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Die Luftbrücke hielt die Stadt während der Berlin-Blockade am Leben. Dabei gab es viele Helfer. Auch bislang unbekannte.

© Field Trip

70 Jahre Luftbrücke: Die unbekannten Helfer

Berlin feiert das Jubiläum der Luftbrücke. Möglich war die nur durch viele Helfer. Einer von ihnen war der junge Bert Molkenbuhr.

Dieser Artikel ist ein Teil der Serie Field Trip zum Tempelhofer Feld. Noch mehr Geschichten von Menschen, deren Leben mit diesem Ort verbunden ist gibt es in Form von kurzen Dokumentarfilmen auf der Webseite fieldtrip.tagesspiegel.de.

Am 19. August 1948 fand sich im Tagesspiegel unter der Überschrift „Keine Paddler dienstverpflichtet“ eine kuriose Meldung: „Ein britischer Sprecher dementierte am Dienstag Pressemeldungen, in denen behauptet worden war, dass am Montag auf dem Wannsee in der Nähe des Landeplatzes der Sunderland-Flugboote Paddler gezwungen worden seien, bei den Entladearbeiten mitzuhelfen.“ Nun, die Wassersportler wären kaum eine große Hilfe gewesen. Ein, zwei Kohlesäcke, und ihr Boot wäre gesunken.

Die Unterstützung der Berliner und Berlinerinnen

Auch wenn in diesem speziellen Fall die tatkräftige Unterstützung der Luftbrückenbauer durch die Berliner Bevölkerung ausblieb – ohne deren Mitwirkung wäre dem „Big Lift“ kaum ein Erfolg beschieden gewesen und etwa der schnelle Bau eines zusätzlichen, dringend benötigten Flughafens in Tegel nicht mehr als ein Wunschtraum geblieben. Aber bis zu 19000 Berliner, davon mehr als 40 Prozent Frauen, schufteten in drei Schichten auf der Baustelle, sodass Tegel schon nach drei Monaten eröffnet werden konnte.

Im Video erzählt Horst Bert Molkenbuhr von seinen Erlebnissen mit den Alliierten auf dem Tempelhofer Feld:

Begonnen hatten die Arbeiten Anfang August 1948, einen Monat zuvor war bereits mit dem Bau einer zweiten Start- und Landebahn in Tempelhof begonnen worden, denn der Airport mitten in der Stadt war anfangs das Nadelöhr der Luftbrücke, wie Bernd von Kostka, Luftbrückenexperte im Alliiertenmuseum, berichtet. Bei Abschluss der Arbeiten im September wurde bereits an einer dritten Bahn gearbeitet. Die Amerikaner stellten die großen Baumaschinen bereit, und die Berliner arbeiteten in Doppelschichten.

Eine warme Mahlzeit und ein Becher Kaffee

Auch das Entladen der Rosinenbomber war überwiegend Aufgabe der zivilen Helfer. Junger Männer wie Manfred Kleinschmitt, der als 18-Jähriger zu den Transportarbeitern auf dem Tempelhofer Flughafen gestoßen war und dort neun Monate lang Flugzeuge entlud, leider ohne je eine Rosine zu Gesicht zu bekommen. Über den Rias habe die US-Militärverwaltung einen Aufruf gestartet, hatte er anlässlich des 60. Jubiläums der Luftbrücke dem Tagesspiegel erzählt. Auch in Tempelhof sei in drei Schichten gearbeitet worden, Tag und Nacht, für einen Stundenlohn von 1,25 Mark, anfangs teilweise in Ost-Währung ausgezahlt. Pro Schicht habe es eine warme Mahlzeit in der Flughafenkantine und einen Becher Kaffee gegeben. Maschinenteile für das Kraftwerk Reuter hatten er und seine Kollegen umzuladen, Zeitungspapierrollen, ganze Autos für die Polizei, Steinkohle in Säcken oder auch perforierte Stahlplatten für die Rollbahn in Tegel.

Das Verhältnis zu den Amerikanern muss entspannt gewesen sein. Einmal hatte Kleinschmitt seine Jacke in einem entladenen Flugzeug liegen lassen, wurde mit einem Jeep übers ganze Rollfeld zur Neuköllner Seite gefahren, wo die Maschinen in einer langen Reihe auf den Start warteten. Der Pilot habe die Jacke einfach aus dem Cockpitfenster geworfen.

Ein junger Helfer berichtet

Einige Helfer in Tempelhof waren offenbar noch jünger, Schüler in den Ferien vielleicht, anfangs zum Entladen der Rosinenbomber herangezogen. Man kann es schon angesichts alter Filmaufnahmen erahnen, wenn unter den Helfern auch solche in kurzer Hose auftauchen – in den späten vierziger Jahren nicht gerade ein übliches Kleidungsstück für erwachsene Männer. In zeitgenössischen Quellen und historischen Darstellungen ist dazu freilich kaum etwas zu finden.

Auch Horst Bert Molkenbuhr war am Anfang der Luftbrücke dabei, wie viele andere Jugendliche Mitglied in einem der von den Amerikanern gegründeten Jugendclubs. Eines Tages habe man sie gefragt, ob sie bereit wären, Kohlen auszuladen, erinnert er sich. Na klar, waren sie. Tempelhof war Hauptumschlagplatz für Kohle, die ohnehin das häufigste Gut war, das nach West-Berlin geflogen wurde, 1,4 Millionen Tonnen insgesamt.

Auch Molkenbuhr erinnert sich gern an die ihm und den anderen Helfern gereichte warme Mahlzeit pro Tag, die gleiche, wie sie auch die Männer von der Air Force bekamen: „Eine große Blechschale mit fünf Vertiefungen, Suppe, Kartoffeln, Fleisch, Pudding, alles drin. Und es wurde jeder satt, notfalls kriegte er immer Nachschlag. Det war’n Traum.“ Und es bedeutete einen Esser weniger in der Familie.

Was ihn noch immer erstaunt: dass nicht mehr Unfälle passierten. „So wie hier geflogen wurde und wie die landeten und starteten – das war unfassbar.“ Für den jungen Molkenbuhr war es nicht weniger als „ein achtes Weltwunder“.

Dies ist eine von zahlreichen Geschichten von Menschen, deren Leben mit dem Tempelhofer Feld verbunden sind. Das Dokumentarfilm-Projekt Field Trip von Ronjafilm sammelt diese Geschichten auf einer interaktiven Webseite, die wir anlässlich des 70. Jahrestages des Endes der Berlin-Blockade veröffentlichen. Sie können dort alle bisher verfügbaren Geschichten als Filme erkunden: fieldtrip.tagesspiegel.de

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