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Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) soll der Koalition 7,1 Milliarden Euro neue Kredite beschaffen.

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7,1 Milliarden Euro Corona-Kredite für Berlin: Kritik an der Schuldenpolitik von Rot-Rot-Grün

SPD, Linke und Grüne treiben die Verschuldung Berlins schrittweise voran. Nur ein Teil des Geldes dient der Corona-Bekämpfung.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Berliner Haushalt wird in diesem Jahr voraussichtlich mit einem Minus von 1,87 Milliarden Euro abschließen. Das ist die aktuelle Prognose der Finanzverwaltung des Senats, die dem Tagesspiegel vorliegt. Obwohl das Finanzloch deutlich kleiner ist als ursprünglich befürchtet, wollen SPD, Linke und Grüne die Verschuldung des Landes Berlin auf Rekordhöhe treiben. In diesem und im nächsten Jahr sollen neue Kredite von insgesamt 7,1 Milliarden Euro aufgenommen werden.

Während Rot-Rot-Grün von einer finanziellen Vorsorge spricht, die ein „klares Signal der Solidarität in Krisenzeiten“ sei, fehlt den Oppositionsfraktionen CDU und FDP, dem Landesrechnungshof und der Industrie- und Handelskammer (IHK) jedes Verständnis für die ausufernde Verschuldungspolitik.

Rechnungshofpräsidentin Karin Klingen rät dringend dazu, erst einmal festzustellen, wieviel Geld Berlin in diesem und im nächsten Jahr tatsächlich braucht, um die Coronakrise zu bekämpfen. Kredite auf Vorrat aufzunehmen sei falsch.

Opposition kritisiert "ungebremste Schuldenmacherei und Verantwortungslosigkeit"

Der CDU-Fraktionschef Burkard Dregger warnt die Koalition vor „ungebremster Schuldenmacherei“, neue Kredite dürften nur zur Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen aufgenommen werden, nicht aber für „ideologiebehaftete Projekte“. Außerdem müsse der Senat die öffentlichen Ausgaben auf den Prüfstand stellen.

Die FDP-Haushaltsexpertin Sibylle Meister hält es für „reine Verantwortungslosigkeit“, dass die Regierungsfraktionen jetzt schon zum zweiten Mal den Kreditrahmen aufstocken.

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Im ersten Nachtragshaushalt hatte die Koalition eine Neuverschuldung von 6 Milliarden Euro zugelassen. Auch das waren schon 500 Millionen Euro mehr als Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) zunächst empfohlen hatte. Im zweiten Nachtragsetat, der am Mittwoch vom Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses abschließend beraten wird, wird der Kreditrahmen auf 7,1 Milliarden Euro hochgetrieben.

Dafür bestehe kein Bedarf, kritisiert die FDP-Politikerin Meister. Und der IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder wirft Rot-Rot-Grün vor, Ausgaben auf Pump finanzieren zu wollen, die mit der Bewältigung der Coronakrise nichts zu tun hätten. Beispielsweise 100 Millionen Euro zusätzlich für den Ankauf von Wohnungen.

Kredite werden nicht nur zur Coronabekämpfung ausgegeben

Auch die Grundausstattung der neuen Polizei- und Bürgerbeauftragten, die Fortführung des Semestertickets für Studierende, der Kitaausbau und Verkehrsinvestitionen sollen über die Coronakredite finanziert werden. Was der Pandemiebekämpfung dient, wird von der Koalition offenbar sehr großzügig ausgelegt. Ein großer Teil der neuen Kredite kann ohnehin erst in den Folgejahren ausgegeben werden, denn 2020 geht dem Ende zu.

Deshalb wurde eine „Pandemierücklage“ geschaffen. Wofür das Geld in diesem Topf tatsächlich ausgegeben wird, und wann, ist völlig unklar.

Unstrittig ist bisher nur, dass das Defizit dieses Haushaltsjahres, voraussichtlich 1,87 Milliarden Euro, über Kredite finanziert werden muss. Dass nicht mehr Geld fehlt, trotz hoher Steuerausfälle, liegt vor allem an der starken Beteiligung des Bundes an den Coronahilfen für die Wirtschaft, das Gesundheits- und Bildungssystem.

Von den 2,23 Milliarden Euro, die im Land Berlin bis Ende Oktober für diese Zwecke ausgegeben wurden, übernahm der Bund fast zwei Milliarden Euro. Außerdem werden in diesem Jahr laut Prognose 555 Millionen Euro für eingeplante Investitionen nicht ausgegeben. Nur die Personalausgaben liegen voll im Plan.

Benötigt werden nach aktuellem Stand nur 4,3 Milliarden Euro neue Schulden

Im nächsten Jahr geht die Finanzplanung des Senats von einem Defizit von 2,4 Milliarden Euro aus. Rechnet man die Finanzlücke dieses Jahres von rund 1,9 Milliarden Euro hinzu, fehlen insgesamt 4,3 Milliarden Euro. Warum Rot-Rot-Grün bis Ende nächsten Jahres das Land Berlin mit zusätzlich 7,1 Milliarden Euro verschulden will, bleibt erklärungsbedürftig.

Auftragsgemäß hat die Finanzverwaltung bis Ende November schon 4,66 Milliarden Euro am Kapitalmarkt locker gemacht. Weitere 750 Millionen Euro könnten noch vor Jahresende beschafft werden, teilte die Finanzbehörde auf Anfrage mit. Mit dem Restbedarf für den Haushaltsabschluss 2020 könne man sich bis Februar eindecken. So lässt sich die von den Regierungsfraktionen gewünschte üppige Pandemierücklage ordentlich auffüllen.

Der Schuldenstand Berlins steigt dann wieder von 14.812 Euro je Einwohner (2019) auf 16.620 Euro (Ende 2021). Die Rückzahlung der Schulden wird den Landeshaushalt ab 2023 bis 2050 laut Finanzplanung mit jährlich 222 Millionen Euro belasten.

Das Gute daran sind nur die niedrigen Zinsen. Über den Zeitraum von 27 Jahren, bis die Kredite abbezahlt sind, werden voraussichtlich nur 0,3 Prozent Zinsen jährlich fällig.

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