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8Die 89-jährige Zehlendorferin Hanna Conrad erlebte die Luftbrücke als junge Frau.

© Thilo Rückeis

70 Jahre nach der Berlin-Blockade: "Diese schrecklichen Bohnen"

Manchmal gab es Schokolade aus dem Flieger, meistens aber Gerichte mit Bohnen. Hanna Conrad erinnert sich an die Zeit der Luftbrücke - und an ihr "Brennesselkleid".

An den kleinen, gemütlichen Kachelofen kann sie sich noch ganz genau erinnern. Der bollerte im Wohnzimmer, und jedes Mal, wenn Hanna Conrad im Blockadewinter nach Hause kam, setzte sie sich erstmal an den Ofen und tankte Wärme. Alle weiteren Räume waren oft bitterkalt, Kohle und Holz waren knapp. Aber das Bänkchen an den herrlich aufgeheizten Kacheln gehörte leider nicht allzu lange der damals 18-Jährigen.

„Die anderen Mitbewohner wollten auch mal ’ran“, erzählt Hanna Conrad und lacht. Dann lehnt sich die heute 88-Jährige im Sessel ihrer Zehlendorfer Wohnung behaglich zurück, als fühle sie die Wärme noch immer im Rücken.

Die Organisation "CARE" flog über drei Millionen Pakete mit Nahrung und Hilfsgütern nach West-Berlin.
Die Organisation "CARE" flog über drei Millionen Pakete mit Nahrung und Hilfsgütern nach West-Berlin.

© Gregor Fischer/dpa

Hanna Conrad ist in Wittenberg aufgewachsen, doch mit 18 Jahren zog sie 1948 nach Berlin, ein paar Wochen, bevor die Blockade begann. Sie wollte „unbedingt“ Kindergärtnerin werden und begann um diese Zeit eine Ausbildung im Oberlin-Seminar in Dahlem. Zur Untermiete lebte sie damals bei einer befreundeten Familie am Hindenburgdamm in Lichterfelde. Die Wohnung war voll, die ganze Großfamilie musste dort zeitweise unterkommen, außerdem eine Untermieterin, die Freundin eines GI-Soldaten. „Ein „Ami-Liebchen, wie es damals hieß.“ Entsprechend begehrt war der Kachelofen.

Privilegien in Lichterfelde

Aber sie hatten in Lichterfelde auch Privilegien, von denen andere Berliner während der Luftbrücke nur träumen konnten. In der Nähe, im früheren Telefunkenwerk an der Goerzallee, befand sich bis 1949 das US-Hauptquartier. Folglich wurde die Gegend großzügig mit Strom versorgt. Hanna Conrad konnte bis 23 Uhr nachts bei elektrischem Licht lesen.

„Ausbildung und Arbeit gingen während der Blockade ganz normal weiter“, erinnert sie sich. In der Mittagspause aber, in der Kantine, da war Schmalhans Küchenmeister. „Oh Gott!“ stöhnt Hanna Conrad, streicht sich über die weißen, welligen Haare, Schalk in den junggebliebenen Augen. „Diese schrecklichen Bohnen ... mal im Eintopf, mal pur.“ Ständig gab’s das selbe Zeug. Bis auf kleine Freuden zwischendurch, wenn mal wieder eine Ladung Kaugummis oder Schokolade aus einem der Flieger vorbeigebracht wurde.

Überhaupt, diese „unglaublich beeindruckende Flugzeugkette“: Am besten konnte man vom Bahnsteig des S-Bahnhofs Tempelhof aus erleben, wie die Rosinenbomber alle drei Minuten auf dem Tempelhofer Flugfeld landeten und starteten. Um hinauf zu kommen, musste Hanna eine Bahnsteigkarte kaufen. „Oben war es rappelvoll, vor allem Kinder und Jugendliche bestaunten das Schauspiel.“

Die Berliner blieben gelassen

An diesen Tagen trug sie manchmal ihr grünes „Brennesselkleid“. Warum der Name? Weil es „schrecklich kratzte“. Es waren ja nicht nur die Lebensmittel rationiert, sondern auch vieles andere. Zum Beispiel Stoffe. Hanna nahm, was sie bekam – und nähte sich das Brennesselkleid. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Unzulänglichkeiten habe damals kaum jemand beklagt.

Die Berliner seien gelassen gewesen, hilfsbereit untereinander und optimistisch, dass die Alliierten die Luftbrücke durchhalten würden. „Wir waren doch erstmal nur froh, dass wir den Krieg hinter uns hatten.“ Dagegen sei die Blockade eine eher leichtere Übung gewesen. In den frühen Fünfzigern hat Hanna Conrad ihren Mann kennengelernt, sie hat geheiratet, einen Sohn und eine Tochter bekommen. Vieles ist seither passiert – aber die Momente am Kachelofen und das Brennesselkleid, nein, die wird sie niemals vergessen.

Das waren die Luftkorridore für die Luftbrücke 1948-1949 - bitte anklicken zum Vergrößern.
Das waren die Luftkorridore für die Luftbrücke 1948-1949 - bitte anklicken zum Vergrößern.

© dpa, Tsp/Klöpfel

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