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Am Kreuzberger Oranienplatz war das Polizeiaufgebot zum Finale der 18-Uhr-Demo noch einmal massiv.

© IMAGO/Marius Schwarz

74 Festnahmen, 29 verletzte Beamte: Berlins Polizeipräsidentin zieht positive 1.-Mai-Bilanz – trotz Gewalt in Kreuzberg

„Vergleichsweise friedlich“: Trotz vereinzelter Gewalt zeigt sich Polizeipräsidentin Barbara Slowik zufrieden mit dem 1. Mai. 123 Ermittlungsverfahren laufen.

Bei der linken 18-Uhr-Demonstration am Sonntagabend in Berlin sind 59 Personen festgenommen worden. Das teilte die Polizei am Montag mit. Zudem sind 96 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Verletzt wurden den Angaben zufolge insgesamt 29 Polizisten, 26 davon bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen am Ende der Demonstration auf dem Oranienplatz.

Den gesamten Tag über nahm die Polizei 63 Männer und elf Frauen vorläufig fest. 37 von ihnen kamen in einen Polizeigewahrsam, 26 Personen wurden einem Richter vorgeführt. In insgesamt 123 Fällen wird ermittelt, etwa wegen Landfriedensbruchs, Widerstands gegen und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Gefangenenbefreiung und gefährlicher Körperverletzung.

„Unser Konzept ist aufgegangen“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Die Polizei sei besonnen vorgegangen, habe die Versammlungsfreiheit geschützt und dafür Sorge getragen, „dass die Menschen sie sicher in Anspruch nehmen konnten“. Dazu habe gehört, „dass wir konsequent eingeschritten sind, wenn es zu Straftaten kam“. Umso unerträglicher sei es, wenn Beamte angegriffen werden.

Dass die „Revolutionäre 1. Mai-Demo“ dennoch „vergleichweise friedlich“ blieb, habe auch mit intensiven "Kooperationsgesprächen" der Polizei mit dem Versammlungsleiter zu tun gehabt, sagte Slowik am Montagmorgen dem RBB.

„Wir haben durchaus auch seine Interessen berücksichtigt mit der Route, die verändert werden musste, aber doch möglichst nah an seiner Route blieb." Damit spielte Slowik darauf an, dass die befürchteten Zusammenstöße in den Seitenstraßen von Nord-Neukölln, wohin die Route wegen Straßenfesten des Bezirks auf der Sonnenallee und am Hermannplatz verlegt worden war, ausblieben.

Als weiteren Grund für ausbleibende Krawalle nannte die Polizeipräsidentin die strengen Auflagen der Behörde. Außerdem sagte Slowik, dass es „wirklich gute Konzepte“ gegeben hätte, „insbesondere auch am neuralgischen Punkt, am Kotti". Dort hatte die Polizei laut einer internen Gefahrenanalyse Ausschreitungen befürchtet, weil dort eine Polizeiwache entstehen soll.

14.000 Teilnehmer bei Autonomen-Demo am 1. Mai

In der Spitzen nahmen nach Angaben der Polizei 14.000 Menschen an der „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ teil. Diese sei kurz nach ihrem Start gestoppt worden, weil Teilnehmer „Fahnen sowie Bildnissen mit PKK-Bezug“ gezeigt hätte, erklärte die Polizei. Die kurdische Arbeiterpartei ist in Deutschland verboten. Nachdem diese nach Hinweisen des Versammlungsleiters wieder eingerollt worden sei, habe die Demonstration fortgesetzt werden können.

Barbara Slowik, Polizeipräsidentin von Berlin. Im Vordergrund zu sehen ist Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD).
Barbara Slowik, Polizeipräsidentin von Berlin. Im Vordergrund zu sehen ist Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD).

© Wolfgang Kumm/dpa

Auch im Aufzug sei mehrfach Pyrotechnik gezündet worden, zudem seien mehrfach Flaschen geworfen worden, die teilweise Beamte trafen. In Höhe Wildenbruchstraße seien dann nicht nur Flasche geworfen, sondern Beamte geschlagen und getreten worden. Die Einsatzkräfte hätten die Attacke durch „Zurückdrängen und den Einsatz von Pfefferspray“ unterbunden.

Am Oranienplatz, dem Zielort des Aufzugs, seien gegen 21.20 Uhr erneut Flaschen und Böller auf Polizisten geworfen worden. „Auch hier reagierten die Einsatzkräfte konsequent und führten unter Anwendung unmittelbaren Zwangs und Verwendens von Pfefferspray mehrere Festnahmen durch“, erklärte die Polizei. Gegen 21.45 Uhr habe sich die Versammlung dann aufgelöst.

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Die Polizei hatte auch besonders einen Demonstrationsblock im Blick, der mit pro-palästinensischen Parolen auffiel. Die Veranstalter ließen im Frontblock auch pro-palästinensische und antisemitische Gruppen auftreten, die in den vergangenen Wochen mehrfach bei anderen Demonstrationen aufgefallen waren. Wegen des offen ausgetragenen Antisemitismus in den vergangenen Wochen hatte die Polizei eine für Freitag geplante Anti-Israel-Demonstration erfolgreich verboten.

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Bei der 18 Uhr-Demo am Sonntag hatte die Polizei Hinweise darauf, dass es zu antisemitischen Äußerungen und Vorfällen gekommen sein soll. „Nach dem bisherigen Erkenntnisstand wurden keine strafrechtlich relevanten Ereignisse festgestellt“, erklärte die Polizei am Montag. Sie werde jedoch Berichten und Hinweisen weiter nachgehen, der Staatsschutz prüfe mögliche Straftaten.

Insgesamt waren 5830 Einsatzkräfte der Polizei im Einsatz, davon 2130 Beamte aus Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sowie der Bundespolizei.

Gewerkschaft: Gewaltsuchende wollten Tag der Arbeit missbrauchen

Am Sonntagabend hatte die Polizei noch vom „friedlichsten 1. Mai seit Jahrzehnten“ gesprochen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) beklagte jedoch am Montagmorgen die zweistellige Zahl an verletzten Beamten – vor allem durch Flaschenwürfe und Pyrotechnik.

GdP-Landesvize Stephan Kelm erklärte dazu: „Es ist schade, dass am Ende 500 Gewaltsuchende reichen, um einen bis dahin nahezu friedlich verlaufenden Tag der Arbeit zu einem weiteren 1. Mai zu machen, bei dem vor allem die Gewalt gegen Menschen hängen bleibt, die Grundrechte schützen und die Sicherheit wahren.“ Gewaltsuchende hätten den Tag der Arbeit für Krawall und Gewalt missbrauchen wollen.

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Selbst zu Beginn der revolutionären 1. Mai-Demo habe es kaum erwähnenswerte Zwischenfälle gegeben. Erst zum Ende des Protestzugs, am Oranienplatz, flogen Flaschen und Pyrotechnik auf die Einsatzkräfte. „Man konnte stadtweit eine sehr professionell agierende und jederzeit kommunikative Bürgerpolizei erleben. Selbst als es zu üblen Diffamierungen gegen uns kam, haben die Kollegen einen kühlen Kopf bewahrt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ermöglicht und Raum für Protest gelassen“, sagte Kelm.

Im Hinblick auf die am Oranienplatz erfolgten Festnahmen gewaltbereiter Demo-Teilnehmer sagte Kelm: „Dass man am Ende gezielt gegen jene vorgeht, die das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für Straftaten missbrauchen, Pyros zünden und Flaschen werfen, ist unser gesetzlicher Auftrag“ Die Polizei hatte dort gezielt Demonstranten festgenommen, die zuvor durch Straftaten und Vergehen aufgefallen sein sollen. In einer vorläufigen Bilanz am späten Sonntagabend sprach die Polizei von 37 Festnahmen.

Eierwurf auf Giffey: „Absolut abartig“

Kelm äußerte sich auch zum Eierwurf auf Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bei der Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am Brandenburger Tor: „Es war absolut abartig, wie am Brandenburger Tor mit der Regierenden Bürgermeisterin umgegangen worden ist. Demokratie heißt, dass man miteinander redet, Meinungen austauscht, einander zuhört. Wer Eier auf Menschen wirft, disqualifiziert sich für jeden Diskurs und kann nicht erwarten, dass er gehört wird.“

Giffey hatte ihre Rede abbrechen müssen, nachdem sie ausgepfiffen und mit einem Ei beworfen worden war. Das Ei hatte sie nur knapp verfehlt, ein Sicherheitsmitarbeiter wehrte es mit einem Regenschirm ab. Die Polizei ermittelt wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung einer Person des politischen Lebens.

Innensenatorin Spranger: „Unser Konzept ist aufgegangen“

Verantwortlich für die lauten Proteste, Buh-Rufe und lauten Pfiffen waren Teilnehmer aus dem „klassenkämpferischen Block“, ein Zusammenschluss linker und sozialistischer Initiativen. Dieser hatte zuvor vom DGB Berlin-Brandenburg gefordert, Giffey nicht auf der Kundgebung sprechen zu lassen.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte am Montag: "Die gemeinsamen Vorbereitungen mit der Polizei Berlin und der Berliner Feuerwehr haben sich ausgezahlt. Unser Konzept ist aufgegangen."

CDU: „Von wirklich friedlichem 1. Mai weit entfernt“

Die CDU zog eine weniger positive Bilanz. "Dieser 1. Mai verlief mit zum Glück mit geringerer Gewaltbereitschaft als in vielen Jahren zuvor", teilte der innenpolitische Sprecher der Fraktion im Abgeordnetenhaus, Frank Balzer, mit. Doch bei Dutzenden Festnahmen und verletzten Beamten sowie einer zweistelligen Zahl von Autobränden sei man "noch weit von einem wirklich friedlichen ersten Mai-Feiertag entfernt".

In der Nacht zu Montag waren 17 Autos durch Brandstiftung beschädigt worden, die Polizei prüft einen Zusammenhang mit den Mai-Demonstrationen, hat aber bisher noch keine konkreten Anhaltspunkte dafür.

Der bessere Verlauf im Vergleich zu den Vorjahren sei "klar" der Erfolg der knapp 6000 Polizisten, die am 1. Mai im Einsatz waren, sagte Balzer. Die CDU wollte am Montag im Innenausschuss über die 1.-Mai-Bilanz beraten, doch die rot-grün-rote Koalition lehnte es ab, den Tagesordnungspunkt an den Anfang zu stellen - die Haushaltsberatungen sollten Vorrang haben. Am Ende blieb nicht mehr genug Zeit.

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