hat jeder jedem geholfen“, sagt Strathmann. „Am Ende haben wir ein Bauarbeiterabendmahl gemacht: 150 Leute saßen, quer durch die Kirche, an langen Tischen, aßen Eisbein und tranken Bier. Auch das hatte St. Nikolai vorher wohl noch nie erlebt.“

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